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Hans Langsdorff.

© Privatarchiv Klaus Neumann

Druck auf Marine wächst: Würdiger Umgang mit Spee-Kapitän Langsdorff gefordert

Die Kritik an der Bundeswehr nimmt zu: Auch nach 80 Jahren mag das Militär nicht einen Kapitän ehren, der 1000 Matrosen das Leben rettete.

Inge Nedden (82) und ihr Mann Rüdiger (79) sprechen von einer „komischen Geschichte“. Der Vater von Inge Nedden, Kapitän Hans Langsdorff, habe bisher zu keiner Zeit in Deutschland „die ihm gebührende Anerkennung erlangt“.

Adressat der Kritik ist die Bundeswehr. Im Dezember reist das Ehepaar Nedden nach Buenos Aires, um am 80. Todestag dem Vater und Schwiegervater am Grab zu gedenken. Dem Retter von über 1000 Leben.

Inge Nedden aus Freudenstadt ist das letzte lebende Kind von Langsdorff, der im Dezember 1939 entschied, über 1000 deutsche Seeleute des Panzerschiffes „Graf Spee“ im ersten Seegefecht des Zweiten Weltkriegs nicht in eine aussichtslose Schlacht gegen britische Schiffe zu schicken. Es waren bereits 36 Spee-Seeleute getötet worden, das beschädigte Schiff rettete sich in den Hafen von Montevideo. Statt erneut auszulaufen, konnten die Besatzungsmitglieder nach Buenos Aires gebracht werden, Langsdorff sagte, ihm seien 1000 lebende Matrosen lieber als 1000 tote Helden. Er ließ die beschädigte „Graf Spee“ im Meer versenken, und nahm sich das Leben. Adolf Hitler tobte über den Befehls-Verrat. Langsdorff war kein Nationalsozialist.

Seit der Tagesspiegel vor einer Woche über die erste Langsdorff-Biografie (Autor: Hans-Jürgen Kaack, erscheint am 9. September) mit neuen Erkenntnissen berichtete, hat es viele Reaktionen gegeben.

Tenor: warum behandelt die Deutsche Marine Kapitän Langsdorff bis heute als Außenseiter, sieht keine Traditionswürdigkeit in seinem Verhalten, obwohl er in einer Grenzsituation Haltung statt Kadavergehorsam zeigte, wie es auch die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fordert. Jörg Hillmann, Leiter des Zentrums für Mid Sozialwissenschaften der Bundeswehr, sagte zuletzt, man werde die Biografie lesen, „und dann werden wir schauen, wie wir uns zu dieser Person positionieren“.

Inzwischen wächst der politische Druck

Das bringt Dieter Hartwig, Fregattenkapitän a. D., aus der Fassung. „Da hat es die Marine mit Konteradmiral Rolf Johannesson einfacher: Er unterschrieb kurz vor Kriegsende fünf Todesurteile und lag damit ganz auf der Hitler- und Dönitzlinie: Durchhalten! Hart sein!“, betont Hartwig. Dieser Mann sei Namensgeber eines Bestpreises für Offizieranwärter der Marine, „und seine Büste steht in der Aula der Marineschule Mürwik“, kritisiert Hartwig ein Messen mit zweierlei Maß.

Rüdiger Nedden hat sich mehrfach an das Verteidigungsministerium, gewandt, warum Langsdorff so behandelt würde. 2011 antwortete Staatssekretär Rüdiger Wolf kühl: „Für seine Entscheidung hat er (Langsdorff) die alleinige Verantwortung übernommen.“ Es sei „nachvollziehbar“, dass die überlebenden Besatzungsangehörigen und deren Familien dem Kommandanten dankbar seien. Die Geschichte sei aber „Teil des nationalsozialistischen Deutschlands und daher nicht mit dem Traditionsverständnis der Bundeswehr vereinbar“. Auch wenn keine Bundeswehr-Vertreter an Gedenkveranstaltungen an Langsdorffs Grab teilnähmen, gedenke man ihm - wie aller Kriegstoten - am jährlichen Volkstrauertag, so Wolf.

Das Grab von Hans Langsdorff in Buenos Aires.
Das Grab von Hans Langsdorff in Buenos Aires.

© Georg Ismar

Inzwischen wächst auch der politische Druck. „Es ist bezeichnend, dass Leute wie Langsdorff, die sich schon früh dem Irrsinn des Kämpfens bis zum Untergang verweigerten und durch ihr Handeln viele Menschen retteten, bislang als rotes Tuch gelten und andere, die für die mörderische Tradition der Marine stehen, immer noch geehrt werden“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion, Jan Korte. Es sei skandalös, „dass in der Marineschule Mürwik nach wie vor mit einer Büste an den Todesrichter Admiral Johannesson erinnert wird.“

Die FDP-Verteidigungsexpertin Agnes Strack-Zimmermann betont, den Fall Langsdorff „könnte man sehr gut als Beispiel nehmen, um mit jungen Offizieren zu diskutieren, wie weit geht Gehorsam“.

Die britische Marine, die durch Langsdorffs Verhalten auch Opfer vermeiden konnte, ehrt ihn übrigens bis heute. Und hat das Ehepaar Nedden zum 80. Jahrestag zum „Memorial Dinner“ nach Portsmouth eingeladen.

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