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Team Deutschland in Finnland.

© promo

Drei Siege ohne Gegentor: Der FC Bundestag wird Europameister

Nach elf Jahren wird der FC Bundestag wieder Fußball-Europameister der Parlamentarier. Beim Erfolg in Finnland hilft auch das Bundestagswahlergebnis von 2021.

Im finnischen Lathi läuft bereits die Nachspielzeit. Die deutsche Mannschaft agiert bis dahin glücklos. Ein Elfmeter wurde verschossen, die Stimmung der Fans ist klar auf Seiten der Gastgeber. Doch dann zieht Karsten Klein aus 25 Metern ab. Der finnische Torwart kann den Ball nur abtropfen lassen, Oliver Luksic staubt ab. Tor! 1:0 für Deutschland! Dann ist Schluss.

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„Dieses Spiel war der Dosenöffner für unser Turnier“, sagt Kassem Taher Saleh ein paar Tage später. Auch gegen Österreich und die Schweiz steht die Null, vorne wirbelt das Duo Luksic und Taher Saleh. Nach drei Spielen ist der Fußballmannschaft des Bundestags Historisches gelungen. Nach elf langen Jahren voller Niederlagen und Rückschläge hat der FC Bundestag beim 49. Turnier der Parlamentarier erstmals wieder die inoffizielle Europameisterschaft geholt.

„In Finnland hatten wir die klare Strategie, unsere besten Leute spielen zu lassen“, sagt Grünen-Politiker Taher Saleh, der zwar den Elfmeter gegen Finnland verschießt, beim 4:0 gegen Österreich aber doppelt trifft. Der Sachse, der im Irak geboren wurde, ist erst seit September Bundestagsabgeordneter. Sport sei sein Schlüssel zu Integration gewesen, hat er im Wahlkampf gesagt. Nun spielt er im Mittelfeld des FC Bundestags.

Die Wahl hat nicht nur die Kräfteverhältnisse im Bundestag neu geordnet, sondern auch im Team um Kapitän Mahmut Özdemir (SPD), der sich beim Turnier verletzte. Jünger und diverser ist die Mannschaft geworden. Mit Maja Wallstein (SPD) und Tina Winklmann (Grüne) gehören auch erstmals zwei Frauen dem FC Bundestag an. In Finnland fehlten sie wegen Terminschwierigkeiten aber ebenso wie die Spieler der Union. Zufall, betonnen alle Beteiligten.

So waren es vor allem die Spieler der Ampel-Parteien, die Deutschland von Sieg zu Sieg brachten. Unter den Augen des deutschen Botschafters sowie des Ex-Fußballprofis Jari Litmanen (Stationen in Amsterdam, Barcelona, Liverpool und Rostock) gelang den Deutschen erst ein 4:0 gegen Österreich und im Finale gegen die Schweiz schließlich ein 3:0.

Neben Abwehr-Chef Johannes Schätzl hält hinten Kanzleramts-Staatssekretär Carsten Schneider (beide SPD) die Verteidigungslinie. Umjubelter Held wird aber Oliver Luksic, im normalen Leben Verkehrsstaatssekretär und FDP-Politiker aus dem Saarland. Mit fünf Toren wird er sogar Torschützenkönig in Lathi. „Also wenigstens im Fußball steht meine Kompetenz parteiübergreifend außer Frage“, sagt Luksic am Telefon und lacht.

FDP-Politiker: "Ein bisschen wie Klinsmann"

Bundestrainer Hansi Flick habe aber trotz seines Hattricks im Finale gegen die Schweiz noch nicht bei dem 42-Jährigen angerufen. „Ich bin vom Typ her eher ein Oldschool-Stürmer, von der Spielweise ein bisschen wie Klinsmann - nur viel schlechter", sagt Luksic, der in der Jugend beim 1. FC Saarbrücken gekickt hat. Verletzungen zwangen ihn zum Karriereende, nun erlebt er seinen zweiten Frühling.

Wie Klinsmann - nur viel schlechter. Oliver Luksic (FDP) ist der Torjäger beim FC Bundestag.
Wie Klinsmann - nur viel schlechter. Oliver Luksic (FDP) ist der Torjäger beim FC Bundestag.

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Den FC Bundestag gibt es inzwischen seit 1961, auch Gerhard Schröder (SPD), Joschka Fischer (Grüne) und Norbert Lammert (CDU) liefen bereits für die Mannschaft auf. Das erste Spiel fand damals für einen guten Zweck zwischen Parlamentariern und Journalisten vor mehr als 10.000 Zuschauern in Bonn statt. Inzwischen spielt das Team regelmäßig im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg gegen Hobby-Teams wie die Mannschaft der Bundestags-Chauffeure, der Sparkasse oder von Flixbus.

Es geht auch um Politik

Für die Abgeordneten bietet der Sport eine kurze Möglichkeit, aus dem sonst eingeengten Politik-Betrieb auszubrechen und mit Politikern anderer Parteien in Kontakt zu kommen. Einmal die Woche trainiert der FC Bundestag in den Sitzungswochen. „Das ist mein wichtigster Termin in der Woche“, erzählte SPD-Politiker Johannes Fechner der „Süddeutschen Zeitung“. „Sie glauben gar nicht, wie gut es tut, dass man aus dem ganzen Sitzungstrott auch mal raus- und den Kopf freibekommt.“

Partystimmung in der Kabine.
Partystimmung in der Kabine.

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Doch auch in Finnland sei es um Politik gegangen, berichten alle Spieler. Vor allem der Krieg in der Ukraine habe die Parlamentarier der vier Länder beschäftigt. Die finnischen Abgeordneten hätten über die Probleme beim Nato-Eintritt berichtet, die Schweizer über ihre Neutralität, die angesichts des russischen Angriffskrieges bröckelt. „Klassentreffen-Charakter“ habe das Turnier.

Auf dem Platz dagegen herrscht ein anderer Ton. „Abgeordnete sind es eher nicht gewohnt, auch mal angeschrien zu werden“, sagt Luksic, der insgesamt bereits mehr als 100 Tore auf dem Konto hat. Gemeinsam mit Kapitän Özdemir hat er eine neue Taktik festgelegt. „Ich habe mich wohl auch etwas unbeliebt gemacht, weil ich das bei der EM das Leistungsprinzip eingeführt habe. Es macht aber allen mehr Spaß, wenn wir gewinnen.“

Tatsächlich scheint die Stimmung im Team gut zu sein. Nach Tagesspiegel-Informationen wurde der Europameistertitel noch ausgiebig in einem finnischen Club gefeiert. Doch bereits am Dienstag steht das nächste Spiel für das Team an.

Im kommenden Jahr soll dann der Titel in Österreich verteidigt werden. Davor hofft die Mannschaft aber noch auf etwas Anerkennung, sagt Taher Saleh. „Ich hoffe, dass Bundestagspräsidentin Bärbel Bas uns im Plenum würdigt.“

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