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"Wir sind ein sehr starkes Land": Donald Trump während der Pressekonferenz mit Angela Merkel in Washington D.C.

© Evan Vucci/AP/dpa

Donald Trump vs. Europa: Wer sich auf die USA verlässt, wird verlassen

Ob Strafzölle auf Importe oder das Atomabkommen mit dem Iran: Donald Trump macht, was er will. Merkel und Macron müssen sich von ihm unabhängig machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es war erniedrigend. Selten zuvor hatte ein amerikanischer Präsident drei europäischen Spitzenpolitikern ein größeres Maß an Geringschätzung entgegengebracht, als Donald Trump es in der vergangenen Woche gegenüber Emmanuel Macron, Angela Merkel und Theresa May tat. Die USA seien ein „sehr starkes, sehr starkes Land“, betonte Trump, und wenn er über die Stärke seines Landes spricht, klingt das oft drohend. Trump will gewinnen, will sich durchsetzen und am Ende Recht behalten. Kompromisse sind seine Sache nicht. Darin ähnelt er anderen Autokraten - von Erdogan über Orban bis Putin. Was tun im Umgang mit solchen Charakteren?

Die drei Ms – Macron, Merkel und May – zogen alle Register. Der Franzose charmierte, ließ sich küssen und tätscheln, die Deutsche blieb kühl, nüchtern und gab beflissen zu Protokoll, dass allein Trump in wichtigen Fragen entscheide, die Engländerin telefonierte ausgiebig mit Trump und lud ihn nach London ein. Doch alles Flehen, Buhlen, Betteln und Argumentieren half nicht. Trump blieb Trump. Ob bei Klima, Handel, multilateralen Abkommen, der Iran- oder Nahostpolitik: Er verfolgt seine eigene Agenda, die im Gegensatz zur europäischen steht. Seine Entscheidungen trifft er aus dem Bauch heraus. Einen rationalen Prozess der Entscheidungsfindung gibt es nicht.

Zwei vorrangige Ziele verfolgten die Europäer. Macron und Merkel wollten verhindern, dass Trump die von ihm bereits verhängten Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe auf Europa ausweitet. Sie treibt dabei auch die Angst, dass der US-Präsident einen globalen Handelskrieg vom Zaun brechen könnte wegen des gigantisch hohen US-Handelsbilanzdefizits von 566 Milliarden Dollar. Im Verbund mit May schließlich warben sie inständig dafür, am internationalen Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten, das sicherstellen soll, dass die Mullahs keine Atombombe bauen können. Laut Internationaler Atomenergiebehörde hält sich Teheran bislang an Abkommen.

Die Eskalation im Handelsstreit rückt näher

Wie es aussieht, werden die Europäer in beiden Punkten eine Niederlage kassieren. Die Strafzölle hat Trump zwar noch einmal ausgesetzt, aber die Unsicherheit belastet die Märkte. Sowohl Macron als auch Merkel gehen davon aus, dass es sich nur um einen Aufschub handelt, die Eskalation im Handelsstreit rückt näher.

Das Atomabkommen mit dem Iran wiederum wird Trump wahrscheinlich aufkündigen – mit unabsehbaren Folgen für die Stabilität in der Region. Der Kolumnist Stephen M. Walt, der an der Harvard-Universität Internationale Beziehungen unterrichtet, wirft den Europäern daher Appeasement vor. Trump habe sie ihre „strategische Irrelevanz“ spüren lassen, schreibt Walt in „Foreign Policy“. Doch anstatt ihrerseits hart gegenüber Trump aufzutreten, hätten die Europäer sich unterwürfig verhalten. Dadurch seien sie zu Trumps Komplizen geworden.

Herrscher und Diener, Koch und Kellner – es ist höchste Zeit, dass Macron und Merkel sich aus dieser Lage befreien. Im Unterschied zu jenen Hurra-Transatlantikern, die das Heil allein in einer drastischen Erhöhung des deutschen Wehretats sehen, wissen sie auch, was sie tun müssen. Macron hat vor dem EU-Parlament in Straßburg gewarnt: „Die illiberale Faszination wird jeden Tag größer. Die Antwort darauf ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern Autorität durch Demokratie.“ Außerdem hat der französische Präsident Ziele benannt, die Euro-Zone mit eigenem Haushalt, eigenem Finanzminister und einer Bankenunion zu vertiefen.

"Europäer sind zu Trumps Komplizen geworden"

Merkel wiederum hat nach der Wahl Trumps erkannt, dass die Europäer ihr Schicksal verstärkt in die eigenen Hände nehmen müssten. Die Zeiten, in denen sich Deutschland auf andere – sprich: die USA – verlassen konnte, seien „ein Stück weit vorbei“. Es ist die letzte Amtszeit der Bundeskanzlerin. Von der Regierung in Paris hat sie stets Reformen verlangt, die Macron nun mutig angeht. Sowohl ihre eigene Analyse der Situation als auch der missliche Zustand, in dem sich die Europäische Union befindet – Brexit, Italiens Chaos, Katalonien-Krise, illiberale Tendenzen in Polen und Ungarn – lassen ihr keine Wahl: Macron, die EU und die Wehrhaftigkeit der liberalen Demokratien müssen ihr wichtiger sein als die Bedenkenträger innerhalb der Union.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Eine Mehrheit im Parlament wäre Merkel sicher. Nach 16 Jahren als Kanzlerin abzutreten und in den Geschichtsbüchern wegen Abwrackprämie, Energiewende und Mindestlohn vermerkt zu werden, wäre ein Armutszeugnis.

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