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Update

Druck auf Seehofer wächst: SPD, FDP und Grüne fordern eigene Studie zu Rassismus

Das Entsetzen über rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei ist groß. Doch Seehofer will weiter keine Studie über Polizei-Rassismus – und provoziert Kritik.

Von Hans Monath

Innenpolitiker von SPD, FDP und Grünen haben Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aufgefordert, eine eigene Rassismus-Studie über die Polizei in Auftrag zu geben. Es sei „der falsche Weg“, dass der Minister trotz der Aufdeckungen mehrerer Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen „weiterhin stur eine unabhängige Studie ablehnt“, sagte SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel.

Wiese erklärte, eine Studie in enger Absprache mit Gewerkschaften und Personalräten könne „die Diskussion versachlichen und Präventionsansätze liefern, um solchen Vorfällen zukünftig aktiv vorzubeugen“. Dies diene auch dem Schutz der Polizistinnen und Polizisten bei ihrer täglichen Arbeit und stärke „die große Zahl derjenigen, die mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und jeden Tag Dienst für unsere Demokratie verrichten“. 

Seehofer hatte am Wochenende erklärt, trotz der Ermittlungen gegen 29 Beamte werde er keine Studie in Auftrag geben, die sich ausschließlich mit der Polizei und dem Vorwurf des strukturellen Rassismus innerhalt der Polizei beschäftige. Das Innenministerium bereite aber eine Studie über Rassismus in der Gesellschaft vor, sagte er der „Bild am Sonntag“: „Hier bedarf es eines wesentlich breiteren Ansatzes für die gesamte Gesellschaft, und an diesem arbeiten wir.“

CDU-Fraktionsvize zweifelt am Nutzen einer Polizeistudie

Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, bezweifelte den Nutzen einer Studie über Extremismus bei der Polizei. „Ähnlich gelagerte Untersuchungen sind in der Vergangenheit auch rasch an methodologische Grenzen gelangt“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

So sei es „relativ naiv zu glauben, dass rund 300 000 Polizisten in Umfragen oder soziologischen Studien angeben, ob sie extremistische Einstellungen haben“. Frei plädierte vielmehr für einen starken Verfassungsschutz und starke Sicherheitsbehörden mit entsprechenden Befugnissen.

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Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte, die Forderung Seehofers sei „nicht mehr als eine Nebelkerze, um von den Vorfällen bei der Polizei abzulenken“.

Studien über Rassismus in der Gesellschaft gebe es längt. Es sei „unabdingbar, eine wissenschaftliche Untersuchung speziell für die Polizei durchzuführen, um belastbare Daten über das Ausmaß und vor allem die Ursachen von verfassungsfeindlichen Einstellungen innerhalb der Polizei zu bekommen“. Diese sei notwendig, da die Polizei das Gewaltmonopol im Innern ausübe und an Beamtinnen und Beamten besondere Anforderungen zu richten seien.

Vor Viren geschützt, vor Kritik aber nicht: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) macht in der Debatte über Rassismus ein Angebot, das nicht jedem gefällt.
Vor Viren geschützt, vor Kritik aber nicht: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) macht in der Debatte über Rassismus ein Angebot, das nicht jedem gefällt.

© dpa

„Eine solche Untersuchung würde vor allem den Beamtinnen und Beamten den Rücken stärken, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen“, sagte Mihalic, die früher selbst als Polizistin gearbeitet hatte. Die Grünen-Politikerin begrüßte es, dass einige Landesinnenminister nicht länger auf Horst Seehofer warten, sondern eigene Studien in Auftrag geben wollen.

Auch die FDP hält eine eigene Studie für notwendig. "Da Berichte über rechtsextreme Vorfälle bei den Sicherheitsbehörden geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung zu erschüttern, sollte eine wissenschaftliche Studie dazu weiterhin im Blick behalten werden", sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle. Seehofers Vorschlag einer Studie zu Rassismus in der Gesellschaft könne deshalb "nur ein erster Schritt sein". 

Kuhle begrüßte es, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bis Ende des Monats den überfälligen Bericht über Rassismus und Extremismus in den Sicherheitsbehörden vorlegen will. "Es war ein Fehler, dass das bundesweite Lagebild nicht zusammen mit dem Verfassungsschutzbericht 2019 vorgestellt wurde und immer noch auf sich warten lässt", meinte er.

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