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Sonne statt Kohle: Aktivisten der Umweltschutz-Organisation Greenpeace tragen rund um den Großen Stern an der Siegessäule ökologisch abbaubare und -waschbare Farbe auf.

© Greenpeace Germany/dpa

Diskursverschiebung: Protest von Nichtregierungsorganisationen muss sich plötzlich legitimieren

NGOs haben den Platz des Guten in der Politik nicht mehr gepachtet. Das gefährdet ihre Existenz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Vor ein paar Wochen hat Greenpeace an der Siegessäule Tausende Liter gelbe Farbe auf die Straße gekippt. Der große Stern war gelb wie die Sonne. Ein tolles Bild! Nur dass sich die Begeisterung diesmal in Grenzen hielt. Autos verdreckten, ausgerechnet Radfahrer und Fußgänger rutschten auf der glitschiggelben Masse aus. Auch Sympathisanten der Nichtregierungsorganisation fragten: Was soll das?

Die Zustimmung zu Greenpeace hat selbst im linksliberalen Milieu Risse bekommen. Das ist ein Symbol eines neuen, tiefer sitzenden Problems: Es geht um das Gute und seinen Platz in der Politik. Weil sich Nichtregierungsorganisationen für das Gute einsetzen, brauchten sie keine demokratische Legitimation, mussten keine Kompromisse machen und genossen in ihrer Sonderrolle fast uneingeschränkte Glaubwürdigkeit.

Zeit der uneingeschränkten Glaubwürdigkeit ist vorbei

Aber das gesellschaftliche Umfeld hat sich nicht nur für Politiker geändert. Auch Nichtregierungsorganisationen operieren in einem neuen Feld. Solange sie die Guten waren, die gegen das weniger Gute zu Felde zogen, fand sich die Politik damit ab, dass die Nichtregierungsorganisationen sich ihren Auftrag – dem Gemeinwohl zu dienen – anmaßten. Um es mit Max Weber zu formulieren: Die Gesinnungsethiker trieben die Verantwortungsethiker vor sich her, zu beiderseitigem Nutzen.

Nun aber müssen die Guten gegen politische Extreme bestehen. Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen provozieren die politisch extremen Parteien, die genau in den Kernbereichen zivilgesellschaftlichen Engagements – Umwelt, Flüchtlinge, Menschenrechte – die politische Skala nach rechts hinausschieben. Das Erreichbare liegt nun ziemlich genau da, wo sich die Parteien der Mitte ohnehin bewegen. Für Organisationen wie Greenpeace ist das verheerend.

Mit mehr Aufwand erreicht Greenpeace weniger

Mit mehr Aufwand erreichen sie weniger als zuvor, ihre Aktionen werden gleichzeitig schriller und unspezifischer. Gelbe Farbe auszukippen, ist verglichen mit der Besetzung einer Ölplattform eigentlich unspektakulär. Dass aber diese Aktion selbst bei der grünen Mitte auf Unverständnis stößt, zeigt, wie sehr sich der Diskurs bereits verschoben hat.

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