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Militärisches Sanitätspersonal am Flughafen von Wuhan.

© Cheng Min/XinHua/dpa

„Eine orchestrierte, allumfassende Kampagne“: Mit geballter Propaganda will China aus dem Corona-Tief kommen

Zum Beginn des Coronavirus-Ausbruchs wurde viel Kritik am chinesischen Regime geduldet. Doch nun verlässt die Regierung die Defensive – mit aller Macht.

Die Anzeigetafel eines chinesischen Flughafens, eine Korean-Air-Maschine, und Beamte in Schutzanzügen, die an der Flugzeugtür die Papiere der Passagiere prüfen: Das ist der Inhalt eines Twitter-Videos der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua.

Sie schreibt dazu: „Alarmiert von der plötzlichen Zunahme importierter Covid-19-Fälle unternimmt China jetzt alle Anstrengungen, um das Coronavirus aus dem Ausland abzuhalten und einzudämmen.“

Das Coronavirus aus dem Ausland? Die Untertitel verdeutlichen die Botschaft: „Festlandchina hat am Donnerstag 17 Neuinfizierungen außerhalb der Provinz Hubei gemeldet“, berichtet Xinhua, „davon sind 16 Fälle von außerhalb Festlandchinas importiert worden.“ 94 Prozent aller Neuinfizierungen eines Tages in China außerhalb der Krisenprovinz sollen aus dem Ausland stammen?

Zweifel sind angesichts von mindestens 80.000 Infizierten in der Volksrepublik zumindest angebracht. Zumal amtliche Daten mitunter aus politischen Gründen manipuliert werden, das musste im Oktober das nationale Statistikbüro Chinas in Bezug auf Wirtschaftsdaten indirekt zugeben.

Coronavirus: Fabriken täuschen Produktivität vor

Die chinesische Webseite „Caixin“ berichtet aktuell von leeren Fabriken, in denen Tag und Nacht das Licht brennt und deren Klimaanlagen unaufhörlich laufen. Auf diese Weise erfüllen die Fabrikbesitzer die Vorgaben der örtlichen Funktionäre, denn der Verbrauch von Elektrizität gilt in China als Produktivitätsindikator.

Und die Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität ist zurzeit politische Leitlinie in China. Auch deshalb müssen die chinesischen Statistiken von den drastisch zurückgehenden Neuansteckungen außerhalb Wuhans zumindest mit Vorsicht genossen werden.

Schutzmaßnahmen am Flughafen Qingdao.
Schutzmaßnahmen am Flughafen Qingdao.

© imago images/Xinhua

Stammt das Virus aus den USA?

Sie passen zu gut in die Kommunikationsstrategie der allein regierenden Kommunistischen Partei Chinas, die seit einigen Tagen in den sozialen Medien und den staatlichen Medien die Runde macht. Sie lautet: Das Ausland kommt nicht so gut wie China mit dem Coronavirus zurecht. Und: Womöglich stammt das Virus auch gar nicht aus China – sondern aus den USA.

„Gehen Sie auf WeChat, gehen Sie auf Weibo, sehen Sie sich die Baidu-Suche an, es ist voller ,Schaut, all die anderen Länder werden krank’ oder ,Das Virus kam aus den USA’ und anderen Verschwörungstheorien“, sagt Xiao Qiang, Professor an der University of California in Berkeley, der „Washington Post“.

Coronavirus-Start: Erst nach drei Wochen griffen die Behörden durch

Beim Ausbruch der Krankheit in der Elf-Millionen-Stadt Wuhan im Januar befand sich die chinesische Regierung noch in der Defensive. Erstrecht als bekannt wurde, dass die Ärzte, die erstmals von dem neuartigen Virus berichtet hatten, von den lokalen Behörden zum Schweigen gebracht worden waren.

Von der Entdeckung des neuen Coronavirus Ende Dezember bis zu umfänglichen Maßnahmen vergingen mehr als drei Wochen. Hätte die Regierung früher reagiert, „wären viel weniger Menschen gestorben“, sagt einer der ersten Covid-19-Patienten Wuhans dem „Wall Street Journal“.

Orchestrierte Kampagne der Regierung

Kritik konnte in den ersten Wochen auch deutlich geäußert werden, Bürger und Journalisten konnten zunächst erstaunlich offen im Internet über die Krise berichten. Inzwischen aber dominieren Zensur und die offizielle Parteilinie die Kommunikation.

„Es ist mehr als nur Desinformation oder eine offizielle Erzählung“, erklärt Xiao Qiang, Experte für chinesische Medien: „Es ist eine orchestrierte, allumfassende Kampagne der chinesischen Regierung auf jedem Kanal mit einem Ausmaß, das man selten sieht – es ist eine Gegenoffensive.“

Wie diese aussieht, war zuletzt im Außenamt in Peking zu besichtigen. Sprecher Zhao Lijian kritisierte Begriffe wie „China-Virus“ und „Wuhan-Virus“. „Es liegt bislang keine Erkenntnis über den Ursprung des Virus vor“, so der Sprecher. Er berief sich auf den chinesischen Lungenarzt Zhong Nanshan, der erklärt hatte, „das Coronavirus trat erstmals in China auf, aber es könnte vielleicht auch nicht aus China stammen“.

Genauer erklärte er diese These nicht. Dafür blühten in den sozialen Medien die Ideen, wie das US-Militär das Virus als heimliche Biowaffe nach Wuhan gebracht haben könnte.

Außenamtssprecher Zhao Lijian sagt, dass das Virus womöglich auch nicht aus China stammen könnte.
Außenamtssprecher Zhao Lijian sagt, dass das Virus womöglich auch nicht aus China stammen könnte.

© imago images/Kyodo News

Stimmung gegen den Westen

Chinas Staatsmedien hingegen verlegen sich auf Heldengeschichten. Der Sender CGTN berichtet über einen Mann, der fünf Tage und fünf Nächte lang 5000 Kilometer weit mit dem Auto fuhr, um Medizin nach Tibet zu bringen.

Auch Ärzten und Pflegekräften werden zahlreiche Beiträge gewidmet. Sie kämpfen zweifellos tapfer und aufopferungsvoll gegen das Virus, ihre Geschichten dienen aber auch dazu, die Überlegenheit des eigenen politischen Systems, der Diktatur des Volkes, darzustellen. „Die Eindämmung in China ist das Resultat einer landesweiten Mobilisierung“, schreibt „China Daily“ stolz.

Sah die Viruskrise zunächst wie eine Bedrohung für die alleinherrschende Kommunistische Partei aus, könnte die nun womöglich sogar gestärkt daraus hervorgehen. Zumal Maßnahmen wie die Quarantäne einer Stadt mit elf Millionen Einwohner in westlichen Demokratien kaum vorstellbar sind.

„Die Welt schuldet China ein Dankeschön“

Hinzu kommen die tatsächlichen Unzulänglichkeiten des Westens im Kampf gegen das Coronavirus. In den USA gab es zunächst nur einen untauglichen Covid-19-Test, Präsident Donald Trump verharmlost die Dimension der Krise fortwährend. Xinhua listet dies auf in einem Stück mit dem Titel: „Seid ehrlich: Die Welt schuldet China ein Dankeschön.“

China könnte die USA „in ein Coronavirus-Meer stürzen“, wenn es seine pharmazeutischen Exporte einstellen würde, droht Xinhua. Und zeigt dazu mit einem Bild, auf welche Weise die Mitglieder der Coronavirus-Taskforce um Vizepräsident Mike Pence im Weißen Haus gegen das Virus kämpfen: sie beten.

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