zum Hauptinhalt
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles wundert sich über die Unionskrise.

© AFP/dpa/Bernd von Jutrczenka

Die SPD und Neuwahlen: Nicht schon wieder!

Beschränkte finanzielle Mittel und eine beschädigte Partei: Warum die SPD einen neuen Wahlkampf fürchten muss.

Von Hans Monath

Schockiert, schwer genervt und allmählich am Rande ihrer Geduld – so zeigt sich die SPD angesichts des politischen Dramas, das Horst Seehofer und seine CSU aufführen. Aber treffen die Sozialdemokraten schon Vorbereitungen für eine vorgezogene Bundestagswahl? „Nein“, sagt Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles auf eine entsprechende Frage am Montagmittag nach den Gremiensitzungen: „Vorbereiten tun wir, wenn wir wissen, was ist.“

Doch als schon vor zehn Tagen Berichte über vorsorgliche Wahlkampfbesprechungen im Willy-Brandt-Haus die Runde machten, dementierte die SPD nicht. Stattdessen trat Generalsekretär Lars Klingbeil vor die Kameras und erklärte: „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet.“ Das klang wie das trotzige Lebenszeichen einer Partei, die seit der Bundestagswahl von einer Krise in die nächste getaumelt war und der viele keinen überzeugenden Wahlkampf mehr zutrauen.

„In der öffentlichen Wahrnehmung ist die SPD zum Sanierungsfall geworden“, lautet das Urteil der Expertengruppe, welche die Partei mit der Analyse des Wahldebakels 2017 beauftragt hatte. Die von den Analytikern Mitte Juni vorgelegte Liste schwerwiegender Probleme ist lang. Es geht um organisatorische und inhaltliche Mängel, aber auch um die Unfähigkeit, eine klare, überzeugende Sprache zu finden, die Entfremdung von Führung und Mittelbau der SPD, ein „riesiges Kommunikationsloch“ im Umgang mit Presse und Öffentlichkeit, teils schlechte Regierungspraxis sowie falsche Rücksichtnahme bei der Prägung politischer Botschaften der SPD, die sich durch „Selbstfesselung“ profillos machte.

Mit der Bearbeitung von Widersprüchen ist Nahles nicht weit vorangekommen

Zwar hat Nahles mit dem Umbau der Parteizentrale erste Konsequenzen gezogen. Mit der Bearbeitung der inhaltlichen Widersprüche der Partei, die sie sich vorgenommen hat, ist sie aber noch nicht weit vorangekommen. Die Debatte über die programmatische Neuaufstellung soll erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Es wäre eine beschädigte SPD, die jetzt in den Wahlkampf starten müsste. Und eine, deren finanzielle Mittel seit dem historisch schlechtesten Bundestagswahlergebnis vom vergangenen Herbst beschränkter sind als zuvor.

Der Parteivorstand am Montag beschäftigte sich mit dem Fünf-Punkte-Plan der SPD zur Migration – und nicht mit möglichen Szenarien, wie die Krise gelöst werden oder eskalieren könnte, wenn man Teilnehmern glauben will. Vor der Presse weicht Nahles aus nach der Frage, ob ihre Partei im Ernstfall einen anderen Kanzler oder eine andere Kanzlerin wählen würde, falls Merkel in der Krise ihr Amt aufgeben müsste. Intern gilt die Fortsetzung der großen Koalition ohne Merkel für die SPD aber als kaum vorstellbar.

Eine Einigung von CSU und CDU, darauf legt Nahles Wert, kann die SPD nicht beeinflussen. Sollte die aber stehen, würde die SPD sie selbstständig bewerten wollen. Es gebe „keinen Automatismus“, dass die Sozialdemokraten einen Kompromiss der Schwesterparteien mittragen, warnt die Parteichefin.

Kommt es aber zu Neuwahlen, stellt sich für die SPD sofort die Kandidatenfrage. Nahles rangiert in Umfragen weit hinten, Finanzminister Olaf Scholz ist in den Beliebtheitswerten an Merkel herangerückt. Eigentlich will der Vizekanzler sein Image beharrlich ausbauen – die Berufung käme deshalb für ihn zu früh. Doch das Bedächtige, Besonnene, das Versprechen von Ordnung – womöglich wären diese Markenzeichen des Hamburgers in Zeiten des Chaos ein starkes Argument für seine Partei. Hans Monath

Zur Startseite