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Deutschlands Mann fürs Heimatliche? Horst Seehofer soll das neue Ministerium für Inneres, Bau und Heimat übernehmen.

© dpa

Die neuen Ministerien: Jetzt sitzt die Regierung auf der "Heimat"

Es ist ein Kampfbegriff der Rechtspopulisten und ein schwammiges Gefühl, jetzt wird ein Ministerium daraus. Wie verwendet die Regierung das Wort "Heimat"? Eine Kolumne.

Sprachlich fällt das Wort „Heimat“ aus dem Register der Bezeichnungen für Ministerien. Es unterscheidet sich von Worten wie „Verteidigung“, „Wirtschaft und Energie“, „Finanzen“, etwa weil es weniger konkret ist. In einem Schreibworkshop für Jugendliche könnte das eine Übung sein: Finde in dieser Liste mit Namen für Ministerien das falsche Wort. Die Antwort: „Heimat“.

Manchmal verweist eine sprachliche Ungenauigkeit oder ein stilistischer Fehler im Kleinen auf viel grundsätzlichere Schwierigkeiten und Widersprüche, die ein Text im Großen hat. Der Staat ist kein Text. Er lässt sich trotzdem lesen. Ministerien tragen Namen, die meistens eine semantische Verbindung zur Verwaltung oder Organisation aufweisen. Es handelt sich also um nüchterne und deshalb „objektiv“ und sogar „unpolitisch“ wirkende Begriffe. Dass es ein Ministerium für „Bildung und Forschung“ gibt, sagt beispielsweise nichts darüber aus, was Bildung oder Forschung den Menschen in diesem Land bedeuten, sondern lediglich, dass es hier Handlungsbedarf gibt.

Anders steht es mit dem Begriff der „Heimat“. Dieser ist stark emotional aufgeladen und steht für die meisten Menschen nicht primär in Verbindung mit Verwaltung und Organisation. Das Wort „Heimat“ wirkt affektiert neben „Bau“ oder „digitale Infrastruktur“. Es triggert bei ganz unterschiedlichen, teilweise unvereinbaren Sehnsüchten und Widerständen. Antiquiert wie es ist, lebt es seltsam zeitgemäß wieder auf, denn es wird gleichzeitig postfaktisch und populistisch verwendet: Es setzt auf eine manipulative Oberflächenstruktur, die von der Leere dahinter ablenkt.

Deutet sich da ein grundsätzliches Problem der Politik an?

Außerdem polarisiert der Begriff – auch das ein Merkmal von Populismus und dem postfaktischen Zeitalter: Die einen erfahren eine Katharsis – wenigstens scheinbar –, weil das Wort mit seiner emotionalen Wirkungskraft die Befriedung von tiefgreifenden Sehnsüchten verspricht und sogar in Vorleistung dafür geht. Die andern fühlen sich provoziert oder gar hintergangen, weil sie anstelle eines rationalen Regierungsprogramms einen ideologischen Begriff vorgesetzt bekommen. All das wäre schon Grund genug, um ein affektiertes Wort aus dem Namen eines Ministeriums zu streichen. Bei dem Wort Heimat geht es noch weiter, denn es ist außerdem zu einem Kampfbegriff der rechtsnationalen Bewegung geworden in den vergangenen Jahren.

Das Argument, dieses Wort dürfe den Rechtsextremen nicht überlassen werden, taugt an dieser Stelle nicht. Denn eine solche Aneignung geschieht nicht durch eine Namensvergabe an Ministerien, sondern durch Politik. Nochmal: Es geht nicht alleine um das Wort „Heimat“, sondern darum, wie die Regierung es verwendet und in welchem Kontext es in dieser Verwendung steht. Der Kontext hier: die Bezeichnung des Innenministeriums, das jetzt das Ministerium für „Inneres, Bau und Heimat“ heißen soll. Mit einem geschäftsführenden Innenminister, der vergangenes Jahr eine Leitkulturdebatte losgetreten hat und einem künftigen Minister, der bekannt ist für den Wunsch nach restriktiver Migrationspolitik. Statt einer Aneignung wird hier – gewollt oder nicht – ein Kampfbegriff übernommen. Und so erzählt ein stilistischer Fehler im Koalitionsvertrag viel über die grundsätzlicheren Probleme der Politik und letztlich der Gesellschaft. Es kommt ja nicht von Ungefähr, dass die Regierungsbildung zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik so zäh verläuft.

Wie wir das Wort privat, in der Literatur oder Wissenschaft verwenden, und was es uns da bedeutet, ist ein anderes Thema.

Deniz Utlu

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