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Mit einer neuen App möchte das RKI Daten von Fitnesstrackern sammeln.

© imago images/penofoto

Drosten und Brockmann im Corona-Podcast: Wissenschaftler auf Spendensammlung

Wie können Mobilfunk-Apps bei der Bekämpfung der Pandemie helfen? Dieser Frage widmete sich die letzte Corona-Podcast-Folge vor Ostern.

Das Wort des Tages ist Datenspende. Es fällt sehr oft in der aktuellen Folge des NDR-Corona-Podcasts. Charité-Virologe Christian Drosten hat diesmal den Physiker Dirk Brockmann an seiner Seite, der unter anderem zuständig ist für epidemiologische Modellrechnungen am Robert Koch-Institut. 

Die beiden Wissenschaftler, der Virologe und der Physiker, haben im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie hohe Erwartungen an neue Mobilfunk-Apps und die damit sammelbaren Daten. Deshalb versuchen sie, die Menschen in Deutschland datenspendenwillig zu stimmen.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog (Link: https://www.tagesspiegel.de/wissen/coronavirus-krise-weltweit-johns-hopkins-uni-meldet-mehr-als-80-000-tote-weltweit/25560996.html). Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Größtes Augenmerk legen beide auf eine App, mit der persönliche Kontakte, also physische Begegnungen von Menschen nachvollzogen werden können – anonymisiert, verschlüsselt, pseudonymisiert, wie Brockmann mehrfach betont.

„Alle reden davon, wie man aus den Distanzierungsmaßnahmen rauskommt“, sagt Drosten. Für ihn sei dafür die Idee einer Fallverfolgung über eine Mobilfunkapp die überzeugendste. Sie könnte das bevorzugte Werkzeug werden. „Wir sollten wirklich alles drangeben, das auch umgesetzt zu bekommen.“ Dirk Brockmann stimmt zu. 

Diese bevorzugte App der beiden Wissenschaftler soll sozusagen eine schnellere und effektivere Variante der der Arbeit leisten, die jetzt Menschen am Telefon in Gesundheitsämtern verrichten: Kontakte von Coronavirus-Infizierten aufspüren und sie informieren, dass sie möglicherweise angesteckt sind und lieber zwei Wochen zu Hause bleiben sollten.

Die Hälfte der Bevölkerung müsste mitmachen

Das könne über eine App klappen, sagt Brockmann, wenn ein großer Teil der Bevölkerung, etwa die Hälfte, mitmache. Wer immer auch nur leichte Symptome habe, gibt diese ein in die App, die schicke einen zum Labor für einen Test. 

Ein positives Testergebnis könnte man, „immer auf freiwiliger Basis“, auch wieder in die App eingeben, die dann alle Kontakte informiert. Und zwar auch solche, die man selbst nicht benennen könnte. Zum Beispiel einen Menschen, neben dem man längere Zeit in der U-Bahn gesessen hat. Dessen Handy hat das eigene Handy über Bluetooth registriert. 

Immer wieder liegt die Betonung auf "anonymisiert"

Die – anonymisierten - Daten verwaltet ein „Datentreuhänder“, wie Brockmann es nennt, von dort aus werden über die App Warnungen an die betroffenen Menschen verschickt.

Ziel ist laut Drosten, dass nicht immer wieder eine Situation komme, „wo die Behörden sagen, ab jetzt ist wieder Lockdown und Kontaktsperre“. Ein künftiges generelles Ein- und Ausschalten der Kontaktsperre solle durch die Kleinteiligkeit einer solchen App ersetzt werden. 

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Kontaktsperren würden so nicht zeitgebunden ausgesprochen, sondern ortsgebunden. „Da kriegen einfach ein paar Personen eine Warnung auf ihr Telefon“, so der Virologe, der sich beim Thema Tracing-Apps als Laie bezeichnet, die Idee aber überzeugend findet. 

Die Warnung der App, man sei eventuell angesteckt, könne man dann auch dem Arbeitgeber zeigen, „wie eine Krankschreibung, und dann ist man ein oder zwei Wochen Zuhause.“

Ein Lockdown könnte dann mal einen Teil einer Stadt, eine Nachbarschaft, einen Bekanntenkreis treffen, aber nicht mehr eine ganze Gesellschaft auf einmal. 

„Apps die sowas können, würden der Situation extrem weiterhelfen“, sagt Dirk Brockmann. „Man muss natürlich darauf achten, dass sie datensicher sind, dass das anonymisiert wird. Technologisch ist sowas möglich.“ Es werde mit Hochdruck daran gearbeitet. Aber: „Wann das genau kommen kann, da bin ich überfragt“, sagt er.

"Fieberthermometer für das ganze Land"

Bereits gestartet ist am Dienstag eine andere Datenspendensammlung: Corona-datenspende.de. Hier bittet Brockmann für das RKI um die Daten, die die Menschen mit ihren Fitnesstrackern oder Fitnessarmbändern sammeln. 

Zehn Millionen gebe es davon bereits in Deutschland, Instrumente, die etwa den Puls, den Schlafrhythmus oder auch die Körpertemperatur ihres Besitzers messen. 

„Die Idee war, das die Daten verschlüsselt, anonymisiert und pseudonymisiert übermittelt werden, und dass man Informationen gewinnen kann über leichte Symptomatik.“ 

Ein erhöhter Puls etwa ist ein Zeichen für erhöhte Temperatur, und wenn man dies in einer Ecke des Landes plötzlich gehäuft feststelle, könne man Corona-Hotspots entdecken. „Das ist quasi wie ein Fieberthermometer für das ganze Land“, sagt Brockmann.“ 

"Partizipatorisches Experiment"

"Bereits am ersten Tag hätten sich 160.000 Menschen zum Mitmachen und also „Daten spenden“ angemeldet, mehr als erwartet. 

„Das ist das ganze Prinzip der Datenspende, dass Bürger und Wissenschaftler zusammenarbeiten, um eine Situation zu verbessern“, sagt er. „Das eröffnet auch Hoffnung, dass man andere Projekte dieser Art machen kann.“ 

Er betont, dass all diese Apps und Datenmessungen immer nur eine Ergänzung zu bereits vorhandenen Methoden sind, ein Werkzeug im Werkzeugkasten, „aber ein wichtiges“. 

Und: Brockmann möchte, dass Menschen diese Sammlung von Daten nicht als Überwachung, sondern als „ein partizipatorischen Experiment“ sehen, bei dem alle mitmachen.

Zuletzt hat Brockmann für das RKI die – anonymisierten - Bewegungsdaten von 46 Milionen Handynutzern ausgewertet. Ergebnis: Die Mobilität der Deutschen hat sich im Vergleich zu Anfang März in den letzten Wochen des Märzes um etwa 40 Prozent verringert. 

„Das ist sehr wichtig zu wissen, weil das einen Einfluss darauf hat, wie die Dynamik der Pandemie abläuft“, sagt er. So könne man abschätzen, wie sich das Verhalten der Menschen verändert.

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