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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert mehr internationale Impfgerechtigkeit.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Ein wenig davon abgeben, was uns gesichert ist“: Steinmeier will deutschen Impfstoff mit der Welt teilen

Während in Deutschland eine „Luxusdebatte geführt werde, fehle vor allem den armen Ländern der Covid-Impfstoff, kritisiert der Bundespräsident.

Ungeduld – das Wort spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Montag gleich mehrfach aus. Er meint nicht nur das Ende des Lockdowns, das in Deutschland viele Bürgerinnen und Bürger herbeisehnen. Die Ungeduld sei weltweit zu spüren, sagte Steinmeier: Vor allem in Afrika und Asien warten Millionen Menschen darauf, dass auch in ihren Ländern das Impfen gegen das Coronavirus endlich losgeht. „In allen diesen Ländern ist das Leid groß und die Ungeduld natürlich auch“, sagte Steinmeier im Anschluss an ein virtuelles Treffen mit dem Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Ghebreyesus.

Damit das Impfen nicht nur in den Industrienationen vorankommt, sondern auch in ärmeren Regionen, fordert Steinmeier, einen Teil der Impfstoffe abzugeben, die sich reiche Länder wie Deutschland vertraglich gesichert. Das sei eine „Frage der Menschlichkeit und eine Frage der Maßstäbe, an denen wir uns messen lassen“. Ein „fairer Zugang“ zu den Impfstoffen für arme Länder sei aber auch im „ureigenen Interesse“ Deutschlands – auch, wenn das Vakzin in der Bundesrepublik auf absehbare Zeit knapp bleibe. Solange das Virus grassiere, sei kein Land sicher.

Wie viel Impfstoff Deutschland abgeben solle, sagte Steinmeier nicht. Das werde „im Gespräch zwischen den Regierungen“ ausgemacht. „Entscheidend ist, dass wir die internationale Dimension nicht vergessen.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die reichen Länder zuletzt aufgefordert, vier bis fünf Prozent der eigenen Impfstoffe an die ärmeren Staaten zu spenden. Tedros sagte dazu: „Wenn das Virus nicht überall bekämpft wird, wird es auch global nicht besiegt werden.“

AstraZeneca oder BionTech? Eine „Luxusdebatte“

Steinmeier verwies darauf, dass viele Länder nicht die Mittel hätten, um die Pandemie auch nur ansatzweise zu bekämpfen. Deshalb sei es wichtig, dass in diesen Staaten zunächst das medizinische Personal mit Impfstoffen versorgt werde. Die Forderung erhebt auch die internationale Impfinitiative Covax der WHO. Angesichts der Knappheit an Impfstoffen in vielen Teilen der Welt sei die deutsche Diskussion, welches Mittel – ob von AstraZeneca oder BionTech – bevorzugt werde, eine „Luxusdebatte“, sagte Steinmeier.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) und WHO-Chef Tedros Ghebreyesus bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz. Tedros war aus Genf zugeschaltet.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) und WHO-Chef Tedros Ghebreyesus bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz. Tedros war aus Genf zugeschaltet.

© AFP/John MACDOUGALL

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Zur Forderung von Experten und Nichtregierungsorganisationen, die Lizenzen für Impfstoffe freizugeben, um die Produktion weltweit auszuweiten, äußerten sich Steinmeier und Tedros zurückhaltend. Es gebe „gute Argumente für und wider“ eine Lockerung der Lizenzrechte, sagte Steinmeier. Zuletzt hatten Indien und Südafrika im Namen von 100 Ländern bei der Welthandelsorganisation WTO eine Freigabe der Lizenzen gefordert. Die „einfachen Lösungen“ seien aber nicht immer die „tauglichsten“, sagte Steinmeier nun. Hier könne man auch auf Freiwilligkeit setzen.

Tedros will alles für mehr Impfstoff tun

Tedros sagte: „Alle Optionen müssen geprüft und genutzt werden, um mehr produzieren zu können.“ Das Ziel der Covax-Initiative der WHO sei, bis Ende 2022 27 Prozent der besonders gefährdeten Menschen in Weltbevölkerung zu impfen. Dafür sei ein „deutlicher Anstieg der Produktion“ nötig, sagte Tedros. Man müsse „alles dafür tun, die Produktion zu steigern“. Alles Geld, das die reichen Länder in den internationalen Kampf gegen die Pandemie steckten, sei wirkungslos, wenn es nicht genug Impfstoff gebe.

Der WHO-Chef lobte Deutschlands internationales Engagement im Kampf gegen die Pandemie. Die Bundesrepublik nehme ein „wichtige Führungsrolle“ ein und sei der „größte Geber für den Notfallfonds“ der Weltgesundheitsorganisation. Der WHO habe Deutschland seit Beginn der Pandemie bislang 430 Millionen Euro zugesagt. Am vergangenen Freitag hatte die Bundesregierung im Rahmen eines virtuellen Treffens der Staats- und Regierungsschefs aus den G7-Industrienationen weitere 1,5 Milliarden Euro für den Kampf gegen Corona versprochen – für die Ausweitung der weltweiten Impfkampagne und die Erforschung von Virusmutationen. Die G7-Staaten wollen insgesamt 7,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Ob die weltweite Zusammenarbeit im Kampf gegen Covid-19 auch wirklich funktioniere, so sagte Bundespräsident Steinmeier, sei auch „ein Lackmustest der internationalen Solidarität“.

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