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US-Präsident Donald Trump.

© Mandel Bgan/AFP

Drohende Kriege und Handelsstreit: Die Gefahren durch Trump sind geringer als dargestellt

Die Aussage Trumps, er wolle keinen Krieg gegen den Iran, überrascht in Deutschland. Das ist bezeichnend. Die Einschätzungen liegen oft daneben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Seit Tagen liest man in deutschen Medien Kriegswarnung auf Kriegswarnung. In der Summe der Schlagzeilen konnte – musste – man den Eindruck gewinnen, Präsident Donald Trump sei kurz davor, einen Krieg gegen den Iran vom Zaun zu brechen. Nun hat Trump verkündet: Er will keinen Krieg. Und er weist die Mitglieder seiner Regierung an, Vorsicht walten zu lassen, um auch eine unbeabsichtigte Eskalation zu verhindern.

Dies wäre ein guter Anlass für ein wenig Selbstreflexion. Verleitet das Misstrauen gegen Trump, für das es ja gute Gründe gibt und für das er immer wieder neue Anlässe bietet, zu Narrativen, die, erstens, voreilig sind? Und die, zweitens, in der Regel nur einen Schuldigen für Spannungen kennen: Donald Trump?

Gründe zur kritischen Überprüfung, welche Erwartungen die Berichterstattung weckt und inwieweit sie berechtigt sind, gibt es nicht nur mit Blick auf den Iran, sondern auch mit Blick auf mögliche Strafzölle gegen europäische Autobauer. Mitte Februar, in den Tagen um die Münchner Sicherheitskonferenz, schilderten die meisten deutschen Medien die Lage so, als werde Trump in der Woche nach der Konferenz diese Strafzölle verhängen. Wer damals mit Insidern sprach, die man freilich wegen ihrer Rollen hinter den Kulissen nicht namentlich zitieren durfte, hörte von ihnen, dass dies unwahrscheinlich sei.

Die Zölle lassen weiter auf sich warten. Und Trump hat das Zeitfenster für Verhandlungen gerade wieder um sechs Monate verlängert. Löst das Erleichterung aus? Nein. Trumps Entscheidung, jetzt keine Strafzölle gegen Europa zu verhängen, sei nicht Deeskalation, sondern Erpressung, urteilt Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament. Diese Logik verstehe, wer will. Erst warnt man vor Strafzöllen. Und wenn sie dann nicht kommen, ist das auch wieder schlecht?

In dieser Psychologie steckt das eigentliche Problem. Warum irren Medien so häufig mit ihren Prognosen, was Trump tun oder nicht tun wird? Das liegt natürlich, erstens, an Trump. Der macht die Unberechenbarkeit zum Prinzip. Er meint, das verschaffe ihm mehr Druckpotenzial und zugleich mehr Flexibilität.

Und wenn Trump Erfolg hätte?

Der zweite Grund sind "wir" – die deutschen Medien, die deutsche Öffentlichkeit. Diese Öffentlichkeit hat sich auf das Narrativ vom bösen Trump, dem Unruhestifter und Kriegstreiber, in einer Weise festgelegt, das zu Fehlprognosen verleitet. Wird überhaupt noch der Gedanke zugelassen, dass die Konflikte um den Iran, um Venezuela, um Nordkorea, um den Handel mit China und Europa auch glimpflich ausgehen könnten?

Das Muster der Einseitigkeit zeigt sich erneut im Verlauf der Erzählung vom drohenden Iran-Krieg. Auch da wiesen Experten wie Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Bundestag, immer wieder darauf hin, dass weder die USA noch der Iran Interessen an einem Krieg haben. Im Übrigen hatte der Iran den Europäern 60 Tage Frist gegeben, um eine Lösung zu finden, wie der Iran und die EU ihre Teile des Atomdeals einhalten – Stop des Atomprogramms gegen Lockerung der Sanktionen –, nachdem die USA von dem Abkommen zurückgetreten sind und die Sanktionen verschärften.

Zeit für Deeskalation durch Diplomatie

Warum dringen die ruhigen Analytiker nicht durch? Warum gewannen die Warnungen vor der Gefahr einer beabsichtigten oder unbeabsichtigten Eskalation die Oberhand? Auch die haben natürlich ihre Gründe: die Drohungen aus den USA und dem Iran, der Aufbau von Drohkulissen mit der US-Ankündigung, die Entsendung von US-Militär vorzubereiten sowie iranischen Drohungen, US-Installationen im Irak anzugreifen und den Schiffsverkehr in der Straße von Hormuz zu stören. Aber war es zwingend, die Warnungen vor Krieg höher zu gewichten als die Analysen, warum diese Eskalation jedenfalls in den nächsten zwei Monaten unwahrscheinlich ist?

Und wenn es stimmt, dass die unmittelbare Kriegsgefahr gar nicht so groß ist und ein Zeitfenster für Deeskalation durch Diplomatie bleibt – warum rückte diese Option nicht in den Mittelpunkt: Was können und müssen die Europäer nun mit vereinten Kräften tun, um das Zeitfenster für einen glimpflichen Ausgang zu nutzen? Briten, Franzosen und Deutsche hatten das Abkommen von 2015 verhandelt, die USA traten erst später bei. Und sie wandten sich unter Trump wieder ab.

Gefahr kommt aus Iran und Irak

Es scheint ein psychologisches Bedürfnis in Deutschland zu geben für das Narrativ: Trump, der Unhold, gefährdet den Frieden; er reißt uns mit in den Abgrund; und unsere Kräfte reichen nicht, uns dagegen zu stemmen. Diese Haltung entlastet die deutsche Regierung zugleich, wenn man eh nichts machen kann. 

Der Trend lässt sich an vielen Aspekten der Iran-Story belegen. Die USA sagen, sie haben Beweise dafür, dass der Iran Angriffe auf ihre Truppen im Irak und auf westliche Schiffe in der Straße von Hormuz plant? Das glauben wir nicht. Wir glauben es auch dann nicht, wenn die USA diese Belege Verbündeten hinter verschlossenen Türen vorlegen und diese bestätigen, dass die Erkenntnisse glaubwürdig seien. Denn Trump kann man nicht trauen. 

Das mit dem berechtigten Misstrauen stimmt. Aber warum sagt man das nur über Trump? Warum stellt kaum jemand die Gegenfrage, ob man denn dem Iran trauen kann? Die Bundesregierung hielt die Warnungen, dass der Iran mit Hilfe der von Teheran abhängigen Schiiten-Milizen womöglich Anschläge auf westliche Truppen, nicht nur US-Truppen, im Irak plane, für so brisant, dass sie die Mission der Bundeswehr zur Ausbildung irakischer Kräfte unterbrach.

Fehldeutungen des Pompeo-Besuchs

Das Muster der emotionalen Ablehnung Trumps und der Gleichgültigkeit gegenüber der weit größeren Bedrohung durch den Iran zeigte sich auch bei der Absage des Berlin-Besuchs von US-Außenminister Pompeo vor zehn Tagen. Ein Affront, hieß es. Da sehe man, wie geringschätzig die Trump-Regierung mit Verbündeten wie Deutschland umgehe.

Nun kommt er doch. Eine Überraschung oder eine Kehrtwende? Nein. Wer es wissen wollte, hätte schon damals erfahren können, was die Hintergründe der geänderten Reiseplanung waren. Es ging nicht um böse Absichten oder Geringschätzung der Verbündeten. Sondern um die Notwendigkeit eines raschen Besuchs in Bagdad, um die Regierung dort zurechtzuweisen.

Sie ist ein zwielichtiger Alliierter, der ein Doppelspiel betreibt. Einerseits nimmt sie Aufbaugeld und Ausbildungshilfe des Westens. Andererseits tut sie zu wenig, um Amerikaner und Europäer im Irak vor Anschlägen zu schützen.

Pompeo flog nach Bagdad, um zu verlangen, dass die Regierung die schiitischen Milizen, die unter Irans Einfluss stehen, entweder auflöst oder an die Kandare nimmt, damit sie keine Anschläge auf westliche Truppen verüben. Wegen der prekären Sicherheitslage kann man solche Besuche nicht vorher ankündigen. Das wäre eine Einladung an Terrorgruppen. Der offizielle Terminkalender, dem zufolge Pompeo unverändert in Berlin erwartet wurde, funktionierte wie ein Schutzschild. Erst in letzter Minute wurde die Änderung bekannt gegeben. Das war kein Affront, sondern geschah im Einvernehmen mit Berlin.

Vom Händeringen zum Handeln

Es gibt also gute Gründe, künftig vorsichtiger mit Warnungen vor angeblich unmittelbar drohenden Eskalationen umzugehen – und nicht nur Trump zuzutrauen, dass er gezielt den Druck erhöht, um eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Das machen Iran, China und andere auch.

Vor allem aber müssen Deutsche und Europäer vom Händeringen zum präventiven Handeln übergehen. Wenn die Sorge tatsächlich so groß ist, dass ein Konflikt aus dem Ruder läuft, dann müsste das viel konsequenter zu der Frage führen: Was kann Deutschland, was kann Europa tun, um das zu verhindern? Warum geschieht das nicht?

Weil die drei europäischen Außenminister, die das tun müssten, sich unausgesprochen in eine Falle begeben haben. Sie wollen stolz sein auf das Abkommen, das sie 2015 mit dem Iran ausgehandelt haben und wissen doch zugleich, dass es so lückenhaft ist, dass es nachgebessert werden muss.

Iran muss vier Punkte erfüllen

Nun bietet sich die Chance zur Nachbesserung, aber nicht dank europäischer Überredungskünste, sondern dank amerikanischen Drucks. Den lehnen die Europäer ab und sehen doch zugleich, dass dieser Druck das Fenster zum Nachbessern öffnet. Diese inneren Widersprüche sind der Grund für das Zögern.

Doch die Verantwortung gebietet genau das: eine gemeinsame Reise des britischen, französischen und deutschen Außenministers nach Teheran – oder ein Treffen mit Irans Außenminister in Brüssel – mit der klaren Botschaft: Iran muss mehr liefern als den befristeten Stop des Atomprogramms.

Teherans Verhalten muss sich erkennbar auf diese vier Ziele zu bewegen: den unbefristeten Stop des Atombombenprogramms, die Begrenzung des Raketenbaus, ein Ende der Terrorfinanzierung und den Stop der Entsendung von Revolutionsgarden in Bürgerkriege.

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