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Christian Lindner wurde in Washington positiv auf Covid19 getestet.

© IMAGO/Christian Spicker

Ein Boykott, scharfe Worte und ein Test: So lief Lindners erste USA-Reise als Finanzminister

Christian Lindners erste USA-Reise als Bundesfinanzminister nimmt eine abrupte Wendung. Nach einem positiven Corona-Test muss er in die Selbstisolation.

Als Christian Lindner am Mittwochmorgen zum Pressefrühstück im Washingtoner Fairmont Hotel erscheint, hat der Bundesfinanzminister bereits die ersten Termine hinter sich. Anlässlich der Frühjahrstagungen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank treffen sich traditionell auch die G20-Finanzminister. Für den FDP-Politiker ist es die erste USA-Reise im neuen Amt – und sie wird eine ungeahnte Wendung nehmen.

Leicht verspätet beginnt er seine Ausführungen im fensterlosen Kennedy Ballroom, in dem sich Dutzende Journalisten versammelt haben. Neben ihm sitzt Bundesbankpräsident Joachim Nagel.

Lindner erklärt ausführlich, wie aus seiner Sicht mit Russland umgegangen werden sollte – dem Land, das seit knapp zwei Monaten einen „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ (Lindner) gegen die Ukraine führt, aber dennoch bei den im hybriden Format stattfindenden Treffen teilnimmt. Russland trage die Verantwortung für die weltweiten ökonomischen Probleme, darum müsse das Land isoliert werden – politisch, ökonomisch und finanziell.

Er ruft noch: „Heute Abend ist mehr Zeit“

Nach knapp einer Stunde muss er weiter, der Tag ist vollgepackt – beim Herauseilen ruft er noch: „Heute Abend ist mehr Zeit.“

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Für 21:30 Uhr ist ein Hintergrund mit Journalisten angesetzt, doch dazu kommt es nicht mehr: Der Minister wird kurz zuvor positiv auf Corona getestet – „nach zwei Jahren ohne Covid19-Infektion, gestern einem negativen Ergebnis im Testzentrum und heute einem negativen Schnelltest“, wie er auf Twitter schreibt. Er habe „dank dreier Impfungen nur leichte und wieder abklingende Erkältungssymptome“.

Die Rückkehr ist offen

Lindner verschwindet in der Isolation, an den weiteren Treffen wird er höchstens virtuell teilnehmen können. Wann er nach Deutschland zurückkehren kann – der Rückflug war eigentlich für Donnerstagnachmittag geplant – und in welcher Form er am Wochenende in Berlin am Parteitag der FDP teilnehmen wird, war zunächst offen.

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Bevor ihn sein positiver Schnelltest ins Hotelzimmer verbannt, nimmt Lindner an einem Treffen der Finanzminister und Zentralbankchefs der G20-Staaten teil. Dabei wird deutlich, wie sehr der Krieg alles überlagert und wie kompliziert die internationale Zusammenarbeit auf einmal geworden ist.

Boykott gegen Auftritt Russlands

Es gibt keine gemeinsame Abschlusserklärung – aber dafür eine Boykottaktion. Als der per Video zugeschaltete russische Finanzminister Anton Siluanow das Wort ergreift, verlassen US-Finanzministerin Janet Yellen und mehrere ihrer Kollegen den Sitzungssaal.

Protest der G20 gegen Russland. Das Foto verbreitete die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland (in der Mitte).
Protest der G20 gegen Russland. Das Foto verbreitete die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland (in der Mitte).

© AFP

Kanadas Finanzministerin Chrystia Freeland twittert ein Foto, darauf sind auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Fed-Chef Jerome Powell zu sehen – und Bundesbankpräsident Nagel. Lindner indes bleibt im Saal. Wie es heißt, sei das mit Nagel so abgesprochen gewesen, damit der Bundesfinanzminister auf die russische Wortmeldung reagieren könne.

Kein „business as usual“

Dennoch wirkt es seltsam – in den sozialen Netzwerken wird das Bild als weiterer Beweis für Deutschlands Alleingänge gewertet. Dabei hat Lindner am Morgen eine klare Antwort der G20-Staaten auf den russischen Angriffskrieg gefordert und erklärt, es könne keine Rückkehr zum „business as usual“ geben, solange Präsident Wladimir Putin seine Truppen nicht komplett aus der Ukraine abziehen.

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Ein Ausschluss Russlands aus G20 oder IWF ist derzeit aber unwahrscheinlich. Vor allem China würde sich wohl querstellen.

Am Abend leitet Lindner noch Beratungen der G7-Gruppe, Deutschland hat hier derzeit den Vorsitz. Aus Solidarität mit der Ukraine ist deren Finanzminister Sergii Marchenko dazugeladen.

Anders als die G20 veröffentlichen die G7-Staaten nach ihrem Treffen eine Erklärung, in der sie die russische „Aggression“ verurteilen und Kiew weitere finanzielle Unterstützung zusagen. Explizit „bedauern“ sie auch die Teilnahme Russlands an den verschiedenen Gesprächsformaten in Washington. Multilateralismus ist kompliziert geworden.

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