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Alle an einem Tisch? Wohl noch zu selten. Am Arbeitsplatz fühlen sich Angehörige ethnischer Minderheiten am meisten diskriminiert.

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Diskriminierung in Europa: Schwarze in Deutschland stärker benachteiligt

Der zweite Diskriminierungsbericht der Europäischen Grundrechte-Agentur ist ernüchternd: In zehn Jahren hat sich praktisch nichts geändert.

Schwarze Menschen sehen sich in Deutschland noch öfter Herabsetzung und Gewalt ausgesetzt als im übrigen Europa. Das ist eines der Ergebnisse der jüngsten Untersuchung, mit der die Europäische Grundrechte-Agentur (FRA) Diskriminierungserfahrungen von Minderheiten in den 28 Mitgliedsstaaten der EU abgefragt hat. Während im europäischen Durchschnitt ein knappes Viertel (24 Prozent) der Menschen mit einem Familienhintergrund im Afrika südlich der Sahara von solchen Erfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten berichtet, klagen darüber ein Drittel (33 Prozent) von ihnen, die in Deutschland leben.

Den höchsten Wert verzeichnet Luxemburg, dessen schwarze Bevölkerung zur Hälfte angibt, schlechter behandelt, beleidigt oder gar attackiert worden zu sein. In Großbritannien, der EU-weit niedrigste Wert, sagen dies nur 15 Prozent. Menschen mit türkischem Hintergrund beklagen sich in Deutschland dagegen deutlich seltener über Diskriminierung (18 Prozent) als etwa in den Niederlanden, die mit 39 Prozent den Spitzenwert verzeichnen, oder auch in Österreich mit 28 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei 20 Prozent.

Am schlechtesten behandelt Europa Afrikaner und Roma

Die Studie unter dem Kürzel "EU-Midis II" (European Union Minorities and Discrimination Survey) ist die leicht erweiterte Wiederholung von Midis I, die die Grundrechte-Agentur bereits vor zehn Jahren erhob und veröffentlichte. Man wolle damit über die Jahre dauerhaftere Erkenntnisse gewinnen, sagte Rossalina Latcheva, die in der Abteilung für Umfragen und Statistik der Agentur arbeitet und die deutschen Ergebnisse am Dienstag in Berlin vorstellte. Neben Verbesserungen oder Verschlechterungen will die FRA so auch "Trends" der Diskriminierung feststellen oder herausbekommen, welchen Effekt europäische und nationale Antidiskriminierungsgesetze haben.

Zunächst sind die Erkenntnisse zehn Jahre nach der ersten Studie ernüchternd. Es gibt keine wirklichen Fortschritte. Was Midis II zur Lage herausfinde, sei "deutlich und auf frustrierende Weise hartnäckig" resümiert Michael O'Flaherty, der Chef der in Wien ansässigen EU-Agentur in seinem Vorwort. Er warnt auch vor den Folgen für die Integration von Minderheiten. Diskriminierung, Hass und Gewalt zu erleben, "lässt das Vertrauen der Menschen in staatliche Institutionen schwinden und untergräbt ihr Zugehörigkeitsgefühl zum Land ihres Aufenthalts".

Auch die betroffenen Gruppen sind über ein Jahrzehnt hinweg dieselben geblieben. Wie schon zuvor sahen sich auch diesmal EU-weit Menschen aus Nordafrika, aus der Subsahara und Roma am meisten diskriminiert. Gleiches gilt für die Orte der Ungerechtigkeiten: Demnach sind Diskriminierungserfahrungen am häufigsten auf der Arbeitssuche und am Arbeitsplatz, gefolgt von Problemen auf Wohnungssuche. Hierzu gibt es für Deutschland bereits einige Untersuchungen, die das sehr klar bestätigen.

Es braucht starke Institutionen

Offensichtlich genüge es nicht, Gesetze zu erlassen, die Ungleichbehandlung verbieten, heißt es im Bericht der FRA. Diese Gesetze gibt es in der EU verstärkt seit dem Jahr 2000. In Deutschland wurden einige EU-Vorgaben 2006 im neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt, im selben Jahr entstand auch die unabhängige "Antidiskriminierungsstelle des Bundes", die dessen Umsetzung beobachtet, Betroffene berät, über Diskriminierung aufklärt und Vorschläge dagegen macht.

Christine Lüders, die die Stelle acht Jahre leitete und deren Mandat im April endet, rief am Dienstag dazu auf, die Instrumente zu schärfen, um gegen Ungleichbehandlung vorzugehen. Dazu gehöre es zum Beispiel, engagierte Stellen flächendeckend mit ausreichend Personal auszustatten und qualifizierten Verbänden ein Verbandsklagerecht per Gesetz einzuräumen: "Es darf nicht länger sein, dass jede betroffene Person allein vor Gericht um ihr Recht bei Diskriminierung kämpfen muss."

Dabei scheinen starke Institutionen ein brauchbares Mittel zu sein. FRA-Fachfrau Latcheva berichtete in Berlin, dass etwa in Spanien, dessen Antidiskriminierungsstelle besonders schwach sei - sie ist einem Ministerium untergeordnet und seit zwei Jahren gar nicht mehr aktiv - auch die Bereitschaft, Diskriminierung anzuzeigen und gegen sie vorzugehen, erkennbar gering sei.

Für die Midis-II-Studie wurden 25.515 Angehörige ethnischer Minderheiten in allen 28 EU-Mitgliedsländern befragt. Angesprochen waren Menschen, die sich selbst als Roma definieren oder die selbst oder deren Eltern aus der Türkei, Nordafrika, der Subsahara und Südasien stammten. In Slowenien und Polen befragte die FRA Einwanderer der letzten zehn Jahre, ohne auf die Herkunftsstaaten zu achten. In den baltischen Staaten wurde die russische Minderheit einbezogen.

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