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Das Lächeln des Herrschers. Der Prinz ist wieder ein gefragter Gesprächspartner.

© Mikhail Metzel/imago images/Itar-Tass

Drei Jahre nach dem Khashoggi-Mord: Der Prinz ist zurück

Vor drei Jahren wurde der Regimekritiker Jamal Khashoggi ermordet. Danach mieden ausländische Politiker den saudischen Thronfolger. Das ändert sich.

Drei Männer in Shorts und T-Shirts lachen vergnügt in die Kamera. Staatsmedien in Saudi-Arabien verbreiteten jüngst ein Foto von einem Treffen des Thronfolgers Mohammed bin Salman mit zwei Freunden.

Am Strand des Roten Meeres traf sich der Prinz, genannt MBS, mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad al Thani, und dem Nationalen Sicherheitsberater der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheich Tachnun bin Zayed al Nayhan. Das Trio verstand sich offenbar prächtig.

Nichts auf dem Bild erinnert daran, dass Mohammed bin Salman und die VAE über Jahre versuchten, Katar wirtschaftlich zu ruinieren. Oder dass Katar Konsequenzen aus dem Mord an dem Journalisten und Dissidenten Jamal Khashoggi forderte und damit auf den saudischen Thronfolger zielte.

Das Strandfoto zeigt, wie viel sich für MBS in letzter Zeit geändert hat. Er hat seinen Frieden mit Katar gemacht. Und er muss nicht mehr befürchten, wegen des Khashoggi-Mordes international geschnitten oder an den Pranger gestellt zu werden – obwohl weitgehend Konsens darüber herrscht, dass der Prinz bei dem Mord seine Hände im Spiel hatte.

Die Leiche soll zersägt und in Säure aufgelöst worden sein

Enge Berater und Leibwächter von bin Salman waren nach Erkenntnissen von UN-Ermittlern und US-Geheimdiensten an der Tötung Khashoggis am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul beteiligt. Damals erschien der Kritiker des Kronprinzen zu einem Termin in der Vertretung und wurde von einem Killerkommando getötet. Seine Leiche soll zersägt und in Säure aufgelöst worden sein.

Saudi-Arabien leugnete zunächst, irgendetwas mit dem Mord zu tun zu haben, und ließ dann in einem Geheimprozess einige untere Chargen zu Haftstrafen verurteilen. Der Vorwurf einer Verwicklung von MBS in den Mord wurde in Riad zurückgewiesen.

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Das brachte dem Prinzen auf der internationalen Bühne zunächst wenig. Bin Salman, der sich als Reformer versteht, der sein Land in die Moderne führen will, stand als blutrünstiger Autokrat da, Karikaturen zeigten ihn mit Knochensäge und blutbeschmierten Händen.

Die Türkei ließ Geheimdiensterkenntnisse über das Mordkomplott und die mutmaßliche Rolle des saudischen Thronfolgers an Medien durchsickern, die UN-Berichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, forderte Sanktionen gegen den Prinzen.

Dissidenten im Ausland berichteten von Entführungsversuchen der Golfmonarchie. Europäische Länder setzten Rüstungslieferungen nach Riad aus, Joe Biden nannte Saudi-Arabien einen „Paria“, der für begangenes Unrecht bezahlen müsse.

Klebt Blut an seinen Händen? Nach der Ermordung Khashoggis gab es Proteste gegen Mohammed bin Salman.
Klebt Blut an seinen Händen? Nach der Ermordung Khashoggis gab es Proteste gegen Mohammed bin Salman.

© Jim Watson/AFP

Heute muss sich Mohammed bin Salman darum keine großen Sorgen mehr machen. Im Innern hat er seine Position als Nachfolger des 85-jährigen Königs Salman und als eigentlicher Herrscher gefestigt. Experte Sebastian Sons verweist darauf, dass der Kronprinz nach dem Mord an Khashoggi versucht habe, seine Außenpolitik neu auszurichten.

Dazu gehörte das Bestreben, sich von den USA und dem Westen unabhängiger zu machen. „Deshalb hat Mohammed bin Salman sich Richtung Russland, China und anderen asiatischen Staaten orientiert“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Bonner Centers for Applied Research in Partnership with the Orient (Carpo).

Auch in Europa und Amerika hätten zwar die Verantwortlichen zur Kenntnis genommen, dass die Macht des saudischen Thronfolgers unangefochten ist. „Dennoch halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass bin Salman zum Beispiel zu einem Staatsbesuch nach Deutschland oder in die USA reist. Der Khashoggi-Skandal ist noch tief im Bewusstsein verankert.“

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Die Front der Ablehnung gegen MBS bröckelt trotzdem. Die US-Regierung genehmigte vor zwei Wochen einen 500-Millionen-Dollar-Vertrag zur Wartung saudischer Kampfhubschrauber aus amerikanischer Herstellung. Es war der erste Rüstungsdeal mit Riad seit Bidens Amtsantritt. Im Juli empfing Washington einen Bruder von MBS, den saudischen Vize-Verteidigungsminister Prinz Khalid bin Salman.

Der Krieg im Jemen hängt dem Thronfolger wie ein Klotz am Bein

Wenige Tage vor dem dritten Jahrestag des Khashoggi-Mordes flog Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan nach Saudi-Arabien, um mit dem Kronprinzen zu sprechen. Die Türkei bemüht sich um bessere Beziehungen zum Königreich und den VAE, um die eigene Isolation zu durchbrechen. Freunde von Khashoggi sind entsetzt.

Es sei nicht genug getan worden, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, „besonders den Typen, der den Mord in Auftrag gab“, sagte Nahost-Expertin Rula Jebreal der noch von Khashoggi gegründeten Organisation Dawn. „Er regiert das Land nach wie vor, und er wird weiter Leute umbringen, weil er gesehen hat, dass er damit durchkommt.“

Millionen Jemeniten leiden unter dem Krieg - und Hunger.
Millionen Jemeniten leiden unter dem Krieg - und Hunger.

© Ahmad al Basha/AFP

Viel mehr als der Khashoggi-Mord macht MBS heute der von ihm begonnene Krieg im Jemen zu schaffen. Seit mehr als sechs Jahren führen die Saudis dort Krieg gegen die aufständischen Huthis, wollen dem gewählten Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi mit Gewalt wieder zurück ins Amt verhelfen – bisher ohne Erfolg.

„Bin Salman hat es als verantwortlicher Verteidigungsminister nicht geschafft, den Konflikt wenigstens zu managen“, sagt Experte Sons. Ihm zufolge haben die Huthis vielmehr im Jemen militärisch die Oberhand gewonnen, der Einfluss Irans sei größer geworden.

„Vor allem aber ist die nationale Sicherheit massiv infrage gestellt. Fast täglich greifen die Huthis Saudi-Arabien mit Drohnen und Raketen an. Das ist für den Kronprinzen ein massives innenpolitisches Problem.“ Genau das erkläre die taktische Annäherung an den Erzrivalen Teheran. „Es geht darum, den Iran dazu zu bewegen, auf die Huthis einzuwirken, damit sie die Anschläge unterlassen.“ Doch danach sieht es nicht aus.

Bin Salman fürchtet einen Gesichtsverlust

Die jemenitischen Rebellen sind weder bereit, die Angriffe auf Saudi-Arabien einzustellen noch einen Waffenstillstand zu schließen. Der Kronprinz steckt damit in einem Dilemma. Einerseits würde er den Krieg gerne beenden, weil der kaum zu gewinnen ist und ihm wie ein Klotz am Bein hängt. Andererseits kann bin Salman seine Kämpfer nur zurückziehen, wenn ihm kein Gesichtsverlust droht.

Bei dem kürzlichen Gespräch des Kronprinzen mit Biden-Berater Sullivan ging es vor allem um den Jemen-Krieg. Die amerikanische Nachrichten-Website Axios meldete, die Menschenrechte seien bei dem Treffen ebenfalls angesprochen worden. Ob dabei auch der Name Khashoggi fiel, ist nicht bekannt.

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