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Mit den neuen Straßenschildern will die Stadt Genf ein Zeichen in Sachen Gleichberechtigung setzen.

© Martial Trezzini/KEYSTONE/dpa

Ein Schritt in die richtige Richtung: Mehr Frauen auf Straßenschildern!

Wenn Straßenschilder Menschen abbilden, sind das in der Regel Männer. Es ist gut, dass die Stadt Genf das jetzt ändert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Selina Bettendorf

Die rund 500 Zebrastreifen-Schilder im schweizerischen Genf zeigen alle einen eilenden Mann mit Hut. Das soll sich jetzt ändern. Wie die Genfer Stadtpräsidentin Sandrine Salerno am Donnerstag bekannt gab, soll die Hälfte der Schilder durch andere Motive ersetzt werden: Ältere Menschen, Frauen, schwangere Frauen, ein lesbisches Pärchen, eine Frau mit Afro. Nach Angaben der Stadtpräsidentin ist Genf die erste Stadt in der Schweiz, die diesen Schritt geht – womöglich sogar die erste in Europa.

Gerade in Zeiten des Populismus ist das ein mutiger und richtiger Schritt. Natürlich kann man jene, die das für überflüssig und Geldverschwendung, ja für übergriffig halten, schon aufstöhnen hören: Zwangserziehung im öffentlichen Raum! „Genderwahn“! Tatsächlich sind diese Maßnahmen gerade jetzt wichtig. Sie setzen im wahrsten Sinne des Wortes ein Zeichen. Berlin sollte nachziehen.

Weiblichkeit wird zur Abweichung der Norm

Als Sandrine Salerno die Neuerungen bekanntgab, sagte sie, die Omnipräsenz von Männern verstärke die Vorstellung, dass Frauen in der Stadt weniger zu Hause seien als andere. Und tatsächlich: Auf Straßenschildern ebenso wie zum Beispiel beim Plural in der deutschen Sprache ist der Mann Vorbild für die Piktographie, die männliche Form der Standard – Weiblichkeit wird so zur Abweichung von der Norm. Das hat, wenn auch unbewusst, Einfluss.

Schaut man auf die größeren Herausforderungen der Gleichstellung – Nachteile von Älteren im Beruf, Rassismus, Gewalt, ungleiche Bezahlung – scheint die Repräsentation im Straßenbild als kleines Problem. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, der es nicht rechtfertigt, dass der Stadt dafür Kosten von 56.000 Franken entstehen. Doch 56.000 Franken sind im Vergleich zu anderen Ausgaben nur ein geringer Betrag – und die Wirkung geht über die reine Abbildung hinaus.

Die Schilder sorgen für ein breiteres Bewusstsein

Piktogramme sind per se stereotyp. Sie zu verändern, zielt auf den Kern des Problems: Die Schablonen in den Köpfen. Das ist durchaus ein paar Franken wert. Die diversen Straßenschilder – genauso übrigens wie das Gendersternchen, sorgen für ein Stolpern im Alltag. Sie sorgen dafür, dass, wer an der Straße steht und eines der neuen Schilder sieht, zumindest kurz irritiert ist.

Sie sorgen für Nachdenken – und damit vielleicht für ein breiteres, alltäglicheres Bewusstsein. Wer über das Schild nachdenkt, wird vielleicht auch darüber nachdenken, ob Frauen, oder auch ältere oder homosexuelle Menschen in unserer Kultur inzwischen völlig gleichberechtigt sind. Oder ob es da nicht immer noch „Kleinigkeiten“ gibt, die in der Summe einen Unterschied machen.

Viele Schritte wurden bereits in die richtige Richtung gegangen. Unternehmen und Zeitungen beginnen, Texte zu gendern. In manchen europäischen Städten gibt es nicht nur „Ampelmännchen“, sondern auch „Ampelfrauen“, oder hetero- und homosexuelle „Ampelpärchen“. Diversität auf Straßenschildern ist nun ein weiterer, richtiger Schritt. Der sollte sich nicht auf Genf beschränken, auch, wenn die Empörung auf Seiten der Populisten programmiert ist.

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