zum Hauptinhalt
Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger. Anhänger der QAnon-Bewegung vor dem Reichstag bei der Demonstration am 29. August.  Der Verfassungsschutz warnt vor weiterer Radikalisierung

© fritz engel / agentur zenit

„Eine höchst dynamische Situation“: Verfassungsschutz befürchtet Folgen durch Verschwörungstheoretiker für Superwahljahr 2021

Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt vor der apokalyptischen QAnon-Bewegung und befürchtet eine weitere Radikalisierung bis hin zu Gewalt.

Von Frank Jansen

Angesichts der Hetze von Corona-Leugnern und anderen Verschwörungstheoretikern warnt der Verfassungsschutz vor negativen Folgen im kommenden Superwahljahr 2021. „Durch ständige Verächtlichmachung der Regierung und der Repräsentanten des Staates könnte dies, insbesondere im Hinblick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr, zu einem Vertrauensverlust führen“, heißt es in einem „Sonderlagebild“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Es zeichne sich „eine höchst dynamische Situation ab, deren Verlauf im Ergebnis nur schwer prognostizierbar ist“.

Das vertrauliche Papier mit dem Titel „Gefahren- und Risikopotenzial insbesondere durch Extremisten und fremde Dienste“ wurde am Donnerstag bei der Herbsttagung der Innenministerkonferenz (IMK) vorgestellt. Die Minister hätten das Sonderlagebild zustimmend zur Kenntnis genommen, hieß es im Umfeld der IMK.

Dass die Sorgen in Politik und Sicherheitsbehörden wachsen, zeigt schon die Tagesordnung des Treffen. Gleich im zweiten Punkt ging es um „Gezielte Falschmeldungen, Verschwörungstheorie und Desinformationskampagnen“. An der 36-seitigen Gefahrenanalyse hatten sich auch neun Landesbehörden für Verfassungsschutz und das BKA beteiligt.

Verschwörungstheoretiker schwadronieren über einen "tiefen Staat"

Ein Schwerpunkt im Sonderlagebild sind die Umtriebe der QAnon-Bewegung. Die in den USA entstandene, lose Vereinigung von Verschwörungstheoretikern findet auch in Deutschland Anhänger. Kernelement ist die Behauptung, ein im Verborgenen agierender, internationaler Ring von Pädophilen aus Geheimdiensten, Politik und Wirtschaft ermorde in unterirdischen Lagern Kinder, um aus ihrem Blut die lebensverjüngende Substanz Adrenochrom zu gewinnen. Die Verschwörungstheoretiker steigern sich in den Wahn hinein, ein „deep state“ (tiefer Staat) sei zugange.

Bei den Demonstrationen von Coronaleugnern in Berlin und anderen Städten trugen QAnon-Leute demonstrativ Kleidungsstücke mit einem „Q“. Der Verfassungsschutz befürchtet, dass sich die Bewegung weiter radikalisiert bis hin zum Terror von Neonazis und anderen Rechten.

QAnon-Bewegung hetzt gegen Juden

Es lägen Hinweise vor, „dass sowohl einzelne Rechtsextremisten als auch eine Reihe von Reichsbürgern der QAnon-Theorie anhängen“, heißt es im Sonderlagebild. Anknüpfungspunkte für rechtsextreme Gedankengebilde biete die Behauptung der QAnon-Bewegung, die handelnden Eliten des „tiefen Staates“ seien Linke, jüdischen Glaubens oder von Juden gesteuert. Der Verfassungsschutz sieht die Gefahr, dass antisemitische oder gegen Politiker gerichtete Gewalttaten „mit der Behauptung einer Bedrohung durch den ,tiefen Staat‘ legitimiert würden“.

Bei einem weiteren sicherheitspolitischen Thema blieb die IMK offenbar gespalten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und seine Länderkollegen aus der Union wollen den Abschiebestopp für Syrien zumindest bei Gefährdern und Gewalttätern aufheben. Die SPD-Minister fordern hingegen, die IMK solle den Abschiebestopp, wie bisher üblich, für ein halbes Jahr verlängern.

Die Union veranstalte „Theaterdonner“, hieß es im Kreis der SPD-Minister. Da die staatlichen Kontakte zu Syrien 2012 abgebrochen wurden, seien Abschiebungen unrealistisch. Außerdem zeuge das aktuelle Lagebild des Auswärtigen Amtes von Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen unterstützte die Minister der Union. Der Kandidat für den Parteivorsitz forderte in der „Welt“ ein politisches Zeichen, „dass Deutschland kein Schutzort für terroristische Gefährder ist“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false