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Ausländische Fachkräfte sind eine wichtige Stütze in vielen Bereichen.

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Einwanderung: Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz

Das Unbekannte nicht zu fürchten, sich mit ihm bekannt zu machen, ist auch eine Aufforderung an die Politik. Sie muss die Wirklichkeit, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wahrnehmen - und praktisch handeln. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Euer Hass ist unser Ansporn, sagt der Bundespräsident. Es wird zum wiederholten Mal von Joachim Gauck gesagt, zu dem Ausruf seiner Präsidentschaft. Denn es ist ja nicht nur ein Ansporn, dem Fremdenhass zu widerstehen. Sondern einer, die Gesellschaft so zu denken und vor allem danach zu handeln, dass der Wunsch Wirklichkeit wird, nämlich dass die Angst vor dem Fremden nicht unsere hart errungene und immer wieder neu zu verteidigende innerstaatliche Liberalität überwölbt.

Das bedeutet, eine Haltung einzunehmen. Die Haltung, das Unbekannte nicht zu fürchten, vielmehr sich ihm auszusetzen, um sich miteinander bekannt zu machen. Und dann aus dem nunmehr Bekannten nicht zuletzt politisch etwas zu machen, zum Wohl aller. Wenn das nicht eine der zentralen Herausforderungen der Globalisierung ist!

Was vielleicht philosophisch klingt, ist doch nur praktisch. Und nötig. Das hat CDU-Generalsekretär Peter Tauber erkannt. Er will deshalb handeln, würde schon gern ein Einwanderungsgesetz mit denen aushandeln, die es seit längerem fordern, mit SPD, Grünen, Linken. Die auch lange vor der Union betont haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Es ist ja aus sich selbst heraus erklärbar, dass dieses Land attraktiv weit über die eigenen Grenzen hinaus ist. Deutschland liegt inmitten des vergleichsweise sicheren Europa, ist wirtschaftlich ein Riese, wird weltweit rechts- und sozialstaatlich als Vorbild gesehen. Das soll niemanden anziehen dürfen?

Doch, natürlich. Aber ebenso natürlich muss das Land sich darauf einstellen dürfen, damit kein Hass im Untergrund aufkommt und irgendwann gleichsam unkontrollierbar herauskommt. Regeln für Einwanderung – darüber hatte sich schon die „Unabhängige Kommission Zuwanderung“ unter Rita Süssmuth und Hans-Jochen Vogel 2001 Gedanken gemacht. 2001! Nun wird es wirklich Zeit für die Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Ein Wagnis ist das nur und besonders für die, die altem Denken verhaftet sind. Ob Bluecard oder anderes, es reicht eben nicht mehr, was vereinbart ist. Der Bundesinnenminister, der der Beruhiger der Nation sein soll, wird ebendas in der Abwehr des Tauber’schen Gedankens nicht erreichen. Eher müsste Thomas de Maizière steuernd an dessen Seite treten und sich damit gegen die Fremdenfeinde stellen. Wo doch darüber hinaus gilt, was Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt: Wir müssen aufhören, alle Flüchtlingsfragen mit dem Asylrecht zu lösen. Deutschland braucht Einwanderer, so viel steht fest. Und es braucht zur Klarstellung ein Einwanderungs-, nicht wie bisher ein „Aufenthaltsgesetz“. Es erhöhte die Sicherheit, auch wenn es keine absolute schafft.

In diesem Punkt ist Kanada immer noch Vorbild: Ein Bewerber kann durch einen Punktetest im Netz seine Chancen herausfinden. Die Regeln sind überschaubar, übersichtlich. In Deutschland brauchen Interessenten versierte Rechtsanwälte. Das Interesse der Wirtschaft hierzulande gilt ja nicht allein Akademikern. Die Liste der Mangelberufe wird länger.

Tauber hat sich etwas vorgenommen. Bei den Menschen kann schließlich ankommen, dass es nicht weniger, sondern noch mehr werden sollen, die hier fremd sind. In dieser aufgeheizten Situation erfordert eine Diskussion daher Mut. Dass sie nebenbei der CDU unter Angela Merkel auch noch immer mehr vom Sozialdemokratischen, vom Moderaten gibt, wird für den Generalsekretär aber sicher ein weiterer Ansporn sein.

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