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Kreuze stehen an der Gedenkstätte für die Opfer der Loveparade. Bei dem Loveparade-Unglück im Sommer 2010 in Duisburg wurden in einem Gedränge 21 junge Menschen erdrückt.

© Martin Gerten/dpa

Drohende Einstellung des Loveparade-Prozesses: Ende einer Katastrophe

Die Erwartungen an das Landgericht Duisburg waren riesig. Aber das Strafrecht kommt in einem Verfahren wie dem zur Loveparade an seine Grenzen. Ein Einspruch.

Fast hundert Tage hat das Landgericht Duisburg über die Anklage zur Loveparade-Katastrophe von 2010 verhandelt, jetzt will es das Verfahren einstellen. Mitarbeiter des Veranstalters sollen eine Geldauflage zahlen, die Verwaltungsmitarbeiter, die an der Genehmigung beteiligt waren, kommen ohne jede Maßnahme davon. Das wäre die Bilanz des Rechtsstaats nach 21 Toten und Hunderten teils schwer Verletzten auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs.

Es wird wohl niemanden geben, den dieses Ergebnis zufriedenstellte. Dafür viele, die es empört. Die gefühlte Gerechtigkeit und die von der Justiz hergestellte, sie könnten nicht weiter auseinanderliegen. Das Schicksal der Opfer im Gedränge, multipliziert mit der Tragödie ihrer Angehörigen, hat zu Verlusten geführt, die mit keiner Strafe zu bezahlen sind.

Es ist ein Drama für alle, auch für die Angeklagten

Aber ist das die richtige Rechnung? Es fällt auf, dass in Reaktionen über das Ansinnen des Gerichts ein wichtiger Faktor fehlt oder nur am Rande erwähnt wird: Die Straftat, für die sich die Angeklagten verantworten müssen. Es ist die fahrlässige Tötung, Paragraf 222 Strafgesetzbuch. Ein Delikt ohne Mindeststrafe, rechtlich ein Vergehen. Maximal drohen fünf Jahre Haft, die selten ausgeschöpft werden. Eine Tat mit dramatischen Folgen für Opfer, aber kein schweres Delikt. Niemand hatte gewollt, dass in der Massenpanik Menschen sterben. Es ist ein Drama für alle. Auch für die Angeklagten.

Ein solches Verfahren einzustellen, ohne Sanktion, ohne Urteil, gehört zum Alltag der Strafjustiz. Für das Loveparade-Verfahren andere Maßstäbe anzulegen, weil die Dimension des Unglücks und die Aufmerksamkeit dafür eine andere war, wäre nicht zu rechtfertigen. Deutlicher: Es wäre ungerecht. Das gilt auch für die Beurteilung eines „öffentlichen Interesses“, das laut Strafprozessordnung einer Einstellung nicht entgegenstehen darf, mit einem allgemeinen Interesse der Öffentlichkeit aber nicht zu verwechseln ist. So hart es klingt, dieses Interesse hat sich weitgehend erledigt. Das damalige Geschehen ist bis ins Detail aufgearbeitet, die Ursachen, der Hergang und die Tatbeiträge sind bekannt. Aspekte der Spezial- oder Generalprävention sind keine zu erkennen. Eine Großveranstaltung mit einem einzigen Tunnelzugang, wie sie damals geplant war, würde heute nicht mehr genehmigt.

Die Schuld der Angeklagten, so sagt es das Gericht, erscheint eher gering. Der Aufwand, sie im weiteren Verfahren individuell herauszuarbeiten und zuzurechnen, dürfte demgegenüber so hoch sein wie das Risiko, das Ganze bis zur Verjährung im Jahr 2020 nicht mehr hinzubekommen. Es ist zu wünschen, dass das Verfahren einen Ausgang nimmt, der Opfern und Angehörigen eine bessere Grundlage für Schadensersatzforderungen gibt. Aber es gibt keinen Anspruch darauf, und herbeizwingen kann man das nicht.

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