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Detlef Müller, SPD, ist gelernter Lokführer und seit 2014 im Bundestag.

© Georg Ismar/TSP

„Eine Runde Bundestag“ mit Detlef Müller (SPD): Was den letzten Lokführer im Bundestag so richtig nervt

Detlef Müller wechselte von der Bahn in den Bundestag. Er kann sich über zu viel Selbstbespiegelung und zu wenig Bürgernähe aufregen. Und über falsche Sprache.

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Detlef Müller ist sozusagen in der Peripherie des Bundestags gelandet. Er rückte 2014 für Wolfgang Tiefensee in den Bundestag nach, der Wirtschaftsminister in Thüringen wurde. Der SPD-Politiker aus Chemnitz ist der einzige Lokführer im Parlament – da es viel zu groß ist, ist sein Büro in einem Nebengebäude in der Wilhelmstraße, rund 400 Meter entfernt vom eigentlichen Parlament.

Müller ist ein guter Gesprächspartner, wenn es um die Frage geht, ob die Volksvertreter hier noch nah genug am Volk dran sind, er kann sich über manche abgehobene Debatte aufregen. Wir treffen uns zu einer "runde Bundestag", dem Politik-Podcast des Tagesspiegel vor der Bundestagswahl (Produktion: Markus Lücker).

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Müller steckt sich eine Zigarette an, wir laufen vom Büro aus am blockfüllenden Jakob-Kaiser-Haus entlang, wo die meisten anderen Abgeordneten ihre Büros haben, Richtung Reichstag, bei einer „Runde Bundestag“, dem Politik-Podcast des Tagesspiegels im Vorfeld der Bundestagswahl. Für ihn ist der Bundestag viel zu groß. Eigentlich sei die Größe auf 598 Sitze festgelegt – aber die fehlende große Wahlrechtsreform wird wegen des Ausgleichs von Überhangmandaten das Parlament womöglich nochmal größer machen. „Jetzt sind wir bei 709 Sitzen, das ist ein Platzproblem. Und es ist ein Zeitproblem.“ Sechs Fraktionen mit entsprechenden Redezeiten in Ausschüssen. Die Ausschüsse würden jetzt schon immer drei bis vier Stunden dauern. Man merkt schon, dass es unpraktikabel ist.“

Ausbildung bei der Reichsbahn

Müller war auf der Polytechnischen Oberschule, es folgte von 1981 bis 1983 eine Lehre zum Lokomotivführer bei der Deutschen Reichsbahn, nach der Wende war für die Bahn vor allem bei der Erzgebirgsbahn tätig. „Lokführer ist immer mein Traumberuf gewesen.“ Seit 2013 liegt die Lizenz auf Eis, man muss mindestens 100 Stunden im Jahr fahren, um sie zu erhalten. „Und auf der Strecke, die Sie fahren wollen, müssen Sie schon mindestens sechs mal gefahren sein.“ Er müsse also zunächst wie in einer Fahrschule nochmal eine Prüfung ablegen, berichtet Müller.

Es überrascht nicht, dass Müller sich besonders in der Verkehrspolitik engagiert. „Wir haben noch nie so viel Geld für die Bahn bekommen wir in dieser Legislaturperiode“, sagt der 57-Jährige mit Blick auf das Klimapaket und weit mehr an Regionalisierungsmitteln für den öffentlichen Personennahverkehr. 

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Die Sache mit der Pünktlichkeit im Parlament

Was ihn bis heute als Lokführer prägt? „Ich setze sehr auf Pünktlichkeit", sagt er, als wir vor dem Hauptportal mit der Inschrift "Dem Deutschen Volke" stehen. Wenn der Ausschuss neun Uhr beginne, fange er dann auch an. Er warte nicht zehn Minuten, bis alle da sind. „Es ist eine Frage des Respekts gegenüber anderen, die sich an Zeiten halten. Das geht mir in Berlin immer mörderisch auf den Keks. Es ist furchtbar, als dieses mit Absicht zu spät kommen, um die eigene Aufmerksamkeit zu erhöhen“, erzählt er.

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Und einmal in Fahrt, betont er, dass der Politikbetrieb eine Parallelwelt sei: „Mich nervt diese Oberflächlichkeit. Alles dreht sich um sich selbst. Wir sind alle wahnsinnig wichtig. Wir haben einen wahnsinnig durchgetakteten Tagesablauf.“ Einige würden sich für die Elite in Deutschland halten. „Das stimmt nicht, sondern es geht alles nur im Zusammenspiel mit der Bevölkerung, dieses Gefühl der Unfehlbarkeit, das ist ein bisschen arg ausgeprägt.“

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Polizeischutz nach dem Fall Chemnitz

Das Klima habe sich insgesamt geändert. Von 2005 bis 2009 saß er schon mal im Bundestag, da sei alles ruhiger gewesen. Es gebe weniger gesittete Kritik, sondern vieles sei unter der Gürtellinie. „Aber da muss man halt durch.“ Und als er sich klar gegen die rechtsextremen Exzesse nach der Tötung eines Deutschen in Chemnitz stellte, brauchte er zeitweise auch Polizeischutz. Aus der Szene hatte jemand seine Wohnadresse ausfindig gemacht. „Und dann waren die immer da.“

Könnte nach der Bundestagswahl noch größer werden: der Deutsche Bundestag
Könnte nach der Bundestagswahl noch größer werden: der Deutsche Bundestag

© Kay Nietfeld/dpa

"Kein Spiegel der Bevölkerung"

Müller kritisiert, viele Abgeordnete würde ihre Lebensplanung an den Bundestag hängen, für ihn sei die Verankerung vor Ort, der Kontakt zu den früheren Kollegen sehr wichtig.  Ein Problem der zunehmenden Akademisierung im Parlament hänge heute auch damit zusammen, dass immer mehr arbeitende Menschen so unter Druck stünden, dass sie kaum Zeit für Politik hätten. „Aus meiner Sicht sind in allen Fraktionen zu wenig Arbeiter und Angestellte.“ Der normale Arbeiter oder der Schichtarbeiter am Band habe schlichtweg keine Zeit zwischen Job und Familie, sich noch um Politik zu kümmern und die Ochsentour mit Ziel Bundestag zu starten. Es fehlten heute Leute, die mehr konkrete kommunalpolitische Erfahrung mitbringen. Das hier sei definitiv kein Spiegel der Bevölkerung.

Eine Sprache, die zu wenige verstehen?

Das zeige sich schon an der Sprache, viel zu viel Blase, viel zu viele Fachbegriffe. "Viele Bürger verstehen die Politiker einfach nicht. Und wir reden teilweise über Probleme, die die Leute oft gar nicht tangieren in ihrem eigenen Leben." Die Leute vor Ort würde etwa die Gender-Debatte nicht interessieren. Die hätten ein Problem entweder mit der Miete oder dass sie keine Wohnung finden. „Und sie haben Probleme mit viel zu geringen Löhnen, mit steigenden Energiepreisen.“

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