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Barbara John.

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Ein Zwischenruf zu Christian Klar: Opfervergessenheit

Den terroristischen Tätern der RAF wird es bei uns leichter gemacht als ihren Opfern. Die verdienen mehr Aufmerksamkeit. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Barbara John

Kürzlich wurde öffentlich, dass Ex-RAF-Terrorist Christian Klar als freier Mitarbeiter für den Bundestagsabgeordneten Diether Dehm (Die Linke) arbeitet, und zwar als Betreuer seines Internet-Auftritts. Es folgte ein sachtes Säuseln im Blätterwald. Zu sacht und zu opfervergessen. Zwar wurden in einer Kommentierung des Vorgangs von den neun Ermordeten, an deren Erschießung Klar 1977 mitwirkte, immerhin noch die Namen der drei bekanntesten Opfer genannt: Siegfried Buback, Generalbundesanwalt, Jürgen Ponto, Dresdner Bank-Chef, und Hanns Martin Schleyer, Arbeitgeberpräsident. Das war auch schon alles. Von den ebenfalls erschossenen zwei Fahrern und vier Sicherheitsbeamten sprach niemand mehr, darunter Wolfgang Göbel und Georg Wurster. Dagegen war die Webseite des Bundestagsabgeordneten Dehm total mitleidheischend im Sinne Klars gestaltet. .Da konnte man nur Trauriges lesen über den 1985 verurteilten Mehrfachmörder: „Christian Klar hat 26 Jahre im Zuchthaus gesessen und sich nach seiner Haftentlassung nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen.“ Weiter heißt es: „Klar macht als Selbstständiger für einen sehr geringen monatlichen Geldbetrag seit einigen Jahren …“ So gibt es plötzlich nur noch ein Opfer, Christian Klar selbst.

Erst seit ich als Ombudsfrau in ständigem Austausch bin mit den zehn Hinterbliebenenfamilien, die durch die rechtsextremen NSU-Täter ihren Vater, Ehemann, Sohn, die Tochter verloren haben, ist mir sehr bewusst geworden, um wie viel leichter es terroristischen Tätern der RAF bei uns gemacht wird als ihren Opfern. Der Fall Klar ist ein Paradebeispiel. Strafe abgesessen. Alles wieder okay. Kommt nicht mit ewigwährender Schuld. Das diskriminiert. Wer das Gefängnis verlassen hat, soll wieder Bürger sein. Sie bekommen also Unterstützung, weil sie terroristisch gemordet haben. So empfinden es viele Opfer. Und was ist mit den Eltern, Partnern, Kindern der Ermordeten? Leben wie vorher, das geht nicht. Sie können die Jahre nach dem Verlust nicht einfach absitzen und dann ist es vorbei mit dem Leid. Deshalb sind sie es, die mehr Aufmerksamkeit verdienen: Gedenkorte, Kontaktangebote aus Gesellschaft und Politik. Und immer wieder öffentliche Zeichen des Erinnerns.

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