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Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), und der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf einem Archivbild.

© imago images / photonews.at

Die wichtigsten Figuren im Ibiza-Skandal: Wer hat Österreichs Regierung zum Einsturz gebracht?

Der Ibiza-Skandal hat zum Zusammenbruch der Koalitionsregierung in Österreich geführt. Wer in dem Ränkespiel welche Rolle spielt. Eine Auflistung.

DER GETRIEBENE

So also sieht Sebastian Kurz aus, wenn er die Kontrolle verliert: wie immer. Gefasst steht der österreichische Bundeskanzler am Montag um 18.30 Uhr vor der Presse, nach vielen Stunden des Zögerns und Abwartens. Kurz, der sich selbst zugutehält, auch unangenehme Entscheidungen zu fällen, hat endlich eine Entscheidung getroffen. Er habe Präsident Alexander van der Bellen Kickls Entlassung „vorgeschlagen“, sagte Kurz. Damit ist klar: Die Koalition seiner ÖVP mit der rechtspopulistischen FPÖ ist am Ende.

Kickl war zum Zeitpunkt der Videoaufnahme Generalsekretär der FPÖ und verantwortlich für den Wahlkampf und müsste nun als Innenminister quasi gegen sich selbst ermitteln. Doch Kurz scheute zunächst den endgültigen Bruch mit der FPÖ, die gedroht hatte, alle ihre Kabinettsmitglieder aus der Regierung abzuziehen, falls Kickl gefeuert würde. In einer Pressekonferenz am Mittag redet Kurz stattdessen über die Europawahl, warnt vor einem Linksruck und preist abermals die Arbeit der Koalition. Fragen lässt er nicht zu, verlässt eilig die Pressekonferenz. Er wollte offenbar die Deutungshoheit behalten über einen Prozess, in dem er doch ein Getriebener der FPÖ war.

Was das für die Neuwahlen im September bedeutet, ist noch unklar. Doch mit jedem Zögern wurde ein Szenario unwahrscheinlicher, das Kurz’ Fans sogleich gezeichnet hatten: dass das politische Wunderkind Kurz die ÖVP nach dem Vorbild von Ole von Beust in Hamburg nach dem Skandal zum Triumph führen könnte. Von Beust war seinerzeit von seinem rechtspopulistischen Koalitionspartner Ronald Schill erpresst worden, wagte den kompletten Bruch und holte für die CDU bei den anschließenden Wahlen die absolute Mehrheit. Nach langem Zögern scheint Kurz jetzt denselben Plan zu verfolgen.

DER WIDERSPENSTIGE

Sebastian Kurz war ersichtlich sauer auf seinen Innenminister. Er wirft Herbert Kickl mangelndes Problembewusstsein in der „Ibiza-Affäre“ vor. Eines war klar: Sollte die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen gegen die FPÖ-Spitze beginnen, müsse Kickl seine Posten räumen, sagte Kurz bereits zuvor der Zeitung „Kurier“: „Klar ist, dass Herbert Kickl nicht gegen sich selbst ermitteln kann.“ Dass er einen Skandal unbeschadet überstehen kann, zeigte Kickl allerdings einmal: in der „BVT-Affäre“ im vergangenen Jahr.

Der Innenminister von Österreich Herbert Kickl (FPÖ).
Der Innenminister von Österreich Herbert Kickl (FPÖ).

© dpa/Kay Nietfeld

Damals drangen Polizisten illegalerweise ins Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ein und verschafften sich Zugang zu hochsensiblen Daten. Seither hielten befreundete Geheimdienste die österreichischen Behörden und speziell das Innenministerium nicht mehr für vertrauenswürdig, kritisierte die Opposition. Kickl zeigte sich unbeeindruckt. Er blieb gelassen – und auf dem Posten des Innenministers.

DER WAHRSAGER

Jan Böhmermann – dieser Name wird unaufhörlich genannt, seit die Ibiza-Affäre öffentlich wurde. Steckt der TV-Moderator hinter dem heimlich gedrehten Video, war er in irgendeiner Weise daran beteiligt? Fakt ist, dass Böhmermann schon gut einen Monat vor ihrem Bekanntwerden von den kompromittierenden Aufnahmen wusste. Mitte April, bei der Verleihung des österreichischen TV-Preises „Romy“, machte er Andeutungen dazu, die damals noch keiner verstand.

Seinen Preis könne er nicht persönlich abholen, weil er „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge“ und darüber verhandle, wie er die „Kronen-Zeitung“ übernehmen könne, teilte Böhmermann damals per Videobotschaft mit. Und offenbar kannte er auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung durch „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ ganz genau. „Kann sein, dass morgen Österreich brennt“, orakelte er exakt einen Tag vorher via Youtube.

Hat sich zum Geschäftsmodell entwickelt: der Berufssatiriker Jan Böhmermann
Hat sich zum Geschäftsmodell entwickelt: der Berufssatiriker Jan Böhmermann

© dpa

Seither hüllt sich der Satiriker in bedeutungsschweres Schweigen. Eine an der Recherche beteiligte Journalistin der „Süddeutschen“ will wissen, dass Böhmermann das Video auch zugespielt bekommen, es aber abgelehnt habe, „weiterzurecherchieren beziehungsweise etwas daraus zu machen“. Böhmermanns Manager Peter Burtz dagegen versichert, dem Moderator seien keine Aufnahmen offeriert worden – weshalb er sie auch nicht habe ablehnen können. Woher er dann davon wusste? Keine Antwort.

Aber auch das scheint zu Böhmermanns Spiel zu gehören. Der 38-Jährige, dem man seit seinem Schmähgedicht auf Erdogan und seiner Satire um den ausgestreckten Mittelfinger eines griechischen Finanzministers so ziemlich alles zutraut, nutzt das Rätselraten, um sich und sein „Neo Magazin Royale“ bei ZDFneo kräftig zu promoten.

Per Twitter machte er jetzt neue Andeutungen. Für diese Woche habe er „ein kleines Special vorbereitet“. Verlinkt ist auch ein Countdown, der am 22. Mai um 20.15 Uhr abläuft. Ob und was er dann in Sachen Strache-Video kundzutun gedenkt? Sein Geheimnis.

DER VERMITTLER

Aus dem Skandal-Video hat Johannes „Joschi“ Gudenus bislang die härtesten Konsequenzen von allen Beteiligten gezogen. Er hat nicht nur sein Amt als FPÖ-Klubmann, den Fraktionsvorsitz im Nationalrat, abgegeben, sondern auch „mit sofortiger Wirkung“ den Parteiaustritt vollzogen. Sein Parlamentsmandat will der 42-Jährige ebenfalls niederlegen. Gudenus gilt als der Vermittler des Treffens in der ibizenkischen Villa, bei dem auch seine aus Serbien stammende Frau Tajana dabei war.

Der gebürtige Wiener, der während des Jurastudiums in Moskau Russisch gelernt hat, ist international gut vernetzt. Anfang dieses Monats holte ihn AfD-Chef Jörg Meuthen als Wahlkampfhelfer nach Pforzheim. Vor Jahren hat sich Gudenus um die FPÖ-Auslandsbeziehungen gekümmert – von den Rechtsextremisten der ungarischen Jobbik-Partei bis zu Putins „Einiges Russland“.

Der frühere Wiener Vize-Bürgermeister Johann Gudenus (links) und der langjährige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Enge Vertraute: Der frühere Wiener Vize-Bürgermeister Johann Gudenus (links) und der langjährige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

© Herbert Neubauer/APA/dpa

Ende der 90er wurde Gudenus mit 19 Jahren jüngster Bezirksrat der Stadt Wien, es folgten Mandate für den Wiener Landtag und das österreichische Nationalparlament. In der Szene aus „Freiheitlichen“, Rechtsradikalen und Burschenschaften ist Gudenus tief verwurzelt.

Wie sein Förderer Strache gehört er der Wiener Studentenverbindung „Vandalia“ an. Gudenus’ Vater John, ein 2016 verstorbener Holocaustleugner, war lange FPÖ-Abgeordneter. Dass Gudenus junior dem Milieu nach der Ibiza-Affäre nun den Rücken kehren wird, ist deshalb eher unwahrscheinlich.

DER ANGEBER

Österreichs Kanzler hat es klargestellt: Womöglich erwarten den zurückgetretenen Vizekanzler Hans-Christian Strache strafrechtliche Konsequenzen. Dies hat jetzt die Staatsanwaltschaft zu prüfen. In dem Gespräch bot er die Vergabe staatlicher Aufträge an, wenn Geld an die FPÖ fließen sollte.

Dergleichen ist in Österreich wie in Deutschland als Korruption strafbar. Wer etwa als Amtsträger einen „ungebührlichen Vorteil“ annimmt, um sich dadurch in seiner Tätigkeit beeinflussen zu lassen, kann laut österreichischem Strafgesetzbuch mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Allerdings war Strache damals noch nicht Vizekanzler, war also nicht eindeutig Amtsträger im Sinne des Gesetzes.

Greifbar werden Konsequenzen auch im Fall der Andeutungen, es gebe ein Spendensystem, das es möglich mache, der FPÖ über einen gemeinnützigen Verein verdeckt Zahlungen zukommen zu lassen. Ohne „Meldungen an den Rechnungshof“. Nach Paragraf 6 des österreichischen Parteiengesetzes gibt es für gemeinnützige Einrichtungen ein ausdrückliches Parteispendenverbot.

Unzulässige Spenden sind von der Partei unverzüglich, spätestens mit Einreichung des Rechenschaftsberichts für das betreffende Jahr, an den Rechnungshof weiterzuleiten. Hat eine Partei dennoch eine solche Spende angenommen, ist laut Paragraf 10 über sie eine Geldbuße je nach Schwere des Vergehens bis zum Dreifachen des erlangten Betrags zu verhängen. Eine individuelle strafrechtliche Sanktion für Strache ist dies jedoch nicht.

DER LOCKVOGEL

Die vermeintlich vermögende, auch über einen lettischen Pass verfügende Russin, die Strache auf Ibiza trifft, ist ihm den Berichten zufolge als „Aljona Makarowa“ vorgestellt worden: Nichte von Igor Makarow, einem Putin nahestehenden russischen Oligarchen. Den gibt es wirklich, allerdings hat er keine Nichte. Es sei weithin bekannt, „dass ich ein Einzelkind war und deshalb keine Nichten habe“, sagte er den Medien.

Er kenne die Frau nicht. Das Vermögen Makarows, der im Gas- und Ölsektor tätig ist, wird auf umgerechnet knapp zwei Milliarden Euro geschätzt. Er prüfe jetzt rechtliche Schritte, um zu klären, wer seinen Namen missbraucht hat.

Was für ein Treffen: Heinz-Christian Strache (rechts) und Johann Gudenus mit der vermeintlichen Oligarchin.
Was für ein Treffen: Strache (rechts) und Gudenus mit seiner Frau. Die vermeintliche Oligarchin ist nicht im Bild.

© -/Spiegel/Süddeutsche Zeitung/dpa

Die blonde Frau, die auf dem weitverbreiteten Video-Screenshot rechts neben Heinz-Christian Strache sitzt, ist nicht besagte Dame, sondern die serbischstämmige Ehefrau von Johann Gudenus, Tajana Gudenus, seit 2016 mit ihm verheiratet und Mutter seiner Tochter.

Die angebliche Geldgeberin wiederum ist in einem von der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Videoausschnitt lediglich für wenige Sekunden zu sehen, als sie in einem kurzen schwarz-grünen Brokatkleid drei Stufen hinunter- und in den Raum tritt. Ihr Gesicht ist verpixelt, offenbar trägt sie einen blonden Pferdeschwanz, eine voluminöse Uhr und breiten Armschmuck.

„Bist du deppert, die ist schoarf“, sagt Strache an jenem Abend über die Gesprächspartnerin, die seinem Glauben nach eine Viertelmilliarde Euro – wohl nicht rechtmäßig erworbenen Geldes – in Österreich investieren will.

Laut der Wiener Wochenzeitung „Falter“ hat Strache jedoch zumindest zwischenzeitlich einen Verdacht: „Falle, Falle, eine eingefädelte Falle“, flüstert er Gudenus an einer Stelle zu. Demnach alarmieren ihn die Fußnägel der vermeintlichen Investorin: Eine Russin dieser Liga habe keine schmutzigen Fußnägel. Gudenus beruhigt seinen damaligen Parteichef: Das sei keine Falle, er habe alles abgeklärt. Auch Gudenus’ Frau selber soll im Verlauf des Abends einmal fragen, ob es sich um eine Falle handeln könnte.

DAS LIEBLINGSOPFER

Den Unternehmer Hans Peter Haselsteiner, 75, Miteigentümer und langjähriger Chef des Baukonzerns Strabag, erwähnt Strache im Ibiza-Video, als die Rede auf Staatsaufträge kommt, die er der vermeintlichen Oligarchennichte zuschanzen werde. „Den Haselsteiner will ich nicht mehr.“ Und: „Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr.“

Haselsteiner, der den Strabag-Vorstandsvorsitz im Jahr 2013 abgab, reagierte am Sonnabend, einen Tag nach Bekanntwerden des Videos: Im Gespräch mit der österreichischen Zeitung „Der Standard“ kündigt er an, „alle Aufträge des vergangenen Jahres, die wir verloren haben“, genau zu analysieren.

Besonders genau werde er prüfen, was bei der Westbahn geschehen ist, einer privaten Konkurrentin der staatlichen Eisenbahngesellschaft ÖBB, an der Haselsteiner 49 Prozent der Anteile hält. „Bei der Westbahn ist die Möglichkeit der Einflussnahme durch den Verkehrsminister, der auch Eigentümervertreter der ÖBB ist, viel größer als bei der Strabag“, sagte Haselsteiner. Verkehrsminister ist der FPÖ-Mann Norbert Hofer.

2018 beschäftigte die Strabag weltweit rund 75000 Mitarbeiter, 11000 davon in Österreich. Die Bauleistung in Österreich betrug 2,5 Milliarden Euro.

Der Regierungswechsel im Jahr 2017 sei für den Konzern „nicht sonderlich spürbar“ gewesen, es sei staatlicherseits auch nicht einfach, in Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge einzugreifen. „So ein Eingriff müsste schon sehr subtil geschehen sein, sodass wir nichts merken und daher keinen Einspruch einlegen“, sagte Haselsteiner. Dass sich sein „politisches Engagement so auswirkt“, könne er nicht zulassen. „Ich will nicht, dass meine politische Überzeugung und meine Aktivitäten dem Unternehmen schaden.“

Von 1994 bis 1998 saß Haselsteiner für die Partei Liberales Forum im Nationalrat, die er zugleich mitfinanzierte – so wie heute die daraus hervorgegangene liberale Partei Neos.

DER NACHFOLGER

Die Umfragen vor der Europawahl, darin sind sich Österreichs Meinungsforscher einig, könne man jetzt „wegwerfen“. Zuletzt hatte die FPÖ dort bei 23 Prozent gelegen, ein Absturz unter die 20-Prozent-Marke erscheint möglich, koalitionsfähig ist die Partei ohnehin nicht mehr. Wie es nach dem Rücktritt von FPÖ-Chef Strache mittel- und langfristig weitergeht, lässt sich nur schwer prognostizieren – und hängt vor allem von Straches Nachfolger Norbert Hofer ab.

Hofer – 48 Jahre alt, Vater von vier Kindern, gelernter Flugingenieur, Ehrenmitglied der deutschnationalen Burschenschaft Marko-Germania – stellte mit seiner höflichen Art bislang einen Kontrast zum polternden Strache dar, der „Standard“ nennt ihn die „lächelnde blaue Allzweckwaffe“.

Norbert Hofer, der designierte FPÖ-Vorsitzende nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache
Norbert Hofer, der designierte FPÖ-Vorsitzende nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache

© dpa/Georg Hochmuth

Inhaltlich vertritt auch Hofer radikale Positionen. Ein „Nationalist“ will er zwar nicht sein, der Begriff „Patriot“ gefällt ihm besser. In der Vergangenheit hat Hofer aber betont, Österreich „gegen die neue Völkerwanderung“ verteidigen zu wollen, Migranten bezeichnete er als „Invasoren“. Hofer, passionierter Sportschütze und stolzer Besitzer einer Pistole der Marke Glock, trug schon die blaue Kornblume am Revers – früher ein Erkennungszeichen der Nationalsozialisten in Österreich.

Als sich Norbert Hofer 2016 um das Amt des Bundespräsidenten bewarb, nannte er seinen Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen einen „grünen faschistischen Diktator“. Am Ende unterlag Hofer dem heutigen Staatsoberhaupt knapp, nur 31000 Stimmen fehlten ihm in der Stichwahl zum Sieg.

Im Nationalrat sitzt Hofer für die FPÖ seit 2006, in der Regierungskoalition mit der ÖVP ist er seit 2017 Verkehrsminister. In dieser Funktion plante er zuletzt, das Tempolimit auf Österreichs Autobahnen auf 140 km/h heraufzusetzen.

Zuletzt eilte Hofer seinem erklärten Lieblingskünstler Odin Wiesinger zu Hilfe. Der Maler sollte Mitglied des oberösterreichischen Landeskulturbeirates werden, nominiert von der FPÖ. Die Nominierung stieß auf heftige Kritik: Wiesinger benutzt deutschnationale und kriegsverherrlichende Motive und hat Werke für rechte Medien beigesteuert, eine seiner Bilderserien trägt den Titel „Endsieg“.

Im Internet war er zudem mit frauenfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Hofer verteidigte Wiesinger und empfahl, sich von einem Menschen selbst ein Bild zu machen. Letztlich verzichtete Wiesinger auf eine Kandidatur, in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Profil“ drohte er aber noch seinen Kritikern: „Euch merke ich mir, und irgendwann seid ihr dran.“

Norbert Hofer hat nun einen „guten Wahlkampf“ angekündigt, „im respektvollen Miteinander“ mit der ÖVP. Von seinem langjährigen Weggefährten Strache hat er sich eindeutig distanziert, ohne die lauten Töne des bisherigen Parteichefs wird die FPÖ aber kaum auskommen, wenn sie ihre Stammwähler nicht verprellen will.

Eigentlich liebäugelte Hofer weiterhin mit dem Amt des Bundespräsidenten, 2022 wollte er sich erneut zur Wahl stellen. Jetzt muss er sich erst einmal darum kümmern, seine angeschlagene Partei neu aufzustellen.

DER VERDÄCHTIGTE

Sein Name fiel schnell. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz erwähnte ihn. Genauso wie Heinz-Christian Strache in seiner Rücktrittsrede: Das Ibiza-Video sei eine „Schmutzkübel- und Desinformationskampagne“, an Niederträchtigkeit nicht zu übertreffen und geführt in Manier eines Tal Silberstein. Bei der Erwähnung dieses Namens zuckt das politische Wien.

Silberstein, Jahrgang 1969, ist ein israelischer, international tätiger Politikberater, der in der Vergangenheit für die SPÖ arbeitete. Im Jahr 2006 verhalf er Alfred Gusenbauer zu einem überraschenden Sieg über den damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel von der ÖVP. Im Parlamentswahlkampf 2017 engagierte ihn auch Kanzler Christian Kern.

Silberstein, Experte für sogenanntes „dirty campaigning“, Negativkampagnen, startete auf Facebook eine solche Hetzkampagne gegen Kerns Herausforderer Sebastian Kurz. Österreichische Zeitungen deckten dies auf. Dass Christian Kern von alldem nichts gewusst hatte, wie Silberstein sich zu beeilen sagte, half dem nichts.

Er verlor die Wahl – und die „Silberstein-Affäre“ ging in die politische Geschichte des Landes ein. Nun, da erneut ein Politiker mit fragwürdigen Methoden bloßgestellt wird, ist Tal Silberstein der Erste, an den viele denken. Vielleicht auch, weil die Aufnahme der Ibiza-Videos aus dem Zeitraum des letzten Wahlkampfs datiert, Sommer 2017.

Der langjährige SPÖ-Berater Tal Silberstein sitzt am 2017 im Gericht in Rishon Lezion (Israel).
Der langjährige SPÖ-Berater Tal Silberstein sitzt am 2017 im Gericht in Rishon Lezion (Israel).

© Gideon Markowicz/dpa

Tal Silberstein gilt als brillanter Analytiker, der Wahlentscheidungen auf der Grundlage von Daten nahezu exakt vorhersagen könne. Die Liste seiner Klienten liest sich illuster. Ehud Barak ist darunter, Julia Timoschenko und für kurze Zeit wohl auch Benjamin Netanjahu. Reportern des österreichischen Magazins „Profil“ gibt er im Januar 2016 eines seiner seltenen Interviews.

Silberstein erscheint ihnen als „ein gewinnender Typ; lässiges Auftreten; verbindlicher Ton; scharfer Verstand; Tee statt Kaffee, Sneaker statt Budapester“. Und doch vermittelte er ihnen „rasch den Eindruck, als sei er einer, der nicht immer nur Spaß verstünde“.

Der verheiratete Familienvater Silberstein wirkt auf die Reporter im zweistündigen Gespräch nicht so, als definiere er sich über das Bedürfnis, geliebt zu werden. Silberstein ist bekannt für seinen harschen Umgangston, ein berühmtes Zitat von ihm lautet angeblich: Es gibt keine Demokratie in Kampagnen.

Tal Silberstein selbst äußerte sich gar nicht. Offenbar befindet er sich derzeit in Israel. Kurz nach dem Aufnahmedatum des Videos wurden er und der Diamantenhändler Benny Steinmetz in Israel verhaftet und anschließend unter Hausarrest gestellt – es geht um Geldwäsche in Milliardenhöhe. Gemeinsam sollen sie außerdem den Präsidenten von Guinea bestochen haben. Die SPÖ brach den Kontakt ab.

DIE KRONE

„FPÖ am Ende!“ – so titelte die „Kronen Zeitung“ einen Tag nach Bekanntwerden des Skandal-Videos aus Ibiza. In großen Lettern war zu lesen: „Wie die ,Krone‘ gekauft werden sollte. Geheimes Video deckt Komplott auf“. Die „Krone“, das ist Österreichs größtes Boulevardblatt, in jeder Trafik (deutsch: Kiosk) erhältlich und mit einer Reichweite von mehr als 2,5 Millionen Lesern eine echte Macht im Land.

Die wollte sich Heinz-Christian Strache zunutze machen, als er der angeblichen Oligarchin aus Russland riet, das Blatt zu übernehmen. „Die ,Kronen Zeitung‘ wär’ für uns alle gut, für Sie geschäftlich, für uns politisch“, sagte Strache. Man müsse nur ein paar Mitarbeiter absetzen („Drei, vier Leute rein, drei, vier raus, zack“), dann könne die Redaktion der FPÖ zum Wahlsieg verhelfen.

Aktuell hält die „Kronen“-Gründerfamilie Dichand die Hälfte der Anteile an der Zeitung. Den Rest teilen sich die Funke-Mediengruppe und Karstadt-Eigentümer René Benko.

Über Missachtung seitens der „Krone“ dürften sich die österreichischen Rechtspopulisten eigentlich nicht beklagen. Regelmäßig pusht die Zeitung genau die Themen, mit denen die FPÖ Stimmung macht – das „systematische Bedienen von Vorurteilen“ nannte es die österreichische Liberalen-Politikerin Heide Schmidt. Die Nähe zu einzelnen Parteien weisen die Macher der „Krone“ aber weit von sich.

„Unabhängigkeit“ steht ganz groß auf der Webseite der Zeitung. Mut und Haltung werde die Zeitung auch weiterhin behalten – und die Mächtigen kritisieren, kündigte am Samstag der Kommentator „Aurelius“ an. Dahinter vermuten viele Herausgeber und Chefredakteur Christoph Dichand, dessen Vater Hans Dichand, der Gründer der Zeitung, bereits unter diesem Pseudonym schrieb. Die „Krone“ bleibe „einzig ihren Lesern verpflichtet“, heißt es in dem Kommentar. „Allen Gewalten zum Trotz!“

In der Redaktion der „Krone“ wurden Straches Pläne zur Übernahme als Attacke angesehen. Jetzt hat sich das Blatt auf die FPÖ eingeschossen, dreht die Geschichte um Ibizagate immer weiter. Sogar in die berüchtigte Ferienwohnung auf Ibiza hat die „Krone“ inzwischen eine Reporterin geschickt – und sie auf der „legendären ‚Strache-Couch‘“ fotografiert.

DIE MILLIARDÄRIN

Als Strache in dem Video angebliche FPÖ-Spender aufzählt, fällt auch der Name der reichsten Frau Österreichs: Heidi Horten. Die 78 Jahre alte Milliardärin, die inzwischen nach ihrem dritten Ehemann Heidi Goess-Horten heißt, liegt mit einem Vermögen von 2,8 Milliarden Euro auf Rang 715 der aktuellen Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt.

In Österreich ist sie sogar die Nummer drei. Ihr großes Vermögen erlangte die gelernte Sekretärin durch Hochzeit mit dem deutschen Kaufhaus-König Helmut Horten, der 1987 starb. Auch die zweite Ehe (1994–98) mit dem französischen Blumengroßhändler Jean-Marc Charmat geriet nicht zum finanziellen Nachteil.

Eigentlich lebt die Mäzenin, Kunstsammlerin und Ehrenpräsidentin des Klagenfurter Eishockeyteams zurückgezogen in ihrer Villa am Wörthersee (oder in Wien oder auf den Bahamas). Umso ärgerlicher muss es für sie sein, durch das Ibiza-Video in die Öffentlichkeit gezogen worden zu sein.

Laut „Süddeutscher Zeitung“ hat Heidi Goess-Horten mitteilen lassen, nicht an die FPÖ gespendet zu haben. Auch nicht an einen zwischengeschalteten Verein, von dem Strache in dem Video spricht. Das österreichische Fernsehen berichtet über Hinweise auf einen Tarnspendenverein für die FPÖ.

Dabei wurde der Verein „Austria in Motion“ genannt. Auch die übrigen von Strache genannten angeblichen Spender – der Immobilieninvestor René Benko, der österreichische Waffenhersteller Gaston Glock und der Glücksspielkonzern Novomatic – haben angebliche Zuwendungen an die FPÖ dementiert.

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