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Irakische Studenten erinnern in Nadschaf an die Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani und den irakischen Milizen-Kommandeur Abu Mahdi al-Muhandis vor einem Jahr.

© REUTERS

Ein Jahr nach dem Tod des Generals Soleimani: Warum der Einfluss des Iran im Nahen Osten abnimmt

Zum Jahrestag der Ermordung des Generals Soleimani kündigt Irans Revolutionsführer Ali Chamenei Rache an der USA an. Doch das Regime hat viele Probleme.

Amerikanische Militärs bereiten sich derzeit auf mögliche Vergeltungsschläge des Iran vor. Denn an diesem Sonntag ist es ein Jahr her, dass die USA den iranischen General Qassem Soleimani mit einer Kampfdrohne töteten. Zum Jahrestag des Mordes an Soleimani, der im Iran als Held verehrt wird, gelten US-Einrichtungen beim iranischen Nachbarn Irak nun als besonders gefährdet.

Einige Beobachter sorgen sich zudem, dass US-Präsident Donald Trump eine neue Eskalation ausnutzen könnte, um kurz vor seinem Abschied aus dem Amt noch einen Krieg mit dem Iran anzuzetteln. Die iranische Führung gibt sich kämpferisch. Hinter den neuen Spannungen wird jedoch erkennbar, dass der iranische Einfluss im Nahen Osten ein Jahr nach Soleimanis Tod abnimmt.

Soleimanis Tod riss eine Lücke in die Führungsstruktur

Trump warnte den Iran kürzlich vor weiteren Angriffen auf die US-Botschaft in Bagdad, die kurz vor Weihnachten mit Raketen beschossen worden war. Kurz nach Trumps Mitteilung überflogen US-Langstreckenbomber den Nahen Osten – eine weitere Warnung an den Iran.

Der US-Politologe Tom Nichols hält es für möglich, dass Trump in seinen letzten Tagen im Amt einen Krieg mit Teheran vom Zaun bricht. Nach seiner Wahlniederlage habe Trump seine Berater um Optionen für US-Militärschläge auf iranische Atomeinrichtungen gebeten, schrieb Nichols im Magazin „The Atlantic“. Trumps Berater rieten ihm damals ab, doch der Jahrestag des Mordanschlags auf Soleimani heizt die Spannungen wieder an.

Der 62 Jahre alte Soleimani starb am 3. Januar 2020, als sein Fahrzeug von einer US-Kampfdrohne nahe des Flughafens der irakischen Hauptstadt Bagdad beschossen wurde. Soleimani habe iranische Werte wie Mut und Widerstandsgeist verkörpert, sagte Revolutionsführer Ali Chamenei kürzlich. Seine Ermordung werde „definitiv“ gerächt. Chamenei bekräftigte, der Iran wolle die USA zu einem Abzug aus dem Nahen Osten zwingen.

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Soleimanis Tod riss eine Lücke in die iranische Führungsstruktur, die bis heute nicht gefüllt ist. Der General kommandierte die Auslandstruppen der iranischen Revolutionsgarde und lenkte die aggressive iranische Außenpolitik. Unter Soleimani baute Teheran seinen Einfluss im Irak, in Syrien und im Libanon aus und heizte den Konflikt mit dem regionalen Rivalen Saudi-Arabien durch den Krieg im Jemen an. Als „Schatten-Kommandant“, wie er von dem Iran-Experten Arash Azizi genannt wird, war der meist im Verborgenen handelnde Soleimani einer der mächtigsten Akteure im Nahen Osten. Sein Nachfolger Ismail Qaani verfügt nicht über Soleimanis Charisma und ist eher ein Koordinator als ein aktiver Gestalter iranischer Politik.

Nicht nur deshalb wankt Irans Einfluss. Trumps Sanktionen haben die iranische Wirtschaft schwer getroffen und erschweren es Teheran, verbündete Gruppen wie Hamas im Gaza-Streifen, Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen finanziell zu unterstützen. Auch die Corona-Pandemie, die im Iran schwerer wütet als in allen anderen Ländern des Nahen Ostens, schwächt die Islamische Republik. Hinzu komme eine „fundamentale Krise“ des Mullah-Regimes, sagte Azizi dem Tagesspiegel: Die Ideale der Revolution von 1979 seien einer Kleptokratie mit Korruption und wachsender Ungleichheit gewichen.

Vor allem aber wachsen in den iranischen Einflussgebieten die Schwierigkeiten für Teheran. Im Irak und im Libanon gibt es seit Monaten Proteste, die sich gegen die iranische Einflussnahme und Verbündete wie die Hisbollah richten. Der irakische Ministerpräsident Mustafa al Kadhemi wehrt sich mit der Festnahme proiranischer Milizionäre. In Syrien zeichnet sich ein Machtkampf zwischen dem Iran und Russland ab, weil beide Länder um Wirtschaftsaufträge beim Wiederaufbau konkurrieren. Auch die Anziehungskraft der Islamischen Republik als angeblich gottgefälliger Staat habe sehr gelitten, sagt Azizi: Heute sei der Iran keine „Marke“ mehr, die Anhänger dauerhaft begeistern könne.

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