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Sind Sie die Zukunft des Sudan? Diese Aufnahme von den Protesten 2019 gewann den Wettbewerbe World Press Photo.

© imago images/CTK Photo

Die Zukunft des Sudan: Vom Paria zum Hoffnungsträger

Nach 30-jähriger Militärdiktatur haben die Sudanesen eine Übergangsregierung. Auch Deutschland will mit einer Konferenz die Zukunft des Landes sichern.

Von Hans Monath

Es kommt selten vor, dass europäische Länder, Golfstaaten, die Afrikanische Union (AU) und die USA an einem Strang ziehen, wenn es um die Zukunft eines Krisenstaates geht. Doch in Bezug auf das nordostafrikanische Land Sudan scheint genau das nun der Fall zu sein. Sehr unterschiedliche internationale Akteure unterstützen die im vergangenen Jahr gegründete Übergangsregierung aus Zivilisten und Militärs, die das Land mit seinen rund 40 Millionen Einwohnern verwaltet.

Auch Deutschland gehört zu den Ländern, die zu einer stabilen Entwicklung der arabischen Republik beitragen wollen. Am Donnerstag soll die von Deutschland, dem Sudan und den Vereinten Nationen veranstaltete virtuelle „Sudan Partners Conference“ politische und finanzielle Unterstützung für den Übergangsprozess organisieren. Außenminister Heiko Maas (SPD), VN-Generalsekretär Antonio Guterres, Sudans Premierminister Abdalla Hamdok und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell werden teilnehmen sowie rund 40 Delegationen.

Bis zum vergangenen April galt der Sudan als eine Art Paria der Weltgemeinschaft. Diktator Umar al Baschir, der sich 1989 an die Macht geputscht hatte, wurde vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der Proviz Darfur per Haftbefehl gesucht. Bis zur Abspaltung des Südsudans im Jahr 2011 befand sich das Land im Bürgerkrieg, noch heute kämpfen bewaffnete Milizen in einigen Landesteilen auf eigene Rechnung.

Sudans ehemaliger Präsident Umar al Baschir sitzt im September 2019 in einem Käfig in einem Gerichtsgebäude in Khartum, Sudan.
Sudans ehemaliger Präsident Umar al Baschir sitzt im September 2019 in einem Käfig in einem Gerichtsgebäude in Khartum, Sudan.

© REUTERS/Mohamed Nureldin Abdallah

Trotz brutaler Gewalt und Folter seitens des herrschenden Militärs und der Geheimdienste wuchs der Protest vor allem junger Sudanesen gegen die Unterdrückung und die schlechte Versorgungslage. Das Militär reagierte, setzte al Baschir nach 30-jähriger Amtszeit ab und verhaftete ihn. Bis zum Juli rangen zivile Opposition und Militärführung um die Macht, dann einigten sie sich auf eine von beiden Kräften besetzte Übergangsregierung, die noch zwei weitere Jahre lang die Geschäfte führen soll.

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Während der Aufstand der Jugend in den meisten arabischen Ländern mit Ausnahme Tunesiens keinen Freiheitsgewinn brachte, sondern in Destabilisierung oder neue Unterdrückung mündete, funktioniert die Machtteilung in Khartum nach Meinung von Beobachtern bislang erstaunlich gut.

Das ist umso bemerkenswerter, als sich die Hoffnungen der Protestierer auf eine Verbesserung ihrer miserablen Lebensumstände bislang nicht erfüllte. Mehr als 60 Prozent der Sudanesen leben weiter in Armut, obwohl ihr Land über Bodenschätzen wie Erdöl, Eisen, Gold und Uran verfügt.

Fonds zur Unterstützung von armen Familien geplant

Die Konferenz am Donnerstag soll nicht nur international sichtbare politische Unterstützung für den sudanesischen Übergangsprozess organisieren, sondern auch Zusagen von Gebern für eine bessere Zukunft des Landes sammeln. Geplant ist ein Fonds, aus dem arme Familien im Sudan unterstützt werden sollen, nach längeren Verhandlungen sind auch die Weltbank und der Internationale Währungsfonds im Boot.

Der dringend notwendigen Erholung der Wirtschaft steht allerdings ein großes Hindernis entgegen. Die USA haben das Land nach den Anschlägen auf ihre Botschaften in Nairobi und Daressalam im Jahr 1998 auf die „State Terrorism List“ gesetzt, was finanzielle Transaktionen oder gar Investitionen in den Sudan unmöglich machte.

Sudanesische Demonstranten schwenken Nationalflaggen auf einem Zug am 23. April 2019 in Khartum, Sudan.
Sudanesische Demonstranten schwenken Nationalflaggen auf einem Zug am 23. April 2019 in Khartum, Sudan.

© AFP/Ozan Kose

Die USA arbeiten nun an einer Aufhebung der Entscheidung, doch dieser Prozess ist mühsam. Zudem gilt das Ausmaß der Korruption im Sudan als endemisch. Er gehört zu den korruptesten Ländern der Erde.

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Im Vorfeld der Konferenz forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dringend Reformen ein. Nach einem Jahr Wandel gebe es „zu wenige Fortschritte, was die Justiz und entscheidende Reformen angeht“, mahnte eine HRW-Vertreterin. Gewalttaten an regimekritischen Demonstranten blieben ungestraft.

Menschenrechtsverbrecher übten wichtige Ämter aus. Dem zweiten Vorsitzenden des Übergangskomitees, Mohamed Hamdan Dago, etwa würden Kriegsverbrechen in Darfur vorgeworfen. Angesichts der insgesamt positiven Entwicklung ist nicht zu erwarten, dass die internationale Gemeinschaft ihre Hilfe an konkrete Fortschritte bindet. Eine Konditionierung sei nicht das richtige Signal, hieß es. An der Konferenz nimmt Dago nicht teil.

Wie wichtig Khartum das internationale Treffen nimmt, zeigt sich daran, dass Premierminister Hamdok die Konferenz vom Donnerstag die bisher wichtigste seiner Amtszeit nannte.

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