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Irans Präsident Ruhani gilt als Verfechter der Nuklear-Übereinkunft. Doch die Hardliner im Land würden das Abkommen am liebsten aufkündigen.

© Abedin Taherkenareh/dpa

Ein Jahr nach Aufhebung der Sanktionen: Fünf Gründe, warum der Iran ein Problem bleibt

Im Januar 2016 wurden die Sanktionen aufgehoben. Doch die Zweifel am Atomabkommen werden größer. Hat die Übereinkunft mit Teheran auf Dauer Bestand?

Der Jubel war groß, die Erleichterung fast noch größer. Eine ernsthafte Gefahr für den Weltfrieden sei gebannt, so lautete der Tenor. Das über viele Jahre verhandelte Atomabkommen beendete im Juli 2015 nicht nur den Streit mit dem Iran, sondern sollte auch die Grundlage für eine neue Partnerschaft mit der Islamischen Republik bilden. Die gut 100 Seiten umfassende Übereinkunft regelt minutiös, was Teheran in Sachen Nuklearprogramm darf – und was nicht.

Vor genau einem Jahr attestierte schließlich die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) dem Iran die Einhaltung aller Auflagen. Unter anderem hatte die Führung in Teheran die Zahl der zur Urananreicherung genutzten Zentrifugen deutlich reduziert und die Bestände mit bereits angereichertem Uran drastisch verringert.

Das war die Voraussetzung dafür, dass ein Großteil der internationalen Wirtschaftssanktionen aufgehoben wurde. In einer gemeinsamen Erklärung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hieß es im Januar 2016: „Das ist eine ermutigende und starke Botschaft.“ Doch viele Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, die Bedenken werden größer. Vorbehalte gibt es vor allem in den USA und im Iran selbst.

1. Donald Trumps Widerstand

Das Abkommen könnte die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der neuen US-Regierung zum Ausbruch kommen lassen. Der designierte Präsident Donald Trump spricht von einer Neuverhandlung oder einer kompletten Aufkündigung der Vereinbarung, die nach seinen Worten den Iran international gestärkt hat. Unter anderem habe Teheran aufgrund des Vertrages und der Nachgiebigkeit des scheidenden Präsidenten Barack Obama inzwischen Zugang zu Milliardensummen, schimpfte Trump im Wahlkampf. Widerstand gegen die Ausweitung des iranischen Einflusses in der Region ist einer der zentralen Punkte in Trumps künftiger Nahost-Politik. Und: Erst vor Kurzem verlängerte der Kongress die USSanktionen von 1996 gegen ausländische Investments im Iran um weitere zehn Jahre.

Dennoch ist es längst nicht ausgemacht, dass die neue US-Regierung tatsächlich aus dem Abkommen aussteigt. So ist Trumps künftiger Verteidigungsminister James Mattis – ein Kenner des Nahen Ostens und Ex-General, der über jeden Verdacht der Sympathie für den Iran erhaben ist – trotz aller Skepsis dafür, den Vertrag einzuhalten. Trumps Kandidat für das Außenministeramt, Rex Tillerson, ist ebenfalls kein betonharter Gegner des Deals.

Der Realist Mattis argumentiert, ein Rückzug der USA aus dem Abkommen wäre sinnlos, weil die anderen Vertragsparteien der internationalen Gemeinschaft – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und die EU – bei der Vereinbarung bleiben und weiter Handel mit dem Iran treiben würden. Amerika stünde mit eventuellen neuen Sanktionen gegen Teheran also allein da. Mattis plädiert stattdessen für eine schärfere Kontrolle iranischer Aktivitäten. Obama betrachtet das iranische Atomabkommen als einen seiner größten außenpolitischen Erfolge.

Möglicherweise wird Trump trotz aller Wahlversprechen und der Kritik an seinem Vorgänger zum Schluss kommen, dass eine Aufkündigung der Vereinbarung mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Auch mit Blick auf das schwierige Verhältnis zu Russland. Donald Trump will erklärtermaßen die Beziehungen verbessern. Doch eine Aufkündigung der Atom-Übereinkunft würde das Projekt wohl infrage stellen. Denn Moskau will einen Einfluss im Nahen Osten ausbauen – mittels guter Kontakte zum Iran. Daher wird der Kreml darauf pochen, dass das Abkommen Bestand hat.

2. Vorbehalte im Iran

Als das Atomabkommen endlich unter Dach und Fach war, sparte Präsident Hassan Ruhani nicht mit vollmundigen Versprechen. Der Deal werde den Iraner nach vielen Jahren harter Einschränkungen einen großen Aufschwung bescheren – einschließlich fallender Preise, umfangreicher ausländischer Investitionen und neuer Jobs. Doch die Hoffnungen der Iraner haben sich bis heute nicht erfüllt. Die Wirtschaftskrise hält fast unvermindert an. Die Menschen finden keine Arbeit. Vor allem die 15 bis 24-Jährigen leiden darunter. Fast jeder Dritte verdient nach offiziellen Angaben kein Geld. Unmut und Frust sind groß. Auch weil eine Liberalisierung im Inneren auf sich warten lässt. Von der miesen Stimmung profitieren vor allem die politischen Hardliner im Land. Sie haben von Anfang an gegen die Übereinkunft gewettert, sie als Verrat an den Fundamenten der islamischen Revolution und als Anbiederung an den Westen gegeißelt. Nach ihrer Lesart ist das Abkommen gescheitert, ein Ausstieg zwingend notwendig.
Dieser Widerstand bereitet vor allem dem Lager der Reformer erhebliche Probleme. Sie müssen sich ständig für den Deal rechtfertigen und erklären, warum die Mehrheit der Iraner im Alltag immer noch nicht von der Vereinbarung profitiert. Von den kürzlich verlängerten US-Sanktionen ganz zu schweigen.

Gerade für Staatschef Ruhani steht inzwischen eine Menge auf dem Spiel. Er stellt sich im Mai wieder zur Wahl und ist deshalb dringend auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Ohne diesen Rückhalt wird er gegen die konservativen Kräfte einen sehr schweren Stand haben. Um sich abzusichern, betont der Präsident denn auch immer wieder, jeder Schritt in Sachen Atomverhandlungen sei mit Revolutionsführer Ali Chamenei abgesprochen. Doch der oberste religiöse Führer und starke Mann des Landes gehört selbst zu den Gegnern des Abkommens. Er wirft den USA ein falsches Spiel vor. Der Iran habe alle Auflagen erfüllt, doch aus Amerika kämen nur Feindseligkeiten.

3. Europäische Uneinigkeit

In Brüssel beobachtet man den Schlagabtausch zwischen Trump und Iran besonders nervös, denn die Europäer gehörten zu den treibenden Kräften hinter dem Abkommen. Gleich mehrere europäische Delegationen haben sich deshalb in den vergangenen Wochen mit Trumps künftigen Sicherheitsberater Michael Flynn getroffen und ihn bekniet, das Abkommen keinesfalls einseitig aufzukündigen.

Auf europäische Unterstützung für eine härtere Gangart gegen die Mullahs dürfe der designierte Präsident nicht rechnen: Die Bereitschaft, Iran mit einer neuen internationalen Sanktionskampagne abzustrafen, sei in Brüssel sehr gering, zitierte die „Financial Times“ Ende Dezember einen Brüsseler Diplomaten. Nur wenn Teheran eine größere Provokation leiste, würde die Kommission neue Sanktionen befürworten.

Ohnehin hofft man in Brüssel, mit Teheran eine langfristige Partnerschaft aufzubauen. Das beweist ein Strategiepapier, das Ende Oktober vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde. Darin drängen die Abgeordneten die EU-Kommission dazu, die Beziehungen zu Iran normalisieren – bis hin zu militärischen Kooperationen zwischen EU-Ländern und Iran.

In einigen Mitgliedsstaaten wird der Brüsseler Wunsch nach Annäherung allerdings skeptisch verfolgt. „Ein politisches System wie das des Iran, welches sich auf Gewaltmechanismen stützt, in zahlreiche Konflikte verstrickt ist und diese aktiv anheizt, wie in Syrien, bietet denkbar schlechte Voraussetzungen für gute Beziehungen“, sagte Jürgen Hardt, Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. „Bei aller gewünschter Öffnung kann dies letztlich nicht zu einer wirklich gedeihlichen und stabilen Beziehung führen, wenn der Iran diese völkerrechtswidrigen Verhaltensweisen nicht ablegt.“ Gut möglich also, dass Iran-Kurs noch zum Streitthema zwischen Brüssel und mehreren Mitgliedsstaaten wird.

4. Konfliktthema in Deutschland

Auch in Deutschland ist das Abkommen eineinhalb Jahre nach Abschluss umstritten. Im vergangenen Sommer warnte der Bundesverfassungsschutz davor, dass das Regime in Teheran weiterhin versuche, an deutsche Technik für sein Kernwaffenprogramm heranzukommen. CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter fordert deshalb ein entschlossenes Vorgehen gegen Iran. Deutschland und die EU müssten im Rahmen der Implementierungsphase des Abkommens auf die strikte Einhaltung der Vorgaben drängen und im Falle „kontraproduktiver Aktivitäten“ neue Sanktionen gegen Iran glaubhaft androhen.

Besuch aus Deutschland. Schon zwei Mal seit dem Atomabkommen war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (2.v.r.) im Iran.
Besuch aus Deutschland. Schon zwei Mal seit dem Atomabkommen war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (2.v.r.) im Iran.

© Michael Kappeler/dpa

Beim sozialdemokratischen Koalitionspartner sieht man die Dinge anders. „Um das gegenseitige Misstrauen, das sich über Jahrzehnte entwickelt hat, zu überwinden, benötigen wir viel Zeit“, sagte der außenpolitische Sprecher, Niels Annen, dem Tagesspiegel. „Daran sollten wir arbeiten und jetzt nicht über mögliche neue Sanktionen spekulieren.“

Bis auf Regierungsebene wurde der Richtungsstreit zuletzt sichtbar: Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani bisher kategorisch ausschlossen hat, suchte ihr Vizekanzler immer wieder die Nähe zum Regime. Bereits zwei Mal flog Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Besuch nach Teheran, um für einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu werben.

In der deutschen Wirtschaft ist nach der anfänglichen Goldgräberstimmung indes Ernüchterung eingekehrt. Zwar steigerten Deutschlands Unternehmen laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) 2016 ihre Ausfuhren um 15 Prozent, aber bis zur mittelfristig erhofften Vervierfachung des Handels-Volumens auf zehn Milliarden Euro ist es noch ein weiter Weg. Denn es hapert vor allem bei der Umsetzung. Banken halten sich mit Krediten aus Angst vor Ärger mit Washington zurück. Und die Konflikt-Situation dürfte sich mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump verschärfen.

5. Teherans Rolle im Nahen Osten

Der Durchbruch bei den Verhandlungen war gerade geschafft, da gab es schon Lob für den „großen Tag“. Nicht nur, weil man dem nuklearen Aufrüsten des Iran Einhalt geboten hatte. Sondern auch, weil viele Diplomaten glaubten, Teheran werde künftig eine konstruktive und damit stabilisierende Rolle im konfliktreichen Nahen Osten spielen. Aber von der Euphorie ist wenig geblieben. Der Iran – befreit von den Fesseln der Sanktionen und finanziell gestärkt durch die Erdöl-Einnahmen – setzt mehr denn je alles daran, zur führenden Regionalmacht aufzusteigen.

Besonders deutlich wird das im Syrienkrieg. Bis heute gehört Teheran zu den treuesten Verbündeten von Machthaber Baschar al Assad. Der Iran stützt das Regime seit Jahren mit Krediten, Waffen und schiitischen Kämpfern. Aleppos Rückeroberung wäre zum Beispiel ohne diese Hilfe nicht denkbar gewesen.

Irans Engagement kommt nicht von ungefähr. Syrien gilt als wichtiger Brückenkopf zum Libanon und damit zur Hisbollah-Miliz. So sichert sich Teheran auch einen Zugang zum Mittelmeer. Was wiederum weitere Spannungen mit Israel zur Folge haben könnte. Die Verantwortlichen in Jerusalem um Premier Benjamin Netanjahu betrachten den Iran schon seit vielen Jahren als ernsthafte Bedrohung und haben alles versucht, das Atomabkommen zu verhindern. In Teheran wiederum wird fast täglich dem jüdischen Staat als „zionistischem Gebilde“ mit Vernichtung gedroht.

Kaum besser ist es um das Verhältnis zur Monarchie in Riad bestellt. Die politisch-religiöse Konfrontation zwischen den selbsterklärten Schutzmächten der Schiiten – Iran – und Sunniten – Saudi-Arabien – ist nach wie vor eine große Gefahr für die gesamte Region. Dazu gehören Stellvertreterkriege wie die im Jemen und in Syrien.

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