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Ehemaliger Weggefährte über Gauck: „Das Etikett Bürgerrechtler hat er zu Unrecht“

Für den Rostocker Pastor Heiko Lietz, einem früheren Weggefährten von Joachim Gauck, steht Gauck die Rolle des Bürgerrechtlers nicht zu. Er gehöre nicht zu denjenigen, die Repressionen in Kauf genommen hätten.

Ein früherer Mitstreiter fordert Joachim Gauck auf, als Bundespräsident eine neue Verfassung auf den Weg zu bringen. „Sie wäre der Schlussstein der Deutschen Einheit“, sagte der Schweriner Menschenrechtler Heiko Lietz dem Tagesspiegel. „Wenn er sich dem Vermächtnis der friedlichen Revolution verpflichtet fühlt, dann würde Gauck vollenden, wofür wir gekämpft haben und hätte meine Zustimmung als Präsident.“

Lietz kennt Gauck seit Schulzeiten, studierte zur selben Zeit in Rostock Theologie, spielte mit ihm Handball und war wie Gauck mehrere Jahre in der Landeskirche Mecklenburg als Pastor tätig. Seit 1980 widmete er sich ganz der Friedens- und Menschenrechtsarbeit. Seine Stasiakte füllt zahlreiche Bände.

Lietz erinnerte daran, dass im Einigungsvertrag die Ausarbeitung einer neuen Verfassung vereinbart wurde und zudem im Artikel 146 des Grundgesetzes festgeschrieben ist. So wie im Verfassungsentwurf des Zentralen Runden Tisches der DDR aus dem Jahr 1990, dem „Vermächtnis der DDR-Bürgerbewegung“, müsste laut Lietz die neue Verfassung einklagbare wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte enthalten. Wenn Gauck diese Diskussion vorantreibe, würde er auch das Etikett „Bürgerrechtler“ inhaltlich füllen, das ihm derzeit zu Unrecht angeheftet werde.

Gauck habe sich zwar als Pfarrer kritisch mit der DDR auseinandergesetzt, habe sich der Bürgerbewegung aber erst „im Herbst 1989 angeschlossen“, berichtete Lietz. „Zu den Bürgerrechtlern, die sich gerade gemacht haben und bereit waren, dafür Repressionen in Kauf zu nehmen, gehörte Gauck nicht.“ Der Schweriner Menschenrechtler lobte ausdrücklich Gaucks konsequente und klare Haltung zur Aufarbeitung der DDR. Sie sei notwendig, damit etwa Stasiverbrechen nicht relativiert und DDR-Geschichte „verkleistert“ werde.

Lietz glaubt allerdings nicht, dass Gauck mit seiner konsequenten Haltung einen Großteil der Anhänger der Linkspartei ausgrenzt. Im Gegenteil habe Gaucks klare Haltung auch bei einem großen moderaten Teil der Linken zu einem Klärungsprozess beigetragen. „Ich habe allerdings den Eindruck, dass dies von den anderen Parteien nicht anerkannt wird, damit man sich mit politischen Forderungen der Linken nicht auseinandersetzen muss“, so Lietz.

Er sagte weiter, Gauck habe im Oktober 1989 in einer Predigt in Rostock „in großartiger Weise“ formuliert, welche Freiheit sich die Menschen damals wünschten. Wenn er künftig als Bundespräsident über Freiheit spreche, dann müsse er sich jedoch mit derselben Empathie auch für soziale Rechte einsetzen. In dieser Hinsicht sei Gauck für das Amt derzeit „unzureichend gerüstet“. „Nichtsdestotrotz halte ich auch Gauck für lernfähig“, sagte Lietz.

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