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Gregor Gysi auf der Wahlparty von der Links-Partei im September 2021.

© dpa/Jan Woitas

Eklat in Linkspartei wegen Putins Krieg: Gysi wirft Wagenknecht „völlige Emotionslosigkeit“ vor

Der außenpolitische Sprecher zeigt sich in einem Brief an Sahra Wagenknecht und sechs weitere Parteikollegen entsetzt. Wagenknecht kontert auf Twitter.

In einem Brief hat der außenpolitische Sprecher und ehemalige Fraktionschef Gregor Gysi die Haltung von Sahra Wagenknecht und sechs weiteren Politiker:innen zum Krieg in der Ukraine scharf verurteilt. Er sei „entsetzt“ über ihre „völlige Emotionslosigkeit“. Wagenknecht kontert auf Twitter und wirft Gysi wiederum Rufmord vor.

Der Brief, der dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vorliegt, ist an die ehemalige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht gerichtet, sowie an den ehemaligen Parteichef Klaus Ernst, Sevim Dagdelen, Andrej Hunko, Sören Pellmann, Zaklin Nastic und Christian Leye. Alle werden dem linken Wagenknecht-Lager in der Fraktion zugerechnet.

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Grund für Gysis Stellungnahme ist eine gemeinsame Erklärung der sieben Politiker:innen vom Sonntag. Darin hatten sie sich gegen den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler gestellt – und gegen die Parteispitze ihrer eigenen Partei. Dieser würde Deutschland unter anderem dazu befähigen, Waffen an die Ukraine zu liefern, und er begründe „die Strategie der Abschreckung mit Atomwaffen der Nato in Europa“, heißt es in der Erklärung.

Stimme man dem Antrag zu, bedeute dies eine „kritiklose Übernahme der vor allem von den USA in den letzten Jahren betriebenen Politik, die für die entstandene Situation maßgebliche Mitverantwortung trägt“. Indem Wagenknecht der Osterweiterung der Nato indirekt die Schuld für das schlechte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen gibt, übernimmt sie teilweise die Argumentation des Kremls, der unter anderem damit seinen Angriff auf die Ukraine rechtfertigt.

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Zwar verurteilen die Linken-Politiker:innen Putins Einmarsch unmissverständlich als „völkerrechtswidrigen Krieg“. Doch pochen sie weiter auf diplomatische Mittel, und mahnen den Westen, auch er müsse sich in Zukunft an völkerrechtlich verbindliche Verträge halten und in Zukunft selbst keine völkerrechtswidrigen Kriege mehr führen.

In dem Brief schreibt Gysi: „Ich bin insgesamt über eure Erklärung entsetzt und wollte euch das wissen lassen.“ Indem sich die Linken-Politiker:innen gegen die Waffenlieferungen ausgesprochen hätten, sprächen sie der Ukraine „faktisch ein Selbstverteidigungsrecht ab“ und seien „indirekt dafür, dass sie nur die Chance zur bedingungslosen Kapitulation“ bekommen.

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Worüber sich der ehemalige Fraktionsvorsitzende entsetzt zeigt, „ist die völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid.“ Gysi stellt sich zwar nicht bedingungslos hinter die Nato, aber verweigert sich der Argumentation, dass das Bündnis einen Fehler begangen habe, der Russlands Krieg rechtfertige. Gysi wirft dem Wagenknecht-Lager vor: „Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten. Die Nato ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse und damit Schluss für euch.“

Die angegriffene Parteikollegin verteidigte sich daraufhin vehement auf Twitter. „Ich bin entsetzt über den Brief Gregor Gysis, d. den Eindruck erweckt, es gäbe in der Fraktion Mitglieder, mich eingeschlossen, die Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht unmissverständlich verurteilt hätten“, schrieb sie.

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In einer auf ihrer Website veröffentlichten Stellungnahme verurteilte sie Gysis Anschuldigungen, den Krieg irgendwie zu rechtfertigen oder keine Emotionen zu zeigen, als Rufmord. Ihrer Ansicht nach gehe es Gysi vielmehr darum, den Antrag für ein „gigantisches Aufrüstungsprogramm“ durchzubringen. Da er nicht an der Abstimmung teilgenommen habe, hätte es nicht einmal Gelegenheit gegeben, ihn als außenpolitischen Sprecher zu konsultieren. Er habe „zeitgleich in einem Berliner Kino sein neues Buch vorgestellt.“

Die Russland-Frage sorgt schon seit einer Weile für Unruhe in der Linkspartei. So fordern einige Mitglieder unter anderem einen Austritt Deutschlands aus der Nato sowie eine Beendigung aller Auslandseinsätze. Die linke Außenpolitikerin Sevim Dagdelen erklärte noch eine Woche vor Kriegsbeginn in der Sendung „Maischberger“, die eigentliche Wurzel des aktuellen Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine sei klar die Nato-Osterweiterung.

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Auch Wagenknecht hat zuvor mit ihren Ansichten zum Ukraine-Krieg polarisiert. Noch am Sonntag hatte die Linken-Politikerin bei „Anne Will“ beklagt: „Die Aggressivität mit der – vor allem von amerikanischer Seite – ein russischer Einmarsch geradezu herbeigeredet wird, also die ist ja schon bemerkenswert.“

„Vielleicht sollte man einfach mal ernst nehmen und respektieren, dass Russland Sicherheitsinteressen hat“, sagte sie dort weiter. Ihre Aussage erneuerte die Linken-Politikerin am Montag auf Twitter und löste unter den Kommentator:innen Fassungslosigkeit aus. Im Studio erwiderte Talk-Gast und CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen: „Ihre Sichtweise ist zu 100 Prozent die des Kremls.“

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Am Dienstag – einen Tag nach der Anerkennung der Separatistengebiete durch Russland – schlug Wagenknecht andere Töne an: Die „einseitige Anerkennung der Separatistengebiete widerspricht Völkerrecht & erschwert Verhandlungslösung“, schrieb sie Dienstagvormittag auf Twitter. „Berücksichtigung aller Sicherheitsinteressen durch beide Seiten sind dennoch ohne Alternative, um Frieden in Europa zu sichern.“

Nach Spiegel-Informationen musste die Fraktionsvorsitzende am Donnerstag eingestehen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben.

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