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Prinz Salman, hier im März zu Besuch in London, gibt sich als Reformer.

© AFP

Diplomatische Krise: Warum Kanada im Streit mit Saudi-Arabien alles richtig macht

Saudi-Arabien greift zu harten Maßnahmen gegen Kanada, weil es sich in Sachen Menschenrechten belehrt fühlt. Umso lauter muss die Kritik sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Die Nerven des Kronprinzen liegen blank. Oder Mohammed bin Salman duldet als künftiger Monarch einfach keinen Widerspruch. Oder die saudische Führung um den 32-Jährigen fühlt sich dank des Beistands durch Donald Trump stark genug, um selbst Partner vor den Kopf zu stoßen – sofern sie sich nicht so verhalten, wie es das erzkonservative Königshaus erwartet.

Vermutlich ist es eine Melange aus diesen drei Befindlichkeiten, die jetzt zu einer ernsthaften diplomatischen Krise zwischen Saudi-Arabien und Kanada geführt hat.

Dabei ist der Tweet des Anstoßes zwar klar in der Ansage, jedoch diplomatisch im Ton. Und: Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland drängt mit Blick auf die Festnahme der saudischen Aktivistin Samar Badawi – Schwester des seit 2012 inhaftierten Bloggers Raif Badawi – auf Selbstverständliches: Sie bittet die Behörden in Riad dringend, Samar Badawi und alle anderen friedlichen Kämpfer für Menschenrechte freizulassen. Gut so, recht so!

Freiheit gibt es in Saudi-Arabien nur verordnet

Allein die maßlose Reaktion der Autokraten vom Golf zeigt, dass die Kurzbotschaft einen wunden Punkt getroffen hat. In Saudi-Arabien werden die Menschenrechte tagtäglich mit Füßen getreten. Nur wollen die islamistischen Herrscher nicht an diesen Missstand erinnert, geschweige denn dafür gerügt werden.

Dabei sind Saudi-Arabiens Verfehlungen offenkundig und eklatant. Mehr als 140 Todesurteile wurden Amnesty International zufolge 2017 vollstreckt. Keiner kann seine Meinung frei äußern. Die Justiz geht willkürlich gegen jede Art von Kritik vor. Die sozialen Netzwerke werden strikt überwacht. Jeder im Königreich weiß, was ihm droht, wenn er sich nach Lesart der Machthaber zu kritisch äußert.

Dieser repressive Kurs dient einem Ziel: Der Staat will alles und alle kontrollieren. Abweichler werden nicht geduldet, zivilgesellschaftliche Ansätze unterdrückt. Freiheit gibt es bestenfalls von oben verordnet. Politische Teilhabe? Nicht erwünscht.

Der Kronprinz will die Herrschaft sichern

Da macht der mächtige Prinz keine Ausnahme. Das mag auf den ersten Blick verwundern. Schließlich gibt Mohammed bin Salman den großen Reformer, möchte als solcher gewürdigt werden und in die Geschichte des Nahen Ostens eingehen. Nur: Sein Eifer beschränkt sich darauf, Saudi-Arabiens Wirtschaft für die öllose Zukunft flottzumachen. Das ist lobenswert.

Der Modernisierungsehrgeiz hat allerdings rein gar nichts mit Demokratie und rechtsstaatlichen Prinzipien zu tun. In seiner Welt geht Öffnung nicht mit Offenheit einher. Dem Thronfolger ist vielmehr daran gelegen, seine Herrschaft und die seiner Familie auf Dauer zu sichern. Menschen- und Freiheitsrechte sind dabei arg hinderlich.

Muss das der Westen, muss das Europa im Namen einer erwünschten Partnerschaft klaglos hinnehmen? Er darf es nicht. Saudi-Arabien mag ein nützlicher Verbündeter in der Region sein, ein milliardenschwerer zumal. Doch die Verstöße gegen Grundrechte zu bemänteln, wäre unangebracht. Angebracht ist vielmehr, die Defizite klar zu benennen. Und sich an Kanadas Seite zu stellen.

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