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Trauernde Kurden tragen in Afrin die Särge mit Opfern eines türkischen Angriffs auf die syrische Stadt.

© Jan/Rohani Newspaper/AP/dpa

Einmarsch der Türkei in Afrin: Die Kurden zwischen allen Mächten

Der Angriff türkischer Truppen auf Afrin ist Teil eines größeren Puzzles im Syrien-Konflikt. Während USA, Russland und Iran schon Besatzungszonen abstecken, fühlen sich viele Kurden verraten.

Seit fünf Tagen bombardiert die Türkei das von Kurden dominierte Afrin in Syrien. Nur: Die ersten Angriffe hatte es schon bald nach 2012 gegeben. Denn damals übernahm die sozialistische Kurdenpartei PYD mit ihrer Miliz YPG die Amtsgeschäfte in Afrin. Das klappte, weil sich viele Kurden weder mit der Zentralregierung in Damaskus noch mit den Aufständischen gemein machten.
Der Regierung in Ankara wiederum passt die Rojava genannte Autonomiezone in Nordsyrien nicht, zu der auch die Enklave Afrin gehört. Deshalb wird schon lange über einen Einmarsch diskutiert. Die PYD gilt als Schwesterpartei der militanten Arbeiterpartei Kurdistans PKK, die wiederum seit 30 Jahren gegen die türkische Armee für eine kurdische Autonomie im Südosten des Landes kämpft. Was oft vergessen wird: Der Hardliner Recep Tayyip Erdogan selbst ließ mit PKK-Chef Abdullah Öcalan verhandeln. Öcalan sitzt auf einer türkischen Gefängnisinsel, nachdem er aus dem syrischen Exil 1999 vertrieben worden ist. Schon damals gab es offenbar ein Einvernehmen zwischen Ankara und Damaskus.

1,2 Millionen leben in Afrin - darunter viele Flüchtlinge

Während Erdogan im Syrienkrieg islamistische, um Afrin auch turkmenisch-nationalistische Milizen aufrüstete, vertrieben die Kurden in der Schlacht um Kobane den „Islamischen Staat“ (IS). Zuletzt stellten Kurden die Bodentruppen gegen den IS in Rakka. Und die USA Kampfjets. Rund 1,2 Millionen Männer, Frauen, Kinder leben in Afrin. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hatte gewarnt, dass hunderttausende Kurden, Araber und Christen aus Afrin vertrieben würden – viele von ihnen kamen einst aus dem umkämpften Aleppo.

Demonstranten in Kamishli. Auch diese Stadt gehört zur kurdisch dominierten Autonomiezone Rojava in Syrien.
Demonstranten in Kamishli. Auch diese Stadt gehört zur kurdisch dominierten Autonomiezone Rojava in Syrien.

© SOULEIMAN/AFP

Nun scheint das kleine Afrin dem Westen egal zu sein. Viele Kurden fühlen sich vor allem von den USA verraten – aber auch von Russland. „Die USA haben eine moralische Verpflichtung, die Demokratie in dieser Region zu schützen“, sagt Sinam Mohammed, die als De-facto-Außenministerin der Kurdenregion agiert. Vor allem säkulare Kurden, orientalische Christen und moderate, arabische Muslime sehen ihre Autonomiezone als demokratisches Experiment. Die konservativeren Kurden in Nordirak blieben da immer skeptisch.

Iran, Russland, USA haben schon Zonen in Syrien

Neben dem kurdischen Autonomiewillen gibt es auch andere Gründe für den türkischen Einmarsch. Denn wäre Ankara, wie Erdogan sagte, bloß besorgt, dass syrische Kurden die Türkei angreifen könnten, hätte er dem Vorschlag der USA zustimmen können, gemeinsam die Grenze zu sichern. Erdogan jedoch weiß, dass iranische und russische Truppen schon weite Gebiete im syrischen Kernland besetzt halten (mit Damaskus’ Segen). Und dass sich die Amerikaner aus den östlicheren Kurdengebieten wohl nicht vertreiben lassen. Um ebenfalls eine Besatzungszone zu bekommen, so Beobachter, näherte sich Ankara jetzt Moskau an. Das von Russland unterstützte syrische Regime rückt nun von Süden durch Gebiete vor, in denen bislang von der Türkei unterstützte Rebellen Widerstand leisten konnten. Dafür scheint Damaskus den Einmarsch der Türkei von Norden zu dulden.

Dagegen gibt es europaweit Demonstrationen.

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