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München 1972. Einer der Terroristen im israelischen Quartier.

© dpa

Die Schuld und das Versagen: Opferangehörige von Münchner Olympia-Attentat bleiben Gedenkfeier fern

50 Jahre nach dem Anschlag auf die israelische Mannschaft in München: Die Angehörigen der Opfer bleiben der Gedenkveranstaltung verärgert fern.

Die Veranstaltung hätte Schmerzen lindern sollen, stattdessen wirft sie neues Licht auf einen bitteren, seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt. Zum Gedenken an die Opfer des Olympia-Attentats in München am 5. September 1972, das sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt, ist in Deutschland eine größere Zeremonie geplant. An ihr sollten neben dem israelischen Präsidenten Yitzhak Herzog und weiteren israelischen Vertretern auch Angehörige der Opfer teilnehmen. Doch wie die New York Times diese Woche berichtete, planen die Angehörigen, die Veranstaltung zu boykottieren.

Bei dem Attentat vor 50 Jahren waren acht Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September in das Quartier der israelischen Athleten im Münchner olympischen Dorf eingedrungen, hatten zwei der Sportler ermordet und neun weitere als Geiseln genommen. Damit wollten sie über 200 palästinensische Gefangene aus israelischer Haft freipressen, außerdem einige Häftlinge in anderen Ländern, darunter RAF-Mitglied Ulrike Meinhof.

Der Befreiungsversuch deutscher Einsatzkräfte endete in einem Fiasko. Alle Geiseln wurden getötet, ebenso wie ein deutscher Polizist. Mehrere Geiseln wurden erschossen, die übrigen verbrannten in einem Hubschrauber. Bis heute ist nicht ausgeschlossen, dass womöglich einer der deutschen Beamten einen oder mehrere der tödlichen Schüsse auf die israelischen Sportler abgegeben hat.

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Sicherheitsexperten, Historiker und Angehörige machten den Entscheidungsträgern in den darauffolgenden Jahren etliche schwere Vorwürfe. Die Aktion sei stümperhaft geplant und die Einsatzkräfte nicht adäquat ausgebildet gewesen. Die deutsche Seite habe Hilfsangebote der israelischen Regierung verweigert und später ein gründliches, kritisches Aufarbeiten des Desasters verhindert. Bis heute sind einige Akten, die zum Verlauf der Aktion sowie der Schuldfrage Aufschluss geben könnten, unter Verschluss.

Keiner der Verantwortlichen musste je für die fatal missglückte Aktion Rechenschaft ablegen. Bis heute pochen die Angehörigen der Opfer auf eine offizielle Entschuldigung von Seiten der Bundesregierung – und auf eine höhere finanzielle Entschädigung.

Betroffene lehnen das Angebot ab

Mit der geplanten Veranstaltung hatte die Bundesregierung unter anderem „ungelöste historische Fragen“ adressieren und Raum für eine „klare politische Analyse“ bieten wollen, wie die New York Times aus einem internen Regierungsmemo zitiert.

Außerdem hatte die Bundesregierung den Angehörigen Ende Juli über den deutschen Botschafter in Tel Aviv ein weiteres Entschädigungsangebot vorlegen lassen. Berichten der New York Times zufolge geht es dabei um insgesamt 5,4 Millionen Euro, zusätzlich zu jenen 4,6 Millionen, die die Familien in den Jahrzehnten zuvor bereits erhalten haben sollen.

Doch die Betroffenen lehnten das Angebot ab. Als einen Witz bezeichnet Ilana Romano, die Witwe des ermordeten Gewichthebers Yossef Romano, die vorgeschlagene Summe. Rechtlich stehe ihr „ein Vielfaches“ des angebotenen Betrages zu. Anwälte der Opferfamilien fordern Informationen der New York Times zufolge etwa das 20-Fache.

Die Boykottankündigung der Angehörigen könnte sich auf die Teilnahme der übrigen geladenen israelischen Gäste auswirken. Öffentlich hat sich Israels Präsident Herzog noch nicht festgelegt, ob er für die Zeremonie nach Deutschland reisen wird. Er soll mehrfach mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gesprochen haben, in einem Versuch zu vermitteln.

Das bestätigt auch Ilana Romano. Sie gibt sich überzeugt, dass Präsident Herzog ebenso wie die übrige israelische Delegation dem Boykottaufruf der Familien folgen wird. Eines zumindest scheint jetzt schon klar: Über die Zeremonie wird ein Schatten fallen.

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