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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss gegen Widerstände anarbeiten.

© Imago/Reiner Zensen

Ein Problem namens Lauterbach: Die erste Bilanz des Gesundheitsministers ist ernüchternd

Epidemiologische Kompetenz ist noch lange keine politische Kompetenz. Das zeigt sich am neuen Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Es ist ein guter, nein notwendiger Nebeneffekt des gerade anbrechenden pandemischen Zeitalters, dass der Wissenschaft im gesellschaftlichen Diskurs eine sehr viel größere Rolle zukommt, als es vor Corona der Fall war. Es ist ein unwillkommener, ja gefährlicher Nebeneffekt, dass dies mit zunehmender Geringschätzung des politischen Handwerks einhergeht.

Zwei Trends, die dazu beitrugen, dass Karl Lauterbach Gesundheitsminister wurde. In der Pandemie brauche es einen Wissenschaftler im Ministerium, das war das alles andere ausstechende Argument. Noch ist es zu früh, Lauterbach ein Zeugnis auszustellen. Die erste Bilanz aber ist ernüchternd: Es ist nicht das Schlechteste, wenn höchste politische Ämter mit Vollblut-Politikern besetzt werden. Der enge Kontakt zu Kollegen aus Harvard ist schön, aber nachrangig.

[Lesen Sie auch: Angst vor Ausnahmezustand durch Omikron: So bereitet sich Berlin auf den Corona-Ernstfall vor (T+)]

Man findet derzeit kaum jemanden, der Lauterbachs Corona-Expertise in Zweifel zieht. Noch schwerer allerdings ist es, etwas Zuträgliches in Erfahrung zu bringen über Lauterbachs Fähigkeit, politisch zu agieren und zu kommunizieren. Genau das jedoch ist existenziell, um ein Ministerium zu führen.

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Mitarbeiter einzubinden, den Draht zum Parlament zu halten, ein Bindeglied zwischen Regierung, Bevölkerung und Wissenschaft zu sein – all dies ist nicht weniger bedeutend. Nach zwei Wochen im Amt vermittelt Lauterbach, was viele befürchtet hatten: Dass er sein Ministerium nicht nur nicht im Griff hat, sondern dort teils sogar schon gegen ihn gearbeitet wird.

Zu sehen war dies unter anderem an der missglückten Kommunikation zum echten oder vermeintlichen Impfstoffmangel: Zunächst sorgte Lauterbach in einer Talkshow für eine zweitägige allgemeine Verunsicherung, die er in einem konfusen Auftritt in der Bundespressekonferenz zu beheben versuchte. Aus der Verunsicherung wurde Verwirrung über die nun tatsächlich vorhandenen und bestellten Impfdosen.

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Etwas holprig lief es gerade auch bei der Änderung der Impfverordnung: Bei der ist gerade nicht mehr ganz klar, ob der Staat künftig für nichtzugelassene Corona-Impfungen bei unter Fünfjährigen haftet. Frohe Weihnachten an die Medizin-Juristen im Land!

Das sind politische Fehler, die passieren können, in dieser Frequenz aber überraschen. Nun knirscht es offenbar auch in der Zusammenarbeit mit dem Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. Am Dienstag, parallel zur Bund-Länder-Runde, empfahl das RKI sofortige und schärfere Corona-Eindämmungsmaßnahmen, die kaum mit Lauterbachs vorherigem Ausschluss eines Lockdowns zu Weihnachten in Einklang zu bringen waren.

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Zur Erinnerung: Das RKI ist eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums, Lauterbach Wielers Vorgesetzter. Wenn das RKI also den Minister mit solch einer Mitteilung nationaler Tragweite überrascht, lässt dies nur zwei Schlüsse zu. Entweder redet Lauterbach nicht genug mit dem Chef seiner derzeit wichtigsten Behörde. Oder Wieler wollte eskalieren, weil er sonst politisch nicht vernommen wird.

Gänzlich in die Irre führt jedenfalls der Hinweis, Wieler habe mit der überraschenden RKI-Stellungnahme das konterkariert, was zuvor vom Corona-Expertenrat der Bundesregierung vorgeschlagen wurde. Erstens, weil Wieler im Expertenrat sitzt. Und zweitens, weil das RKI am Dienstag nur übersetzte, was die Experten zuvor empfohlen hatten. Lauterbachs Problem ist ein anderes: Er hat offenbar in der Bundesregierung (noch) nicht die Autorität, die Empfehlungen der Wissenschaft in Politik umzusetzen.

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Es gab zu Zeiten Jens Spahns einen führenden SPD-Gesundheitsexperten, der in solchen Situationen energisch entschlossenes politisches Handeln gefordert hätte. Und der sich nun – Spahns sonstige Bilanz hin oder her – einiges von seinem Amtsvorgänger abschauen könnte. Immer den Überblick über die neuesten Corona-Studien zu haben, ist das eine. Ihre Befunde in politische Kommunikation umzusetzen ist leider wichtiger.

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