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Auf diesen Kopf kommt es an: SPD-Chef Martin Schulz stellt am Montag, 4. Dezember, den Leitantrag für den Parteitag vor.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die SPD und Gespräche über die Regierungsbildung: Wenn es ernst wird, ist es schon Januar

Die SPD will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Martin Schulz verspricht vor dem Parteitag, dass er alle mitnehmen will.

Von Hans Monath

Martin Schulz brachte das Dilemma, in dem er sich befindet, auf einen Satz, der paradox klingt, aber wahrscheinlich stimmt. "Es fällt mir nicht schwer, mich auf die neue Lage einzustellen, weil ich mich auf die neue Lage einstellen muss", sagte der SPD-Chef am Montag nach den Gremiensitzungen. Noch vor zwei Wochen hatten Schulz und die Parteiführung eine große Koalition kategorisch ausgeschlossen. Nun sagte der Vorsitzende, die SPD müsse sich "den großen Herausforderungen stellen" und Stellung beziehen zu Gesprächen über eine Regierungsbildung. Sie müsse eine Güterabwägung vornehmen, bei der es darum gehe, wieviel die SPD in einer Zusammenarbeit mit der Union durchsetzen könne von dem, wofür sie gewählt worden sei.

Drei Tage vor Beginn eines voraussichtlich turbulenten Parteitages hat sich die Lage für Schulz und die Parteiführung am Montag zumindest nicht verschlechtert. Denn Präsidium und Vorstand der SPD billigten einstimmig den Leitantrag für das Delegiertentreffen. Die SPD fühle sich "verpflichtet, in Gesprächen auszuloten, ob und in welcher Form die SPD eine neue Bundesregierung mittragen kann", heißt es in dem Beschluss: "Es gibt für uns keine Vorfestlegung und keinen Automatismus." Schulz hat bislang nicht erkennen lassen, ob er etwa eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung der Union für ebenso stabil und zielführend hält wie eine Neuauflage der großen Koalition.

Die Offenheit in dieser Frage gilt als wichtige Voraussetzung dafür, dass die Mehrheit der Delegierten Schulz und der Parteiführung freie Hand für weitere Gespräche mit der Union gibt. Denn allein der Gedanke an eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses mit der Union löst bei vielen Sozialdemokraten Abwehrreflexe aus. Das Versprechen, auch andere Formen der Zusammenarbeit auszuloten, dürfte auf weniger Gegenwehr treffen. Im Parteivorstand enthielt sich bei der Abstimmung über den Leitantrag mit Katrin Budde aus Sachsen-Anhalt zwar ein Mitglied. Die frühere Landeschefin hatte nach Angaben von Teilnehmern zuvor deutlich gemacht, dass sie persönlich die Entscheidung billige, jedoch der Vorgabe ihres Landesverbands folgen wolle.

Der Parteivorsitzende machte deutlich, dass es auch im besten Falle lange dauern kann, bis seine Partei einer Regierungsbeteiligung zustimmt. Der Verhandlungsprozess soll demnach transparenter ablaufen als etwa die Verhandlungen über die große Koalition vor vier Jahren.

Sofern der Parteitag diese Woche den Leitantrag billige, würden er und Fraktionschefin Andrea Nahles in der kommenden Woche mit CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer reden, um auszuloten, ob Sondierungen sinnvoll seien, kündigte Schulz an. Danach würden Präsidium und Parteivorstand über weitere Gespräche beraten. Ob nach Sondierungsgesprächen Koalitions- oder Kooperationsverhandlungen aufgenommen werden, soll ein kleiner Parteitag, ein Parteikonvent, beschließen. Er dürfte frühestens im Januar zusammenkommen. Sollte tatsächlich ein Vertrag über eine Regierungszusammenarbeit zustande kommen, wird die Basis in einem Mitgliederentscheid das letzte Wort dazu haben. Es gebe keinen Zeitdruck, weil Deutschland eine handlungsfähige geschäftsführende Regierung habe, sagte Schulz dazu.

Die Parteispitze legt in ihrem Beschluss inhaltliche Leitlinien fest, die sich am Bundestagswahlprogramm orientieren Die SPD wolle ein "Maximum" ihrer Forderungen durchsetzen, sagte der Parteichef, einige Punkte seien für die Partei "essentiell". In dem Leitantrag genannt werden unter anderem "konkrete und substanzielle Fortschritte auf dem Weg zu einem sozialen Europa" inklusive einem Investitionshaushalt für die Eurozone und einem Europäischen Währungsfonds, einen Stopp grundlos befristeter Arbeitsverträge, einen Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit, mehr Geld für Bildung, die Stabilisierung des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand, die Bürgerversicherung, mehr sozialer Wohnungsbau und die Freigabe des Familiennachzugs auch für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus.

Den ersten Entwurf des Leitantrags für den Parteitag hatten ausführliche Vorschläge für die organisatorische, personelle und inhaltliche Erneuerung der SPD geprägt. Nach dem Ende der Jamaika-Sondierungen und der Abkehr der Parteispitze vom Kurs der Totalverweigerung findet sich zur Reform der Partei in dem Antrag nur noch ein Satz: "In jedem Fall werden wir die Erneuerung der SPD vorantreiben."

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