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Brautpaar beim Ringtausch: Ein Ja, das tausende Euro bringt

© dpa

Ehegattensplitting: Der lange Schatten der Hausfrauenehe

Die Juristin Maria Wersig hat die Geschichte des Ehegattensplittings erforscht. Es hat die Hausfrauenehe zementiert - und das war keine Nebenwirkung, sondern sein einziger Sinn.

Im Geschlechterverhältnis ist in den letzten Jahrzehnten, Göttin sei Dank, kaum ein Stein auf dem andern geblieben. Nur einer hat allen Zumutungen trotzen können: das deutsche Ehegattensplitting und damit, vom Fiskus empfohlen, das Ideal der Hausfrauenehe. Seit 1958 wird belohnt, wenn ein Ehepartner, meist ist es die Partnerin, wenig oder am besten gar nichts verdient. Der Steuervorteil liegt dann mitunter höher als das, was ein höheres Gehalt einbringen würde. Während ein gut verdienendes Ehepaar auch ohne Kinder auf diese Weise inzwischen bis zu 15000 Euro pro Jahr mehr in der Tasche haben kann, bringt der Entlastungsbetrag, den alleinerziehende Väter und Mütter geltend machen können, selbst den Spitzenverdienern unter ihnen nicht einmal 600 Euro Nettoentlastung jährlich.

Der lange Kampf um die Frau am Herd

Wie konnte sich dieser Widersinn gegen alle Proteste ein halbes Jahrhundert halten? Das fragte sich auch die junge Jurristin und Politikwissenschaftlerin Maria Wersig vor ein paar Jahren, als sie sich in einem Forschungsprojekt mit dem Ernährermodell beschäftigte. Sie begann, in der Steuergeschichte  nachzuforschen. Seit letztem Jahr liegt das Ergebnis ihrer Tiefenbohrungen in deutscher Politik – und wohl auch Seele – vor. „Der lange Schatten der Hausfrauenehe“ heißt ihre Geschichte des Splittings, und die zertrümmert gleich einige Mythen. Etwa den, dass die Politik mit der Hausfrauenehe die Familie retten wollte. „Wenn man sich in den 50ern um etwas keine Sorgen machte, dann um Demografie“, sagt Wersig. Oder auch die Behauptung, das Splitting habe eben dem Zeitgeist der 50er Jahre entsprochen. Tatsächlich ging seiner Einführung 1958 ein jahrelanger Kampf voraus. Nicht nur Frauenverbände protestierten, sondern auch das Arbeitsministerium. In Zeiten der Vollbeschäftigung sollte die weibliche Reserve eher vom Herd weggelockt als fürs Arbeiten bestraft werden. Die damalige Verfassungsrichterin Erna Scheffler nannte das Splitting später sogar grundgesetzwidrig.

Dem Fiskus war Geschlechterpolitik wichtiger als Steuereinnahmen 

Fürs Splitten war, ausgerechnet, das Finanzministerium, das doch den größten Vorteil von steuerzahlenden Frauen gehabt hätte. „Das ist bis heute so“, sagt Wersig. Noch 1998 wandte sich ein leitender Beamter des Hauses gegen Reformen, weil sie, so schrieb er, „Anreize zur doppelten Erwerbsarbeit“ schaffen könnten.

So wurde gegen den weltweiten Trend zur Individualbesteuerung ein deutscher Sonderweg gepflastert. Seit den 70er Jahren ist auf ihm ausgerechnet jene Frauengeneration in die Falle gelaufen, die eigentlich Emanzipation wollte: Rein in die Erwerbstätigkeit, aber nur in Zuverdienst-Jobs, die zur Existenz- und Rentensicherung nicht reichen.

Die Homo-Ehe als Ewigkeitsgarantie?  

Dieser Pfad sei inzwischen „betoniert“, meint Wersig. 2013 entschied Karlsruhe, dass auch schwule Ehen vom Splitting profitieren dürfen. So sehr die Juristin das für gerecht hält: Seitdem, sagt sie, sei der  Schwung, das Splitting abzuschaffen, erlahmt. Auch die Grünen, die ihre Wahlschlappe ihren Steuerplänen zu verdanken meinen, seien viel leiser geworden. Alle hätten Angst vorm Wähler, obwohl doch gerade junge Leute mit der Hausfrauenehe immer weniger anfangen könnten. „Ich bin 35“, sagt Wersig. „Aber das Ende des Splittings werde ich wohl nicht mehr erleben.“

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