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Zunehmend wilder. Donald Trump versucht, die US-Wahl noch zu seinen Gunsten zu drehen.

© Imago/Erin Schaff

Eine Bilanz des Scheiterns: Wie Trump versuchte, das Wahlergebnis zu kippen

Trumps Versuche, die Wahl anzufechten, wirken von Woche zu Woche verzweifelter. Hinter den Kulissen herrschen Chaos und Verschwörungstheorien.

Am Nachmittag des 13. Novembers rief US-Präsident Donald Trump seinen Anwalt Rudy Giuliani aus dem Oval Office an – eine Woche vor dessen bizarrem Auftritt voller Verschwörungstheorien, als dem Ex-Bürgermeister von New York Haarfarbe übers Gesicht lief. Giuliani wusste nicht, dass er auf Lautsprecher gestellt war und Trumps Berater mithörten. Auch Vizepräsident Mike Pence war zugegen. So beschrieb es eine anwesende Person der Washington Post.

Giuliani ermutigte Trump in seinem Kampf um die Wahl und bezichtigte seine anwesenden Berater, ihn anzulügen. Trump könne noch gewinnen, sagte Giuliani. Trumps stellvertretender Wahlkampfmanager Justin Clarke ergriff das Wort, beschimpfte Giuliani und sagte, er füttere den Präsidenten mit Falschinformationen.

Konstruktiver wurde das Gespräch nicht. Einzig, was Trump daraus machte, war bemerkenswert – und zeigte deutlich, welchen Weg er von da an einschlagen wollte: Am darauf folgenden Tag machte er Giuliani und dessen Team hauptverantwortlich für seinen juristischen Feldzug, die Wahl noch zu kippen.

Bereits eine Woche zuvor hatten die großen US-Medien Joe Biden zum Wahlsieger erklärt. Seitdem hatte Trump wiederholt von Betrug getwittert und gesprochen. Nur gebracht hatte es nichts. Seine Klagen in den Bundesstaaten gegen die Auszählung wurden entweder abgewiesen oder für nicht aussichtsreich befunden. Eine harte Niederlage gab es am 13. November, dem Tag des Anrufs bei Giuliani, in Pennsylvania. Dort wollte Trump alle Briefwahlstimmen, die nach dem Wahltag ankamen, für ungültig erklären lassen – ein hoffnungsloses Unterfangen.

Als Rudy Giuliani den Kampf übernahm

Trumps Wahlkampfteam hatte ihn, kurz nachdem Biden als gewählter US-Präsident ausgerufen wurde, über die Chancen seines Vorhabens aufgeklärt: Sie sprachen von einer Wahrscheinlichkeit von fünf bis zehn Prozent. Trump wollte den Kampf dennoch führen, sah allerdings, wie sich sein Team nach und nach ausdünnte.

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Einige der Anwälte in Trumps Team störte vor allem der Einfluss Giulianis, den sie als verwirrt und schlecht vorbereitet bezeichneten. Sie vermieden deshalb sogar Treffen, bei denen Giuliani und dessen Team anwesend sein sollten. Trump hingegen verteidigte seinen Privatanwalt als Kämpfer und Kollegen. Andere Juristen wollten ihr Ansehen nicht aufs Spiel setzen und gingen. Pam Bondi zum Beispiel, der am Tag nach der Wahl noch auf einer Pressekonferenz mit Giuliani auftauchte, war einer der ersten, der absprang. Weitere folgten.

Schwarzer Humor? Trumps Anwalt Rudy Giuliani rinnt dunkler Schweiß über die Wange.
Schwarzer Humor? Trumps Anwalt Rudy Giuliani rinnt dunkler Schweiß über die Wange.

© Jacquelyn Martin/AP/dpa

Kritische Stimmen waren dem abgewählten Präsidenten ohnehin nicht willkommen. Trump hörte lieber auf die Anwälte, die ihm sagten, was er hören wollte. Und so wurden Giuliani und dessen Team zum Gesicht der zunehmend unrealistischen Versuche, das Wahlergebnis und damit die Demokratie zu untergraben. Giulianis Team gehörten auch Jenna Ellis und Sidney Powell an. Es nennt sich "elitäre Streitkraft".

Mit Giulianis Übernahme wechselte auch die Strategie. Trumps Juristen gingen dazu über, direkten Druck auf die besonders umkämpften Bundesstaaten auszuüben. Ein Beispiel ist der Anruf des republikanischen Senators Lindsey Graham beim Wahlaufseher von Georgia, Brad Raffensperger, einem Republikaner. Graham fragte, ob es möglich sei, einige demokratische Stimmen nicht mitzuzählen.

In Georgia griff Trump sogar den "glücklosen" republikanischen Gouverneur Brian Kemp am Montag persönlich an, weil dieser nichts gegen den Wahlbetrug tue. Wenn er die Briefwahlstimmen und Briefumschläge zählen würde, gäbe es ein Ungleichgewicht. Das Ergebnis, so Trump: "Wir würden den Staat ganz einfach gewinnen." Belege dafür, wie er auf solche Ungereimtheiten kommt, lieferte Trump nicht mit.

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Ein weiteres Beispiel ist die Einladung Trumps an republikanische Abgeordnete aus Michigan. Trump hoffte, dass diese am Wahlergebnis vorbei entscheiden könnten, dem amtierenden US-Präsidenten die Wahlmänner zu überlassen. Beide Versuche scheiterten, weil sich die konservativen Politiker nicht manipulieren ließen.

Zudem streuten Giuliani, Ellis und Powell einerseits die Theorie, dass Demokraten die Wahlergebnisse in Städten mit mehrheitlich schwarzen Einwohnern aufgehübscht hätten. Andererseits sollten die Maschinen, die die Stimmen auszählten, von kommunistischen Kräften aus Venezuela manipuliert worden sein.

Die größten Niederlagen von Donald Trump

  • 13.11., Pennsylvania: Gericht weist Klage ab, Briefwahlstimmen für ungültig erklären zu lassen
  • 19.11., Arizona: Gericht weist Antrag auf Nachzählung wegen fehlender Erfolgsaussicht ab
  • 21.11., Georgia: Gericht bestätigt Bidens Sieg nach händischer Neuauszählung
  • 23.11., Michigan: Trump zahlt Millionen für Neuauszählung, Bidens Vorsprung wächst sogar

Was Trump störte, waren allerdings nicht die Verschwörungstheorien, sondern der wirre Auftritt Giulianis auf der besagten Pressekonferenz. Giuliani hatte sich so in Rage geredet, dass ihm während des Auftritts Haarfärbemittel über das Gesicht lief. Der US-Präsident fürchtete, dass er selbst "wie ein Witz" gewirkt haben müsse, da Giuliani in seinem Namen sprach.

Trump hielt aber an Giuliani fest und tut dies bis heute. Weil er ihm das gibt, was er braucht. "Sie müssen Trumps Psychologie verstehen", sagte Anthony Scaramucci, ein langjähriger Trump-Vertrauter, der Washington Post. "Die klassischen Symptome eines Außenseiters sind, dass es eine Verschwörung geben muss: Es liegt nicht an mir, es gibt eine Intrige gegen mich", so Scaramucci.

Diese Art der Verschwörung hatte Trump bereits im Sommer und Herbst vorbereitet – für den Fall, dass er die Wahl verlieren sollte. Sein ehemaliger Stabschef John F. Kelly soll laut Washington Post gesagt haben, dass er sich früh eine Entschuldigung dafür suchte, falls es so kommen sollte.

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Als am Wahltag allerdings die ersten Ergebnisse reinkamen, glaubte Trump schnell nicht mehr daran, dass eine solche Entschuldigung nötig werden könnte. Er wurde zuversichtlich – bis Fox News bekanntgab, dass Biden Arizona gewonnen habe. Einen Staat, den sein Wahlkampfteam ihm gewissermaßen versprochen hatte.

Trump habe jeden im Raum angeschrien, so ein Verwaltungsmitglied des Weißen Hauses. Als alle Versuche scheiterten, Fox News zu bedrängen, die Entscheidung zurückzunehmen, wurde Trump bockig. Er wusste, dass es zum Wahlsieg wohl jetzt nicht mehr reichen würde. Nur wollte er es nicht zugeben.

Laut einem seiner Berater sei Trump wie der verrückte König George gewesen und habe immer wieder gemurmelt: "Ich habe gewonnen." Seine Berater hätten sich entschieden, nicht zu versuchen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Sie gaben ihm anfangs sogar Futter für die Betrugstheorien, indem sie ihm Umfrageergebnisse zeigten.

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Diese sagten aus, dass die Mehrheit der Wähler den Umgang der Medien mit Trump als "unfair und voreingenommen" gegen ihn wahrgenommen hätten. Außerdem sei die Mehrheit der Wähler überzeugt davon, dass sie ein besseres Leben führten als vier Jahre zuvor. Trump soll begeistert gewesen sein.

Richter kanzelt Trump-Klage ab

Was folgte, ist bekannt. Zwei Wochen ohne weiteres Erfolgsergebnis führten dazu, dass Trump schließlich einwilligte, Biden Zugang zu wichtigen Informationen zu geben und das Weiße Haus zu räumen, falls Bidens Sieg bestätigt werde. Der Führungswechsel ist inzwischen im Gange – ohne, dass Trump eingestehen will, die Wahl verloren zu haben.

Das wird er auch nicht müssen. Die klaren Worte der Richter, die seine Klagen abweisen, sprechen für sich. Stellvertretend für diese steht Stephanos Bibas, der zuletzt Trumps Versuch, die Bestätigung der Ergebnisse in Pennsylvania anzufechten, abwies.

"Freie, faire Wahlen sind das Herzblut unserer Demokratie", schrieb Bibas. Deshalb müssten Klagen, dass die Wahlen unfair gewesen seien, ernstgenommen werden. "Wahlen unfair zu nennen, macht sie allerdings nicht unfair. Für Klagen benötigen wir genaue Vorwürfe und dann Beweise", so Richter Bibas. Allerdings seien weder genaue Vorwürfe noch Beweise vorhanden.

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