zum Hauptinhalt
Archiv: Rechte Demonstration mit Deutschlandfahnen in Nordrhein-Westfalen.

© Caroline Seidel/dpa

Die Morgenlage aus der Hauptstadt: Die CDU kauft einem Ex-Neonazi das „Ex“ nicht wirklich ab

Abstimmung über Klimapaket +++ CDU Sachsen-Anhalt beschäftigt sich weiter mit Fall Möritz +++ Geprellte Maut-Betreiber fordern Geld

Von Robert Birnbaum

Die wichtigsten Nachrichten aus Politik und Wirtschaft ab 6 Uhr morgens in unserer Tagesspiegel Morgenlage. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen.

Im Bundesrat soll heute das Ergebnis der Vermittlung zum Klimapaket besiegelt werden. Die Mehrheit ist sicher, jedoch erstaunlich knapp. 35 Ja-Stimmen braucht es in der Kammer, in der die Bundesländer je nach Größe zwischen sechs und drei Stimmen haben. Beim gestrigen Zählappell kamen gerade mal 36 beisammen. Neben Landesregierungen, in denen die FDP ihr Veto eingelegt hat, wollten die Kenia-Koalitionen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht mittun. Deren CDU-Regenten Michael Kretschmer und Rainer Haseloff sind sauer, dass das Gesetz zum Kohleausstieg auf sich warten lässt. Ihr Klima-Streik im Bundesrat macht das Gesetz zwar nicht schneller. Aber in den Braunkohlerevieren kommt die trotzige Protestpose womöglich gut an.

Kretschmer hat ohnehin gerade keine Zeit für Berlin: Er stellt sich heute im Landtag zur Wiederwahl. Haseloff war ebenfalls abgelenkt. Gestern Abend kam die Spitze seiner Landes-CDU zum Krisentreffen mit ihren Kreisvorsitzenden zusammen, um über den Fall Robert Möritz zu beraten. Dem Ex-Neonazi mit dem Neonazi-Tattoo nimmt auch in der eigenen Partei das „Ex“ längst nicht mehr jeder ab, zumal als jetzt der MDR auch noch eine kumpelige Nähe zu Neonazi-Musikern dokumentierte. Die Christdemokraten zu Magdeburg entschieden sich für eine Spezialform des Weihnachtsfriedens (hier im Original): Bis zum 27. Dezember muss Möritz all seine Verbindungen zur rechtsextremen Szene aufschreiben, einen Tag später will der Landesvorstand ihn anhören. Sollte er etwas ausgelassen haben, droht gleich der Parteiausschluss. Und schließlich: Möritz müsse erklären, dass Hakenkreuze und andere NS-Symbole mit den Grundsätzen der CDU unvereinbar seien „und dass er dieses vorbehaltlos anerkennt“. Aber das genau ist doch das Problem an dem Fall: dass so etwas CDU-Kommunalpolitikern in Sachsen-Anhalt offenkundig erst erklärt werden muss! Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass Möritz die CDU Sachsen-Anhalt verlässt.

Bundesverkehrsminister Andreas „Andi“ Scheuer steckt in der Klemme. Die als Maut-Betreiber von ihm ausersehenen Firmen Kapsch und CTS Eventim fordern vom Verkehrsminister jetzt förmlich 560 Millionen Euro Schadenersatz für das bekanntlich entgangene Geschäft. Der CSU-Mann ließ gleich erklären, die Forderungen entbehrten „jeder Grundlage. Aber so einfach per Fernsehauftritt und Twitter lassen sich die Unternehmen nicht abschütteln. Beide sind Aktiengesellschaften und bei Strafe verpflichtet, jede Möglichkeit zu nutzen, um ihren Anteilseignern Verluste zu ersparen. Politisch gesehen mag das Scheuer sogar passen, dauert so ein rechtsförmiges Schiedsverfahren doch in der Regel länger als die reguläre Restlaufzeit der jetzigen Regierung. Es könnte obendrein dem Maut-Untersuchungsausschuss die Arbeit erschweren, weil Beteiligte auf Aussageverweigerung bestehen könnten. Aber andererseits – der Andi ist noch jung mit seinen 45 Jahren, jung und ehrgeizig. Wenn die halbe Milliarde erst in ein paar Jahren fällig werden sollte, muss er dann halt vom nächsten Amt zurückgetreten werden.

Und zum Schluss kehrt im politischen Berlin der Weihnachtsfriede ein, mindestens aber eine allgemeine Weihnachtsermattung, der selbst wir uns nicht entziehen können. Sogar die nagelneue SPD-Spitze wirkt ja nicht besonders tatendurstig. Groko-Halbzeitbilanz? Och nöö, nicht hetzen bitte, nächstes Jahr ist auch noch ein Jahr. Gestern Abend also kurzes Schnupper-Treffen des Duos mit AKK (vom Truppenbesuch aus Zypern angereist) und Markus Söder (der Nürnberger Lebkuchen mitbrachte), danach erste Schnupper-Koalitionsrunde. Es wird allseits lockere Stimmung vermeldet. Nach eineinhalb Stündchen mussten Kanzlerin und bayerischer Ministerpräsident schon weiter zur Besprechung mit den anderen Länderchefs vor dem heutigen Bundesrat. Über SPD-Sonderwünsche an das Regierungsbündnis redet man gegebenenfalls ab Januar. Über ein vorzeitiges Ende redet niemand mehr. Selbst Saskia Esken versprach: „Wir bringen die große Koalition nicht in eine Schief- oder Hängelage.“

Die nächste Morgenlage gibt es wieder nach der Weihnachtspause ab dem 7. Januar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false