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Frank-Walter Steinmeier sorgt sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

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„Ein Segen für den Zusammenhalt“: CDU stellt sich hinter Steinmeiers Vorstoß zum Pflichtdienst

Ob im Sozialen oder bei der Bundeswehr: Der Bundespräsident wünscht sich einen Pflichtdienst für junge Menschen. FDP und Grüne winken ab.

Der Bundespräsident ist von dem Konzept überzeugt. Man helfe Bürgern in Notlagen, komme raus aus seiner eigenen Blase, stärke den Gemeinsinn: Er sei für die Einführung eines Pflichtdienstes für junge Männer und Frauen, sagte Frank-Walter Steinmeier der „Bild am Sonntag“.

„Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen“, so Steinmeier weiter, Geleistet werden solle diese bei der Bundeswehr, bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften.

Es ist eine bekannte Debatte. Auch nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine flammte sie auf, während eine bloße Rückkehr zur Wehrpflicht, so der weitgehender Konsens in der deutschen Politik, nicht infrage kommt. Doch Steinmeiers Vorstoß für eine soziale Pflichtzeit – aus seiner Sicht kann diese auch kürzer sein als ein Jahr – stößt auf geteiltes Echo.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erteilte dem Vorschlag prompt eine Absage. „Ein sozialer Pflichtdienst würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten“, erklärte sie. „Wir sollten unsere jungen Menschen, die unter der Corona-Pandemie besonders gelitten und sich trotzdem solidarisch mit den Älteren gezeigt haben, weiterhin die Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen.“ Ähnlich argumentierte auch Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

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Aus der CDU dagegen: positive Resonanz. Vizechef Carsten Linnemann ist schon länger für ein „Gesellschaftsjahr“. Dass der Bundespräsident jetzt eine größere Debatte anfacht, freut ihn. „Wir müssen parteiübergreifend über das Gesellschaftsjahr diskutieren. Es gibt jetzt ein Zeitfenster, in dem man Mehrheiten organisieren kann“, sagte er dem Tagesspiegel.

Ähnlich wie Steinmeier argumentiert Linnemann mit dem Zusammenhalt der Gesellschaft. „Unsere Welt wird immer digitaler, immer pluralistischer. Privatschulen boomen, die Milieus treffen sich nicht mehr“, sagt er. „Da wäre ein Gemeinschaftsjahr ein Segen für den Zusammenhalt.“ Linnemann plädiert dafür, dass neben der Bundeswehr der gesamte soziale Bereich eingebunden wird – die Pflege, Hilfsdienste, kirchliche Organisationen, THW, Feuerwehr. „Es sollte idealerweise in ganz Europa Angebote geben.“

Carsten Linnemann plädiert schon länger für ein Gesellschaftsjahr.
Carsten Linnemann plädiert schon länger für ein Gesellschaftsjahr.

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Doch gegen das Gesellschaftsjahr oder die Pflichtzeit, wie sie Steinmeier nennt, gibt es auch juristische Bedenken. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam in einer Sachstandsdarstellung von 2016 zu dem Schluss, dass eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland gegen das Verbot der Zwangsarbeit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde.

In jedem Fall wäre wohl eine Grundgesetzänderung für die Einführung notwendig – und damit eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. „Ich bin der Überzeugung: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Die Notwendigkeit lässt sich begründen“, meint Linnemann. „Es geht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und darum, Verantwortung für andere zu übernehmen.“ Er will, dass das Gesellschaftsjahr offizielle CDU-Position wird und auf dem nächsten Parteitag gemeinsam mit anderen einen Antrag einbringen.

Nach den ablehnenden Reaktionen von Grünen und FDP scheint es aber unwahrscheinlich, dass es schnell zu einem parteiübergreifenden Bündnis für das Modell kommt. Die Linke hält ebenfalls nichts davon. „Junge Menschen brauchen überhaupt nicht mehr Pflichten, sondern mehr Rechte“, twitterte auch der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler. „Zum Beispiel das Recht auf einen Ausbildungsplatz, eine eigene Wohnung ab 18, einen guten Lohn.“

Die Debatte über einen Pflichtdienst dürfte dennoch wiederkommen. In der Bevölkerung befürworten 79 Prozent die Einführung eines Dienstjahres – das berichtete vor wenigen Tagen der „Focus“ mit Bezug auf das Meinungsforschungsinstitut Kantar.

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