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Stoppsignal an Erdogan: Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) rät als Privatperson von Reisen in die Türkei ab.

© Michael Kappeler/dpa

Diplomatie im Wahlkampf: Außen Minister, innen Gabriel

Persönlich rät der SPD-Politiker von Reisen in die Türkei ab, er will als starker Minister dastehen. Doch wem hilft sein Warnhinweis?

Von Hans Monath

Er sei nur halb so schlimm, wie es in den Zeitungen steht, hat Sigmar Gabriel vor den versammelten Diplomaten gespöttelt, als er Ende Januar aus dem Amt des SPD-Chefs ins Auswärtige Amt wechselte und seine Antrittsrede hielt. Nein, er werde die Außenpolitik nicht zum Instrument der Parteipolitik machen, versprach er.

Inzwischen glauben im Auswärtigen Amt nur noch wenige, dass Gabriel sein Wort halten will. Jüngstes Beispiel: Er rät von Reisen in die Türkei ab. Das klingt wie eine starke Botschaft im Wahlkampf: Der deutsche Außenminister lässt sich von Recep Tayyip Erdogan nichts gefallen und kümmert sich obendrein um die Sicherheit seiner Landsleute. Doch wenn die Türkei so gefährlich ist, wie Gabriel es nahelegt, dann müsste er als Minister eine offizielle Reisewarnung herausgeben lassen.

Womöglich war Gabriel auch geleitet von der Erfahrung, dass Erdogans Regime empfindlich ist für die Drohung mit wirtschaftlichen Nachteilen. Das zeigte nach der Kurskorrektur der deutschen Außenpolitik Ankaras prompte Versicherung, deutsche Investitionen in dem Land seien sicher. Sogar die Liste von angeblicher Terror-Unterstützer, auf der deutsche Firmen standen, wurde sofort wieder einkassiert.

Doch über die Einschränkung deutscher Hermes-Bürgschaften für die Türkei zu reden, ist etwas anderes, als verklausuliert zum Touristen-Boykott aufzurufen. Wenn dieser Appell durchschlägt, trifft er nicht nur die Touristenhochburgen am Mittelmeer, in denen oft liberalere Kräfte als Erdogans AKP dominieren. Gabriel nimmt in Kauf, Erdogan in die Karten zu spielen. Der wird nun erst recht behaupten, Deutschland und Europa wollten die Türken demütigen und kleinhalten. Daraus bezieht der Autokrat vom Bosporus seine Stärke.

In seiner Anfangszeit im Auswärtigen Amt hat Gabriel viele verblüfft: Der als sprunghaft verschriene Politiker kann sich disziplinieren, lange Linien verfolgen, persönliche Interessen denen des Landes unterordnen - so lauteten die Urteile. Doch je näher der Wahltag rückt, umso weniger ist zu spüren von dieser Größe. Der Minister spricht an einem Tag wie ein Chefdiplomat, am nächsten provoziert er wie ein Generalsekretär möglichst viel Krawall. Manchmal auch beides an einem Tag – und das beim gleichen Thema. Die Ungewissheit über den Wahlausgang und die eigene Zukunft scheinen Gabriel umzutreiben, auf vielen Feldern ist er jetzt unterwegs. In den vier Wochen bis zur Wahl kann Gabriel in der Außenpolitik nur noch wenig gestalten, aber viel durcheinanderbringen. Und wenn er nicht aufpasst, schafft er sich als verantwortungsbewusster Außenminister schon vor dem 24. September ab.

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