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Die türkische Armee hat Truppen an der Grenze zu Syrien zusammengezogen.

© Foto (Archiv): XinHua/dpa

Update

Einmarsch in Syrien: Türkei bereitet Offensive gegen Kurden vor

Präsident Erdogan will türkische Soldaten in Syrien einmarschieren lassen, die Kurden vertreiben und eine „Sicherheitszone“ errichten. Die USA sind alarmiert.

Die türkische Armee hat Artillerie, Bodentruppen sowie verbündete Milizen an der Grenze zu Syrien zusammengezogen, um in das Nachbarland einzumarschieren. Präsident Recep Tayyip Erdogan droht seit mehr als einem halben Jahr mit der Invasion. Nach mehrtägigen Verhandlungen in Ankara einigten sich Vertreter der Türkei und der USA zwar auf eine Übergangslösung: Danach soll ein gemeinsames Operationszentrum für die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ im Norden Syriens eingerichtet werden. Wichtige Streitpunkte wurden aber ausgeklammert – der Einmarsch ist womöglich nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Schon 2016 und 2018 waren türkische Truppen westlich des Euphrat nach Syrien einmarschiert. Wie damals geht es Ankara auch heute darum, das kurdische Autonomiegebiet zu zerschlagen. Diesmal soll sich der Vorstoß gegen die Kurdenregion östlich des Euphrat richten.

40 Kilometer tief auf syrisches Gebiet

Die türkischen Pläne sehen die Errichtung einer bis zu 40 Kilometer tief auf syrisches Gebiet reichenden „Sicherheitszone“ vor, aus der kurdische Kämpfer vertrieben werden sollen. Dieser Korridor soll vom Euphrat bis zur irakischen Grenze im äußersten Osten Syriens reichen.

Innenpolitisch steht Erdogan wegen der wachsenden Abneigung der eigenen Bevölkerung gegen die 3,6 Millionen Syrer im Land unter Druck. Die „Sicherheitszone“ soll auch dazu dienen, Flüchtlinge anzusiedeln und so die Zahl der Schutzsuchenden in der Türkei zu verringern.

Die Kurdemiliz - erfolgreich im Kampf gegen den IS

Allerdings ist der Einmarsch für die Türkei riskant. Ihre Armee ist durch Einsätze in anderen Teilen Syriens und im Irak bereits stark gefordert. Den Soldaten stehen zudem gut ausgebildete und ausgerüstete Kämpfer gegenüber. Das dortige Kurdengebiet wird von den Volksverteidigungseinheiten (YPG) beherrscht, einem Ableger der Terrororganisation PKK.

Die YPG bildet das Rückgrat der Demokratischen Kräfte Syriens (SDA), einer 60.000 Mann starken Miliz, die von den USA unterstützt und bewaffnet wird. Die SDA hatte mit Hilfe der amerikanischen Luftwaffe den IS in Syrien besiegt.

Das Bündnis zwischen Washington und der YPG belastet das türkisch-amerikanische Verhältnis seit Jahren. Die Kurden, die ihre Autonomie behalten wollen, befürchten deshalb, im Falle eines neuen türkischen Einmarsches von den USA im Stich gelassen zu werden.

Verbündete. Kurdische Einheiten gingen mit amerikanischer Luftunterstützung gegen den IS vor - jetzt fürchten viele, sie werden von den USA fallen gelassen.
Verbündete. Kurdische Einheiten gingen mit amerikanischer Luftunterstützung gegen den IS vor - jetzt fürchten viele, sie werden von den USA fallen gelassen.

© Delil Souleiman/AFP

Zur Vorbereitung auf eine Abwehrschlacht sollen die kurdischen Kämpfer Tunnel und unterirdische Lazarette angelegt haben. Zudem kündigen sie an, dass sie bei einer türkischen Invasion die Inhaftierungslager für mehrere Zehntausend IS-Kämpfer und deren Angehörige in ihrem Machtbereich nicht mehr bewachen werden. Einige Tausend ausländische Dschihadisten könnten in diesem Fall versuchen, nach Europa zurückzukehren.

Angesichts der prekären Lage bemühen sich die Vereinigten Staaten, den Nato-Partner Türkei zur Zurückhaltung zu bewegen. Nach Medienberichten bietet Washington die Einrichtung einer schmalen Sicherheitszone von rund 15 Kilometern Tiefe in Nordost-Syrien an, die nach einem Abzug der YPG von türkischen und amerikanischen Truppen gemeinsam patrouilliert werden soll. Mit dieser Methode wollen die USA ihre Partnerschaft mit der YPG retten. Bisher will sich die türkische Seite aber nicht darauf einlassen. Die Offensive rückt immer näher.

Ende der Waffenruhe in Idlib

Dabei sind Gewalt und Krieg im Norden Syriens schon allgegenwärtig. Besonders umkämpft ist die Provinz Idlib. Die Region ist die letzte Hochburg der Aufständischen, die von Dschihadisten kontrolliert wird. Machthaber Baschar al Assad will mit allen Mitteln Idlib zurückerobern.

Doch die im April begonnene Offensive gegen „terroristische Organisationen“ ist offenbar ins Stocken geraten. Wohl deshalb hatte Damaskus vergangene Woche einer Feuerpause zugestimmt. Die wurde aber nach nur drei Tagen wieder aufgekündigt – mit dem Hinweis, die Bedingungen für eine Waffenruhe seien nicht erfüllt. In der Tat lehnt die Al-Qaida-nahe Miliz Hajat Tahrir al Scham den Rückzug in eine entmilitarisierte Zone ab.

Nach Angaben von Aktivisten begann Damaskus umgehend damit, wieder massive Angriffe zu fliegen. Hunderte Zivilisten sind bereits durch Bombardements getötet worden. Allein in den vergangenen drei Monaten wurden mehr als 400.000 Menschen wegen der Gefechte aus ihren Häusern vertrieben.

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