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Dass die Erderwärmung an der Sonne liege, behauptete kürzlich AfD-Fraktionschefin Weidel.

© picture alliance/dpa

Die Psychologie des Klimastreits: Warum Leugner leugnen und Ignoranten ignorieren

Populisten setzen auf Einzelinteressen, Klimaschützer haben ein supranationales Anliegen. Das macht sie auf fundamentaler Ebene zu Gegnern. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Auch jetzt, wenn in Madrid die 25. Weltklimakonferenz tagt, geht es wie jedes Mal, parallel um die Frage nach dem Widerstand durch Leugner der Erderwärmung. Was treibt sie eigentlich dazu, gegen den Treibhauseffekt zu wettern? Auffällig an dieser Gruppe ist zunächst deren Geflecht aus Irrationalität und Ignoranz. So wollen Leute, wie der britische Farmer Stuart Agnew von der Brexit-Partei Ukip „als einziges Risiko“ für erhöhte Werte von Kohlendioxid in der Atmosphäre „einen möglichen Vulkanausbruch“ anerkennen. Andere murren, das Klima habe sich „immer schon“ verändert, und fegen die alarmierenden Datenmengen beiseite, die Meteorologie wie Physik liefern.

Leugner fahren pseudowissenschaftliche Argumente auf, sie desavouieren den Protest von Millionen junger Menschen, die sich auf Forschungsdaten berufen, als eine Art Kinderreligion, sie wettern, zetern, spotten und zürnen wie angestochen. Dann wieder wird, sich rational gebend, die Kohle beschworen, die sich mit Kohle machen lässt, als sei der veraltete und endliche Energieträger unverzichtbar für die Arbeitswelt. Dabei ist deren Wandel auf dem Energiesektor längst im Gange. Weltweit sind in den vergangenen Jahren elf Millionen „Green Jobs“ durch Erneuerbare Energien entstanden, 70 Prozent davon in Industrienationen wie China, den USA, Indien und Deutschland. Für den Löwenanteil dieser Jobs sorgt die Sonne. Gratis spendet das Riesenkraftwerk Energie, die nur passend umgewandelt werden muss.

Nach dem Mauerfall wurde das Klima-Thema vergessen

Zu Recht fordert Ursula von der Leyen für die Europäische Union milliardenschwere Programme, um erneuerbare Energien voranzubringen, bessere Landwirtschaft, klügeren Konsum. Und erkannt wurde der Handlungsbedarf bereits vor Jahrzehnten. So bezog sich der Spiegel-Titel „Die Klima-Katastrophe“ vom 11. August 1986 unter anderem auf eine 2000-Seiten starke Studie der Nasa. Seinerzeit begegneten uns als Greenpeace-Aktivisten Sowjetfunktionäre, die davon schwärmten, dass in Sibirien bald Orangenbäume blühen würden. Wenn es so weiter geht! Es ging so weiter.

Der Eiserne Vorhang fiel, das globalpolitische Gefüge wurde durchgerüttelt, und Nationen wie Regionen und Gruppen warfen sich auf die Suche nach „Identität“, einem Abfallprodukt des Kalten Krieges. Das war die Morgendämmerung des aktuellen Populismus. Geforscht wurde zwar weiter, doch das Klima geriet weitgehend aus dem Radar der Öffentlichkeit, bis es nun mit der Generation Greta, mit den Kindern damaligen Öko-Aktivisten – und mit Serien von Wetterdramen – massiv zurückkehrte, viral, global.

Da liegt der Hase im Pfeffer. Denn wo Populisten für nationale, religiöse und andere Partikularinteressen streiten, stört ihre Psyche nichts so sehr, wie die Legitimität und Anziehungskraft supranationaler Anliegen. Was nur gemeinsam zu lösen ist, Hand in Hand, international, das durchkreuzt immer identitäre Pläne. Wenn Forscher aller Kontinente gemeinsam mit der modernen Industrie und einer global um ihre Zukunft kämpfenden Jugend Pläne hegen, wie den weltweit vernetzten Umbau des Energiesektors, dann drohen partikulare Egoismen zu schrumpfen und marginal zu werden.

Von Trump bis AfD - dasselbe Prinzip

Wer also Mauern und Zäune um nationale Schrebergärten ziehen will, der muss in supranationalen Institutionen wie der Europäischen Union seine Gegner orten. Und bei den Klimaschützen erst recht. Da arbeiten ja alle zusammen an einem Ziel, Frauen, Männer, gleich welcher Herkunft und Hautfarbe. Wie soll identitäre Entmischung da eine Chance haben?

Konsequenterweise fordert die AfD das Ende der Energiewende und läuft Sturm gegen den „angeblichen Klimawandel“, um das populärpolitische Klima zu ihren Gunsten anzuheizen. Also mokiert sich Jair Bolsonaro über ökologische Bedenken angesichts brennender Tropenwälder, und wettert Donald Trump, das Pariser Klimaabkommen sei ein „totales Desaster“. Je eindeutiger die Diagnosen der Klimaexperten, desto einigender das Thema – und umso vehementer, umso irrationaler rüsten Populisten auf.

Krachend reiben sich zwei tektonische Platten aktueller Politik aneinander, die identitär-populistische und die wissenschaftlich-kosmopolitische. Wer die Reibung verringern und das Weltklima abkühlen will, braucht Kraft für einen kühlen Kopf.

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