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Donald Trump mit John Bolton (Archivbild)

© Carlos Barria/File Photo/REUTERS

Die US-Außenpolitik nach Boltons Rauswurf: Nun hängt es allein an Trumps Launen

Kriegstreiber Bolton berät nicht mehr den US-Präsidenten. Kein Grund für Erleichterung, denn nun wird die Außenpolitik noch unberechenbarer. Eine Analyse.

Dass die Karriere des amerikanischen Hardliners John Bolton an diesem Dienstag aller Voraussicht nach zu Ende gegangen ist, ist aus europäischer Sicht keine Tragödie. Von internationaler Diplomatie hielt der 70-Jährige nicht viel, die Vereinten Nationen empfand er als schwach und einflusslos, die Europäer als naiv und verweichlicht.

Allzu verbissen drängte er nicht erst als Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump auf Regimewechsel – sei es einst im Irak oder derzeit im Iran und in Nordkorea. Dass sein Chef sich mit dem Diktator aus Pjöngjang zum Handschlag an der innerkoreanischen Grenze traf, lehnte er genauso ab wie jetzt den Plan von Trump, die Taliban nach Camp David einzuladen.

Kriege sind für ihn tatsächlich noch ein Mittel der Politik, ein Instrument, um amerikanische Interessen durchzusetzen, die Interessen der einzigen verbliebenen Supermacht. Vor allem in diesem letzten Punkt ist Donald Trump anderer Ansicht. Und hatte jetzt genug von Boltons Kriegstreiberei.

Der Präsident, der sich einst selbst krankschreiben ließ, um dem Vietnam-Krieg zu entgehen, hegt zwar eine große Bewunderung für alles Militärische. Aber der Geschäftsmann in ihm weiß, dass Militäreinsätze derzeit bei vielen Amerikanern nicht hoch im Kurs stehen. Sie kosten vor allem viel Geld – Geld, das er lieber im Inland ausgeben würde. Für Infrastruktur zum Beispiel, nicht zuletzt für sein Prestigeprojekt, die Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Die Rolle als Weltpolizist lehnen viele Amerikaner ab

Weit mehr Amerikaner als nur Trumps Wähler haben außerdem genug von den nicht enden wollenden Konflikten, aus denen ihr Land sich kaum mehr herauszulösen vermag. Von den Särgen, die aus den Einsatzgebieten zurückgeschickt werden, den vielen Kriegsversehrten, die sich so oft schwer tun, wieder in der Heimat anzukommen.

Die Rolle als Weltpolizist, die Interventionisten wie John Bolton noch immer vorschwebt, ist vielen Amerikanern 18 Jahre nach den Anschlägen auf New York und Washington und dem Beginn des "Krieges gegen den Terror" lästig. Sie finden, ihr Land habe genug getan, zu viele Opfer gebracht. Jetzt solle es sich mal um sich selbst kümmern. Gelobt, auch das ist eine Erkenntnis, werden die USA ja ohnehin selten, egal, was sie tun.

Dieser durchaus verständliche isolationistische Reflex ist in der amerikanischen Geschichte nicht neu – und immer noch sehr gefährlich. Denn das Vakuum, das die Vereinigten Staaten hinterlassen, wird von anderen, weniger demokratisch geprägten Staaten gefüllt werden. Von Russland zum Beispiel, wie es sich in Syrien schon eine Weile beobachten lässt. Oder von China, das seinen Einfluss ohne Rücksicht auf Verluste ausdehnen will.

Trump will mindestens einen Großkonflikt lösen

Dazu kommt ein erratischer und narzisstischer US-Präsident, dem viele unterstellen, in irgendeinem – und egal welchem – Großkonflikt einen Durchbruch erzielen zu wollen, nur um sich als größter Dealmaker aller Zeiten feiern lassen zu können. Größer als der ihm verhasste, weil so viel beliebtere Vorgänger Barack Obama. Und am besten gleich mit einem Friedensnobelpreis belohnt.

Das könnte erklären, warum Trump offenbar tatsächlich plante, die afghanischen Taliban nach Camp David einzuladen, was nicht nur Bolton entschieden ablehnte. Und warum er dem Nordkoreaner Kim Jong Un derzeit fast alles durchgehen lässt.

Im Falle des Irans ist die Situation besonders kompliziert. Bolton, der nicht an die Besserungsfähigkeit des Regimes in Teheran glaubt, drängte Trump, die iranische Regierung zu Fall zu bringen, notfalls mit militärischer Gewalt.

Um ein Haar wäre der Konflikt eskaliert, als Bolton nach dem Abschuss einer US-Drohne im Juni einen Straf-Angriff auf den Iran empfahl. In letzter Sekunde entschied der Präsident sich um. Er hat überhaupt kein Interesse an einer militärischen Eskalation. Sein Ziel ist es hauptsächlich, über wirtschaftlichen Druck zu einem "besseren" Atomabkommen zu kommen – vor allem zu einem besseren, als dies Obama gelungen war.

Kommt es zu einem Treffen mit Irans Führung in New York?

Inzwischen ist Trump sogar bereit, sich ohne Vorbedingungen mit dem iranischen Staatschef Hassan Ruhani zu treffen, wie US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag noch einmal bekräftigte. Bei einem Pressebriefing antwortete er auf die Frage, ob er sich ein Gespräch von Trump mit der iranischen Führung am Rande der UN-Generalversammlung Ende des Monats in New York vorstellen könne: "Sicher."

Dabei hatte Ruhani in der vergangenen Woche ein bilaterales Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten ausgeschlossen. Er forderte, dass zunächst die USA ihre Sanktionen aufheben müssten. Das wiederum ist eher unwahrscheinlich, im Gegenteil: Am Dienstag gab US-Finanzminister Steven Mnuchin neue Sanktionen gegen den Iran und Verbündete des Landes bekannt.

Was also bedeutet Boltons Abgang für die amerikanische Außenpolitik? Zumindest dies: Sie wird noch unberechenbarer werden. Denn umso weniger außenpolitische Experten und Strategen – und das zumindest war Bolton, wenn auch wenig erfolgreich – der Präsident um sich herum versammelt, umso mehr wird er die Dinge selbst in die Hand nehmen. Wird spontan entscheiden, was er in einer Situation für angebracht hält. Denn Trump ist fest davon überzeugt: Er weiß am allerbesten, wie es geht. Widerspruch scheint er immer weniger zu ertragen.

Nein: Boltons Abgang ist keine Tragödie. Aber dass die Außenpolitik der einzig verbliebenen Supermacht nun noch mehr von der Laune eines einzigen Mannes abhängen soll, ist alles andere als ein Grund zur Entspannung.

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