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Die kommissarische Führung der SPD, Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer, verkündet die Doppelspitze.

© REUTERS/Annegret Hilse

Doppelspitze löst kein einziges Problem: Die SPD braucht mehr als zwei Namen

Doppelspitzen sind keine neue Mode, schon in der Römischen Republik gab es zwei Konsuln. Im Fall der SPD aber bringt sie keine Lösung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Die SPD gibt sich eine Doppelspitze, zwei Vorsitzende, wie bereits die Grünen, die AfD und die Linke sie haben. Sie folgt insofern auch dem Beispiel des Tagesspiegels, der zwei Chefredakteure besitzt. Doppelspitzen können funktionieren oder auch nicht, für beides gibt es Beispiele.

Aber auch Solisten können scheitern. Egomanen (oder Egoman*innen) scheinen für Doppelspitzen allerdings wenig geeignet zu sein. Vielleicht wäre es klüger, die Auswahl des Führungsduos der Sozialdemokraten erfahrenen Psychologen anzuvertrauen als den 20 bis 30 Regionalkonferenzen, durch die sich die Bewerber bei der SPD jetzt quälen müssen. Ohnehin sieht es zurzeit nicht danach aus, als ob die Kandidaten Schlange stünden.

Doppelspitzen sind keine neue Mode, schon in der Römischen Republik gab es zwei Konsuln. Doppelspitzen haben auch nicht ausschließlich mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun, obwohl dieses Argument oft zu ihren Gunsten angeführt wird. Es gab und gibt Firmen oder Verbände, die sich zwei Männer an der Spitze leisten, etwa Airbus, der DFB, die Deutsche Bank. Als erster Dax-Konzern hat 2018 die Firma Henkel zwei Frauen ganz oben installiert.

Für die Doppelspitze spricht, dass sie die ungeheure zeitliche Belastung des Führungspersonals reduziert und ihm mehr Zeit zum Nachdenken und für die Familie verschaffen kann, womöglich sogar zur Erholung. Müde, traurige Chefs nützen niemandem.

Gibt es Führungsmodelle, die nur Vorteile haben und keine Nachteile? Vermutlich nicht. Bei der Doppelspitze können das Reibungsverluste sein, ein beschönigendes Wort für Machtkämpfe und Streit. Am Ende muss entschieden werden, das ist die größte Schwäche dieses Modells.

Dafür braucht es den Kompromiss, wenn beide sich uneinig sind. Kühne, riskante Entscheidungen sind aber manchmal notwendig. Deshalb ist es gut, dass am Ende nur eine Person Bundeskanzler sein kann, sogar, wenn die Grünen ihn stellen sollten.

Die SPD ist vielleicht in einer Existenzkrise

Ein Beispiel dafür, wie man eine Doppelspitze in kurzer Zeit an die Wand fährt, liefert die CDU. Es gibt eine Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die versuchen muss, ihrer Partei wieder zu einer Identität zu verhelfen. Sie darf Angela Merkel nicht demontieren und muss gleichzeitig auf die Merkelkritiker zugehen. Daneben gibt es eine Kanzlerin, die hoch erfahren darin ist, Rivalen abzuhalftern.

Als der Blogger Rezo die CDU vor großem Publikum untergepflügt hat, schwieg Merkel, als ginge sie das alles nichts an. Die Vorsitzende hingegen verteidigte ihre Partei. Die Kanzlerin sprach wie immer erst, als klar war, wie medial die Winde wehen, und erteilte Kramp-Karrenbauer für ihre Performance die Note 5: „Das müssen wir noch lernen.“ Eine Doppelspitze mit Angela Merkel ähnelt somit einem politischen Todesurteil.

Spricht das also grundsätzlich gegen ein Führungsduo? Nein. Im speziellen Fall der SPD aber löst eine Doppelspitze kein einziges Problem. Die Partei ist in der Krise, vielleicht einer Existenzkrise. Sie verliert nach allen Seiten, ihr Profil ist verwaschen und sie setzt, wie die Wahlergebnisse beweisen, auf die falschen Themen. Sie kann nach linksaußen gehen, sie kann sich, etwa in der Migrationspolitik, nach rechts bewegen, wie die Dänen es vormachen.

Jeder Weg ist riskant und wird parteiintern hoch umstritten sein, aber jeder hat zumindest das Potenzial, die Partei zu stabilisieren. Der Mittelweg führt hingegen fast sicher in die Bedeutungslosigkeit. Ein Duo aus, sagen wir, Franziska Giffey und Kevin Kühnert, zwei charismatischen Politikern aus verschiedenen Parteilagern, würde sich bestenfalls neutralisieren, schlimmstenfalls zerfleischen.

Keinem dieser Talente und auch nicht der SPD wäre damit gedient. Das hieße: Vertagung. Die SPD hat dazu keine Zeit mehr. Sie braucht eine neue Botschaft, die vielen Wählern einleuchtet. Nicht bloß zwei neue Namen an der Spitze.

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