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Demonstrieren Einigkeit (v.l.): Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU).

© imago/Reiner Zensen

Eckpunkte zum Einwanderungsgesetz: In der Groko ist der Frieden ausgebrochen

Kein "Spurwechsel", aber Schutz für Asylbewerber mit Job. Für Horst Seehofer ist das Papier zum Einwanderungsgesetz ein "Riesen-Fortschritt". Vieles ist vage.

Es klingt wie eine Entwarnung. „Ich bin uneingeschränkt zufrieden und einverstanden“, sagt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Er lächelt entspannt, als er am Dienstagvormittag in der Bundespressekonferenz sitzt und gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Eckpunkte für ein neues Einwanderungsgesetz vorstellt.

Seehofer: "Ich bin richtig froh"

Seehofer will offenbar signalisieren, dass er voll hinter der Einigung steht, die die Koalitionsspitzen in der Nacht auf Dienstag ausgehandelt haben – und dass er bei dieser Position bleiben wird. Die Eckpunkte seien eine Lösung, „mit der das Innenministerium gut leben kann“, sagt er. Nach Wochen und Monaten der ständigen Koalitionskrisen will die Groko beweisen: Wir können auch anders, sind fähig zur Sachpolitik – selbst beim Reizthema Migration.

Tatsächlich fällt auf, wie sehr sich Seehofer, Heil und Altmaier an diesem Dienstag bemühen, Einigkeit zu demonstrieren. Seehofer nennt seine beiden Kabinettskollegen vertraut beim Vornamen. „Du als Sozialdemokrat“, spricht er an einer Stelle Arbeitsminister Heil an. Man habe in den vergangenen Wochen „pragmatisch“ zusammengearbeitet, betonen die drei Spitzenpolitiker mehrfach. „Lebensnah“ und „praktikabel“ soll das neue Einwanderungsgesetz sein. „Ich bin richtig froh, dass wir diesen stillen Konsens haben“, fasst Seehofer zusammen. Fast entsteht der Eindruck, der Koalitionsfriede sei ausgebrochen. Der Asylstreit im Juni? Längst vergessen. Die Causa Maaßen im September? Schwamm drüber.

"Spurwechsel": Keine "Debatte über Begriffe"

Die Streitpunkte der zurückliegenden Wochen wollen die drei Politiker nicht einmal mehr in den Mund nehmen. Auf den zuletzt heftig umstrittenen „Spurwechsel“ vom Asylsystem in den Arbeitsmarkt angesprochen, weichen sie aus. Man habe sich darauf geeinigt, keine „Debatte über Begriffe“ mehr zu führen, betont Seehofer. SPD-Mann Heil gibt eine alte CSU-Forderung wieder: „Es gibt keinen Wechsel vom laufenden Asylverfahren in den Arbeitsmarkt.“

Allerdings sollen abgelehnte Asylbewerber, die in Deutschland geduldet werden, zukünftig eine Arbeitserlaubnis bekommen können. Eine Stichtagsregelung, wie von der SPD vorgeschlagen, soll es aber nicht geben. Die Sozialdemokraten wollten eigentlich durchsetzen, dass in Deutschland berufstätige Ausländer zum 1. August 2018 einen Aufenthaltstitel erhalten. In dem Eckpunktepapier kommt die Idee allerdings nicht mehr vor.

„Wir wollen keine Stichtagsregelung“, sagt Seehofer. „Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind“, heißt es es in dem Papier. Der Sozialdemokrat Heil findet, das sei „eine bessere Lösung“ als die von der eigenen Partei einst vorgeschlagene Stichtagsregelung. Die Details lässt er jedoch offen.

Peter Altmaier zeigt sich erleichtert

Bundesweit vereinheitlicht werden soll die „3+2-Regelung“, die berufstätige Asylbewerber schon jetzt für maximal fünf Jahre vor Abschiebung schützt. Bislang hat vor allem Bayern die Regelung eher restriktiv ausgelegt – und im Zweifel abgeschoben. „Die einen sind da großzügiger, die anderen weniger“, erläutert ausgerechnet CSU-Chef Seehofer den bundesweit unterschiedlichen Umgang mit der „3+2-Regelung“. Er sei für eine großzügige Auslegung, sagt er – und macht sich damit eine alte SPD-Position zu eigen.

Bei so viel Übereinstimmung zwischen CSU und SPD zeigt sich Wirtschaftsminister Altmaier erleichtert, dass die Groko-Parteien in Sachen Migration „ideologische Streitpunkte bei Seite“ gelegt haben, wie er es nennt. Das Eckpunktepapier sei ein „Beispiel, dass man monatelangen Streit verhindern kann“. Der CDU-Mann wünscht sich, dass sich nun ein „Schlussstrich“ unter eine jahrzehntelange Debatte ziehen lasse – nämlich unter die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei oder nicht. Doch ob das Eckpunktepapier auch ein „Schlussstrich“ unter den ewigen Groko-Streitereien sein wird?

Genau das wollen Seehofer, Heil und Altmaier offensichtlich zum Ausdruck bringen. Sie loben ihre Einigung in höchsten Tönen: In Zukunft sollen mehr ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen – zum Vorteil der deutschen Wirtschaft. Wie bislang nur Akademiker sollen auch Facharbeiter für sechs Monate zur Jobsuche einreisen dürfen. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse soll erleichtert werden, die Bundesregierung will außerdem die Visastellen in den deutschen Botschaften personell aufstocken und in Ländern außerhalb der EU mehr Deutschkurse anbieten. Unternehmer und betroffene Migranten sollen insgesamt mehr Rechtssicherheit erhalten. „Das ist ein Fortschritt“, sagt Heil. „Ein Riesen-Fortschritt“, ergänzt Seehofer.

Details unklar

Die demonstrative Einigkeit, die Union und SPD hier zeigen, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles bislang recht vage ist in dem Eckpunktepapier. Auf die Frage, wie viele Geduldete in Zukunft eine Arbeitserlaubnis erhalten werden, haben die Groko-Minister keine Antwort. Man habe bewusst nicht „in Zahlen und Kontingenten geplant“, sagt Heil. Wie ausländische Fachkräfte ihren Aufenthalt zur Jobsuche finanzieren sollen? Es gebe „unterschiedliche Möglichkeiten“, sagt der Arbeitsminister.

Noch in diesem Monat soll der Entwurf für das Einwanderungsgesetz zwischen Innen-, Arbeits- und Wirtschaftsministerium abgestimmt werden – ohne größere Reibung, wie die drei Ressortleiter betonen. Im kommenden Jahr soll sich dann der Bundestag damit befassen. Angesichts vieler offener Fragen beim Thema Einwanderung wird es dann vermutlich nicht mehr so friedlich zugehen wie an diesem Dienstag zwischen Seehofer, Heil und Altmaier.

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