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Impfen oder nicht? Vor dieser Entscheidung stehen in Sachen Corona bald viele Eltern.

© Fabian Sommer/dpa

Drängelei der Politiker: Das Wort der Stiko ist noch lange nicht Gesetz

Mancher Politiker drängelt die Stiko, statt die eigenen Aufgaben für Kinderimpfungen zu erledigen. Wo es hakt und was zu tun ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Wer mit einem Finger auf jemand anders zeigt, weist mit dreien auf sich selbst zurück. Derzeit gilt das für Politiker wie Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha von den Grünen. Jetzt, da die Zulassung für den Corona- Impfstoff für Kinder ab fünf Jahren so gut wie vorliegt, drängeln er und andere die Stiko, schnell über eine Empfehlung zu entscheiden.

Da stellt sich die Frage: Hat die Politik ihren Teil dazu beigetragen, dass die Kinder-Impfkampagne nun reibungslos anlaufen kann? Das würde bedeuten: Der Impfstoff liegt in den Großlagern zur Auslieferung bereit. Sobald die Zulassung erfolgt ist, können die ersten Spritzen aufgezogen werden. Mit einer großen Kampagne hat die Politik Eltern über die Impfung informiert, damit sie aufgeklärt entscheiden können. In jeder Schule, Kita und Kinderarztpraxis bekamen Väter und Mütter Broschüren in die Hand gedrückt. Kindgerechte Impfzentren sind eingerichtet, mit Spielbereichen, Snacks und kleinen Kuscheltieren als Impfgeschenken.

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Doch nichts davon entspricht den Tatsachen. Impfwillige Eltern sollen sich vielmehr gedulden, bis der Impfstoff Ende Dezember verfügbar ist. Alleine das ist massives politisches Versagen. Die Politik sollte nachdenken, was sie selbst zu erledigen hat, bevor sie überlegt, was an der Stiko zu kritisieren ist. Dabei ist der Impuls, zur Eile zu mahnen, inhaltlich richtig. Doch mit Ratschlägen aus der Politik an ein Gremium, das unabhängig arbeiten soll, ist es nun einmal schwierig.

Das Wort der Stiko ist noch lange nicht Gesetz

Die Stiko hat in dieser Pandemie allzu oft agiert, als wäre alle Zeit der Welt. Ihr Vorsitzender hat in einer Talkshow Ressentiments gegen das Impfen bedient. Der Beitrag des Gremiums zur Pandemiebekämpfung ist übersichtlich. Dennoch orientieren sich viele Eltern und Kinderärzt:innen am Stiko-Votum. Da steckt viel alte Gewohnheit drin, und die Politik muss das zur Kenntnis nehmen.

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Doch das Wort der Stiko ist noch lange nicht Gesetz. Sobald eine Zulassung vorliegt, ist es rechtlich völlig unproblematisch möglich, Kinder zu impfen, egal, ob die Stiko-Mitglieder noch in Studien blättern. Die Politik sollte darauf offensiv hinweisen und den zu erwartenden Sturm der Entrüstung, hier werde das maßgebliche Gremium ignoriert, aushalten. Und sie muss Impfmöglichkeiten für Eltern schaffen, die ihre Kinder schützen wollen. Damit hätte sie vorerst genug zu tun.

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