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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bei einer Urteilsverkündung mit dem Vorsitzenden Richter (Zweiter von links).

© dpa

Einspruch-Kolumne: Schützt die NPD!

Grundrechte bewahren auch Rassisten und Verfasssungsfeinde vor staatlicher Willkür. Ignoriert die Politik das, gefährdet sie die Gewaltenteilung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. So steht es wortwörtlich im Gesetz. Was aber, wenn Organe und Behörden sich nicht darum scheren?

Die politische, soziale und rechtsstaatliche Qualität einer Gesellschaft erweist sich immer auch darin, wie die Mehrheit mit einer Minderheit umgeht. Zu dieser Minderheit gehört leider auch die rassistische und verfassungsfeindliche NPD, die bedauerlicherweise einem Parteiverbot entging. Aber gut. Auch dies war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die alle staatlichen Stellen bindet.

Die hessische Stadt Wetzlar hatte der NPD dennoch ihre Stadthalle verweigert, wo die Partei eine Wahlkampfveranstaltung durchführen wollte. Der Bürgermeister (SPD) berief sich auf Formalitäten wie fehlende Versicherungen. Allerdings gab es bereits rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Beschlüsse, die sich damit auseinandergesetzt hatten. Die Behörden haben verloren. Als sie sich weiter weigerten, zog die NPD folgerichtig nach Karlsruhe, wo ebenso folgerichtig festgestellt wurde, dass die Partei durch die Ignoranz der Exekutive in ihren Grundrechten verletzt worden ist. Statt wenigstens jetzt Bedacht walten zu lassen, verkündete der Landrat (SPD), der eigentliche „Problembär“ sitze in Karlsruhe.

Im Namen des Guten scheint immer häufiger alles erlaubt

Antifaschismus ist eine feine Sache, solange er sich an die Gesetze hält. Doch im Namen des Guten scheinen immer häufiger alle Mittel erlaubt. Es mögen Situationen denkbar sein, in denen die Politik der Justiz in den Arm fallen muss. Aber welche eigentlich? Ein früherer Ministerpräsident (CSU) blamierte sich mal, weil er ein Karlsruher Urteil zu Kruzifixen in Klassenzimmern nicht akzeptieren wollte. Ein ehemaliger Justizminister (SPD) stoppte in Überdehnung seiner Kompetenz ein Ermittlungsverfahren gegen Blogger, weil Journalisten sich erregten, die Pressefreiheit sei in Gefahr. Bislang zwei Bundesgesundheitsminister (beide CDU) übergehen zur Wahrung vermeintlich christlicher Grundsätze seit einem Jahr ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Sterbehilfe-Medikamenten. Aktuell gibt es Stimmen, die Regierung möge doch bitte das Auslieferungsverfahren im Fall des Katalanen Puigdemont blockieren. Hier scheint die Politik jedoch bislang bei Sinnen zu bleiben.

Populismus, das sind immer die anderen. Doch natürlich ist es genauso populistisch, Grundrechtsschutz auszuhöhlen, weil er den politisch Falschen zugute kommt. Populismus ist, Stimmung gegen Gerichte und gerichtliche Entscheidungen zu machen, weil sie politisch unerwünscht sind. Populistisch ist, sich selbst und eigene Meinungen, Absichten und Ziele für wichtiger zu nehmen als geordnete Verfahren und den Respekt vor der Gewaltenteilung in einer Demokratie.

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