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Saskia Esken will am demokratischen Sozialismus als Ziel festhalten.

© Kay Nietfeld/dpa

„Eine positive gesellschaftliche Vision“: SPD-Chefin bekennt sich zum demokratischen Sozialismus

Enteignung und Vergesellschaftung könnten zu mehr Gerechtigkeit führen, sagt Saskia Esken. Die SPD-Chefin denkt an Sozialismus auf dem Boden des Grundgesetzes.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich ausdrücklich zum „demokratischen Sozialismus“ als politischem Ziel bekannt. „Der demokratische Sozialismus ist eine positive gesellschaftliche Vision“, sagte Esken dem Magazin „Spiegel“. Als mögliche Instrumente nannte sie auch Enteignungen oder Vergesellschaftungen von Unternehmen.

Der demokratische Sozialismus sei „ein Zielbild, so wie unsere Grundwerte Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit“, sagte Esken weiter. Sie wies darauf hin, dass sich derzeit der Kapitalismus in hohem Maße weiterentwickle, sowohl durch die Globalisierung als auch durch die Digitalisierung. „Deshalb ist es notwendiger denn je, darüber zu debattieren, wie wir den Kapitalismus gestalten.“

Sozialismus auf dem Boden des Grundgesetzes

Enteignungen oder Vergesellschaftungen könnten dabei zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft beitragen, argumentierte die SPD-Vorsitzende. Sie verwies auf die entsprechenden Vorgaben im Grundgesetz, mit denen dem Staat und der Gesellschaft Mittel „an die Hand gegeben werden, um den verantwortlichen Umgang mit Eigentum zu gewährleisten“.

„Wären das komplett spinnerte Ideen, würden sie nicht in unserer Verfassung stehen“, hob die SPD-Chefin hervor. Als Beispiel nannte Esken den Wohnungsmarkt. „Das Wohnen ist bei uns mehr und mehr zum Spekulationsobjekt geworden, dabei sollte es ein Menschenrecht sein.“ Bisher sei jedoch die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum zu sehr dem Markt überlassen worden, was „ein Fehler war“.

Alternativen zur Privatwirtschaft ermöglichen

Auch bei der Versorgung mit Wasser und Strom müsse der Staat eine größere Rolle spielen, verlangte Esken. „Zumindest müssen wir sicherstellen, dass der Staat in puncto Sicherheit und Versorgung auch die Möglichkeiten hat einzugreifen.“ Auch dort, wo der notwendige Netzausbau bei einzelnen Betreibern stocke, müsse über Alternativen zur Privatwirtschaft nachgedacht werden.

Vorwärts! SPD-Chefin Esken hat in einem Interview einen „demokratischen Sozialismus“ vorgeschlagen. Auch Enteignungen und Vergesellschaftungen seien als Instrumente vorstellbar.
Vorwärts! SPD-Chefin Esken hat in einem Interview einen „demokratischen Sozialismus“ vorgeschlagen. Auch Enteignungen und Vergesellschaftungen seien als Instrumente vorstellbar.

© Tobias SCHWARZ / AFP

Der Begriff „demokratischer Sozialismus“ geht bis in die Vorgeschichte der 1863 gegründeten SPD zurück. „Die SPD beschäftigt sich mit ihr seit 156 Jahren“, sagte denn auch Esken. Bis zum Godesberger Programm von 1959 sah die SPD generell den Privatbesitz an Produktionsmitteln kritisch.

Sozialismus lange bei der SPD vernachlässigt

Im aktuellen SPD-Grundsatzprogramm von 2007 heißt es: „Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.“ In der politischen Arbeit der Sozialdemokraten spielte der Begriff allerdings seit geraumer Zeit keine größere Rolle.

In Artikel 15 des Grundgesetzes heißt es: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Tatsächlich Gebrauch gemacht wurde von dieser Möglichkeit jedoch bisher nie.

Ebenfalls mit Enteignungen befasst sich Artikel 14 des Grundgesetzes mit dem Grundsatz: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Enteignungen gegen Entschädigung gibt es in der Praxis vor allem im Baurecht. (AFP)

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