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Karamba Diaby (SPD) spricht im Kurzinterview unter anderem über den Völkermord an den Herero und Nama.

© Jörg Carstensen/dpa

„Ein Schritt in die richtige Richtung“: Herr Diaby, reichen 1,1 Milliarde Euro als Wiedergutmachung für einen Völkermord?

Deutschland hat Ende Mai den Völkermord an den Herero und Nama offiziell anerkannt. Und jetzt? Ein paar Fragen an den SPD-Politiker Karamba Diaby.

Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkannte die Bundesregierung Ende Mai die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Nach fast sechs Jahren Verhandlungen erklärte sich Deutschland bereit, die Nachkommen in den kommenden dreißig Jahren mit 1,1 Milliarden Euro zu unterstützen und offiziell um Vergebung zu bitten.

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika begingen die Kolonialherren einen Massenmord, der als erster Genozid des 20. Jahrhunderts gilt.

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Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet.

Karamba Diaby wurde 2013 als erster in Afrika geborener schwarzer Politiker für die SPD in den Deutschen Bundestag gewählt. In Senegal geboren, kam er vor 35 Jahren nach Deutschland. Im Interview spricht er über das Wiedergutmachungsangebot der Bundesregierung, über Rassismus und einen nötigen Bildungsauftrag.

Herr Diaby, Ende Mai hat Deutschland den Völkermord am heutigen Namibia anerkannt und will die Nachkommen mit 1,1 Milliarde Euro über die nächsten 30 Jahre unterstützen. Was denken Sie über diese "Entschuldigung"?
Ja, ich freue mich, dass diese Vereinbarung zustande gekommen ist und dass Deutschland eine Entschädigung zahlt. Aber 1,1 Milliarde Euro ist nur ein guter Schritt in die richtige Richtung. Es muss noch mehr gemacht werden, auch bei uns in Deutschland.

Mehr als 100 Jahre ist der Völkermord her und erst jetzt, nach jahrelangen Verhandlungen, kam es nun zu dieser Entscheidung. Wurde das Thema zu lange verdrängt?
Nein, ich habe den Eindruck gewonnen, dass man sich mit dem Thema immer beschäftigt hat, aber in den letzten Jahren hat man sich dem noch intensiver angenommen, um ganz konkret eine Vereinbarung zu treffen. Und das ist eine gute Sache.

Sollte den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht bereits im Schulunterricht mehr Beachtung geschenkt werden?
Ich denke, dass im Bereich Bildung viel gemacht werden muss, insbesondere im Bereich Erinnerungskultur. Wir müssen das als Bildungsauftrag sehen, sich mit Vergangenheit zu beschäftigen – auch mit kolonialer Vergangenheit.

1985 sind Sie nach Deutschland gekommen. Hatten Sie Vorurteile aufgrund der geschichtlichen Ereignisse?
Nein, als ich in die DDR kam, war ich 24 Jahre alt und hatte keine Vorurteile. Ich lebe in Halle seit 35 Jahren und habe die Stadt nie länger als vier Wochen verlassen. Ich fühle mich wohl in Halle an der Saale.

Auf Ihr Wahlkreisbüro wurde bereits geschossen und Sie haben eine Morddrohung erhalten. Wie gehen Sie mit solchen Situationen um?
Wir müssen feststellen, dass in den letzten Jahren der Ton rauer geworden ist und Menschenfeindlichkeit mitten in der Gesellschaft angekommen ist. Es muss die Aufgabe von uns allen sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wir brauchen Zusammenhalt in dieser Gesellschaft und keine Spaltung.
Das Gespräch führten Anni Dietzke und Alexandra Schaller.

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