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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (M, SPD), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (l, CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen am 28.01.2016 in Berlin im Bundeskanzleramt im Büro der Kanzlerin zusammen. Hier treffen sich die Kanzlerin, Bayerns Ministerpräsident Seehofer (CSU) und Gabriel zu Gesprächen im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz.

© dpa

Update

Einigung bei Asylpaket II: Familiennachzug wird für zwei Jahre ausgesetzt

Die Koalitionsspitzen haben sich Donnerstagabend auf einen Kompromiss für die weitere Flüchtlingspolitik geeinigt. Algerien, Tunesien und Marokko werden sichere Herkunftsländer.

Nach monatelangem Streit über Details haben die Koalitionsspitzen den Weg für weitere Asylrechtsverschärfungen frei gemacht. Man hat sich auf einen Kompromiss beim Asylpaket II geeinigt. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz wird für zwei Jahre ausgesetzt. Allerdings sollen Angehörige, die noch in Flüchtlingscamps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon sind, vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. "Und zwar auch für subsidiär Schutzbedürftige." Das sei ein "guter Kompromiss", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel nach Beratungen mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sowie dem CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer. "Das Asylpaket II, das steht jetzt und kann sehr schnell ins Kabinett gehen", meint Gabriel. Algerien, Tunesien und Marokko sollen zudem zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Einen Überblick über die Schwerpunkte im Asylpaket II finden Sie hier.

Die CDU hat den Koalitionskompromiss im Asylstreit als Beitrag zur Senkung der Flüchtlingszahl gelobt. „Die Einigung auf das Asylpaket II ist eine gute Nachricht“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Der Beschluss trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen: Die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber spürbar zu reduzieren.“ CSU-Chef Horst Seehofer hat die Einigung der Koalitionsspitzen auf Verschärfungen im Asylrecht begrüßt. „Ich bin hoch zufrieden“, erklärte der bayerische Ministerpräsident am Donnerstagabend. „Es gilt also die Vereinbarung von Anfang November.“ Seehofer betonte: „Die Verzögerung hat die CSU nicht zu vertreten. Die CSU hat sich zu jedem Zeitpunkt an die vor drei Monaten getroffene Vereinbarung gehalten.“

Sozialdemokraten sprechen schon von einem Asylpaket III

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lobte die Einigung der Koalitionsspitzen auf das zweite Asylpaket. "Es wurde höchste Zeit, dass ein Kompromiss gefunden wurde", erklärte Woidke, fügte jedoch einschränkend hinzu: "Die Lösung beim Familiennachzug ist zwar nicht ideal. Insgesamt kann durch das Gesetzespaket aber vieles andere angeschoben werden, das dringend erforderlich ist."
Nun müsse es als nächstes um die Integration der Flüchtlinge gehen, teilte Woidke weiter mit. "Und hier sage ich noch einmal ganz deutlich: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Die Länder und Kommunen sehen hierbei den Bund in der Pflicht und fordern zusätzliche Milliardenhilfen. Die SPD will die Integration von Flüchtlingen stärker in den Fokus rücken. Von Seiten der Sozialdemokraten ist dazu von einem Asylpaket III die Rede.

Grüne: Union tritt ihr Bekenntnis zum Wert von Familie mit Füßen

Bis zuletzt war strittig gewesen, ob der Familiennachzug für Flüchtlinge, die den geringeren subsidiären Schutz genießen, ausgesetzt wird. Das wird künftig auch wieder für einen Teil der Syrer gelten. Die CSU hatte die Einschränkung vehement gefordert, die SPD lehnte dies lange ab. Die Grünen sehen den Kompromiss skeptisch. "Die Union tritt ihre hehren Bekenntnisse zum Wert von Familie mit den Füßen, und die SPD macht dabei auch noch mit", sagte die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, der Nachrichtenagentur AFP. "Wer den Familiennachzug aussetzt, nimmt billigend in Kauf, dass Kinder und Frauen im Mittelmeer ertrinken; nimmt billigend auch in Kauf, dass Integration schwieriger wird." Merkel, Gabriel und Seehofer verständigten sich außerdem darauf, Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Damit sollen Menschen aus diesen Ländern schneller abgeschoben werden können. Einer solchen Einstufung muss der Bundesrat zustimmen. Dafür sind Stimmen aus Bundesländern nötig, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Teile der Partei stehen einem solchen Schritt ablehnend gegenüber.

Reaktion auf Ereignisse in Köln

Die große Koalition reagiert damit auf die Ereignisse der Silvesternacht in Köln. Dort hatten Gruppen von Männern massenweise sexuelle Übergriffe auf Frauen und Diebstähle begangen. Bei den Tätern soll es sich überwiegend um Migranten aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum handeln. Weiterhin einigten sich die Koalitionäre nach den Worten Gabriels darauf, die Situation für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe zu erleichtern. Dabei gehe es darum, dass ein Flüchtling die Sicherheit habe, im Anschluss an eine Ausbildung zwei Jahre in Deutschland unabhängig von seinem Status arbeiten zu dürfen. Für die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen müssen die Flüchtlinge künftig einen Anteil von zehn Euro selbst beisteuern. Hier war in den vergangenen Wochen zwischenzeitlich ein höherer Betrag im Gespräch gewesen.

Vor der Einigung war das Treffen der Parteispitzen unterbrochen worden. CSU-Chef Horst Seehofer sagte am Donnerstag nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel, sie hätten intensiv miteinander gesprochen. Vor der Zusammenkunft aller Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung am Abend träfen sich die drei Parteivorsitzenden noch einmal. Dabei gab es jetzt wohl den Kompromiss.

Angela Merkel trifft sich mit Ministerpräsidenten der Länder

Seehofer äußerte sich, bevor er zu der Vorbereitungsrunde der Ministerpräsidenten aller Bundesländer in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung hinzustieß. Mit Merkel und Gabriel habe es ein langes, "sehr vernünftiges Gespräch" gegeben. Zu Details äußerte er sich nicht.

Für 20.00 Uhr war ein Treffen Merkels mit den Ministerpräsidenten der Länder geplant, bei dem es um vor allem um eine bessere Integration der Flüchtlinge, den sozialen Wohnungsbau und die mögliche Anerkennung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer gehen soll.

Wie andere EU-Staaten ihre Flüchtlingspolitik gestalten: Holland schmiedet eine Koalition, Finnland und Schweden schieben Zehntausende Menschen ab. Mehr dazu lesen Sie hier!

(dpa, AFP)

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