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Die Impeachment-Anklägerin Stacey Plaskett trifft am Samstag im Kapitol ein. Mit ihrem Auftritt am Mittwoch hat die Demokratin viele Menschen begeistert.

© AFP/Mandel Ngan

Ein Meisterstück der Demokraten: Fast wie ein Hollywood-Film – so eindrucksvoll war die Anklage

Im Impeachment-Prozess zeigten die Demokraten, dass nichts, was am 6. Januar passierte, durch Zufall geschah – eine beeindruckende Leistung. Ein Kommentar.

Als Stacey Plaskett an der Reihe ist, ihren Teil der Anklage vorzutragen, beginnt sie, indem sie den Weg beschreibt, der sie hierhergeführt hat. Im Laufe ihres Lebens habe sie erfahren, sagt die 54-Jährige, dass „Vorbereitung und die Wahrheit“ einen weit bringen könnten. Das habe sie als junges schwarzes Mädchen gelernt, das in einer Sozialwohnung in Brooklyn/New York mit Eltern von den Amerikanischen Jungferninseln aufgewachsen sei, und nun als eine Erwachsene, die ein Außengebiet der Vereinigten Staaten vertrete und jetzt im US-Senat spreche.

Plaskett, seit 2015 Abgeordnete des Repräsentantenhauses, ist perfekt vorbereitet für diesen bisher wohl wichtigsten Auftritt in ihrer Karriere. Ruhig, präzise, manchmal durchaus scharf bringt die Abgeordnete, eine von neun demokratischen Anklägern im Impeachment-Prozess gegen Donald Trump, am Mittwoch ihre Argumente vor.

Es wird der vielleicht eindrücklichste Tag in diesem historischen Verfahren werden, der zwar dessen Ausgang nicht verändern kann, aber an dem deutlich wird, wie knapp die amerikanische Demokratie an einer noch viel größeren Katastrophe vorbeigeschlittert ist. Ein Tag, der klarmacht, warum dieser Prozess trotz oder gerade wegen seiner Dramatik als einer der ganz großen Höhepunkte in die Parlamentsgeschichte eingehen wird.

Plaskett zeigt bislang unveröffentlichte Video- und Tonbandaufnahmen vom 6. Januar, als ein gewalttätiger Mob das Kapitol stürmte. Sie zeigt, wie viel schlimmer dieser Tag hätte ausgehen können, wie nah die Angreifer selbst Vizepräsident Mike Pence und republikanischen Senatoren wie Mitt Romney gekommen sind – die nur dank mutiger Kapitolpolizisten unverletzt blieben.

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Es sind erschütternde Aufnahmen; der Ernst, mit dem Plaskett zu den Senatoren spricht, macht sie noch eindringlicher. Der damalige Präsident habe einen Mob angestiftet, das Kapitol zu stürmen, um die Zertifizierung einer Präsidentschaftswahl zu verhindern, weil er keine Möglichkeiten mehr hatte, das ohne Gewalt zu tun, sagt Plaskett.

Trump habe ihre Kollegen in Gefahr gebracht, er habe sie zur Zielscheibe des Mobs gemacht, der in das Kapitol eindrang, um sie zu jagen. Und er habe dann stundenlang nichts getan. So einfach, so schlimm.

Ihr Auftritt in ihrem strahlendblauen Kleid, bei dem sie den 6. Januar mit dem Horror von 9/11 vergleicht, als Terroristen schon einmal das Kapitol angreifen wollten und nur von heldenhaften Passagieren gestoppt wurden, begeistert die Zuschauer in den sozialen Netzwerken, das Modemagazin „Vogue“ würdigt sie kurz darauf sogar als „Shootingstar“ des Verfahrens.

Die Abgeordnete schreibt auch Geschichte, weil mit ihr erstmals eine Delegierte des Kongresses in einem Impeachment-Prozess spricht, die gar kein Stimmrecht hat. Die Einwohner der Amerikanischen Jungferninseln, die sie vertritt, dienen zwar in der Armee, dürfen aber nicht mitentscheiden, wer Präsident wird.

Selbst Republikaner geben zu, von der Leistung der Gegenseite beeindruckt zu sein

Neben Plaskett beeindruckt auch ihr einstiger Juraprofessor an der American University in Washington, der Abgeordnete Jamie Raskin, Chefankläger im zweiten Impeachment-Verfahren gegen Trump. Auch sein Vortrag – emotional, persönlich, punktgenau – untermauert, wie gut sich die Anklage auf diesen Prozess vorbereitet hat, wohl wissend, dass es am Ende wohl nicht dafür reichen würde, Trump zu verurteilen und sicherzustellen, dass er niemals wieder für ein politisches Amt kandidieren kann.

Selbst Republikaner geben zu, von der Leistung der Gegenseite beeindruckt zu sein. Auch wenn die meisten anfügen, Trump dennoch nicht zu verurteilen – zu groß ist die Angst davor, von den eigenen Wählern dafür abgestraft zu werden.

Aber auch wenn Trump am Ende freigesprochen wurde: Die Demokraten haben es geschafft, für alle Zeiten und vor den Augen der Welt Trumps Verantwortung für das Fanal des 6. Januars festzuhalten.

Dieser Makel wird an ihm kleben, auch wenn die politischen Verhältnisse verhindern, dass er zur Rechenschaft gezogen wird. Immer wieder verknüpfen die Ankläger die Krawalle am Kapitol mit den Äußerungen des Republikaners – nicht nur mit denen am Tag des Aufstands, sondern auch mit den unzähligen Auftritten in den vergangenen vier Jahren, bei denen er gegen Andersdenkende gehetzt und zu Gewalt aufgerufen hat.

Trumps Anwälte versuchen am Freitag vergeblich, ihn davon freizusprechen und seine Äußerungen zu relativieren, da doch auch Demokraten ständig zu irgendeinem „Kampf“ aufriefen. Das untermalen sie mit einer nach Fox-News-Vorbild wild zusammengeschnittenen Videomontage. Es ist ein schwacher Auftritt der Verteidigung, aber einer wohl ganz nach Trumps Geschmack.

Die Anklage dagegen schafft es mit ihrer durchchoreografierten Beweisführung, vier Jahre Trump in eine Erzählung zu packen: eine von Hass und Demokratieverachtung. Nichts, was am 6. Januar passierte, geschah durch Zufall, lautet das Fazit. Trump habe darauf hingearbeitet, trage die Verantwortung für den Tod von fünf Menschen und das Trauma Hunderter weiterer.

So professionell wirkt die multimediale und damit besonders emotionale Dokumentation seiner Schuld, in kürzester Zeit vom Team der Ankläger zusammengestellt, dass man auf den Gedanken kommen könnte, Hollywood hatte seine Finger im Spiel. Dabei ist es das Werk gewählter Parlamentarier, die, am 6. Januar selbst zu Opfern geworden, nicht zur Tagesordnung übergehen wollen. Ja, Trump ist abgewählt, die Verfahren gegen Hunderte Angreifer laufen, aber ohne eine Aufarbeitung, so ihre Überzeugung, droht eine Wiederholung der gewalttätigen Ausschreitungen.

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