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Bundeskanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel.

© dpa

Die Kanzlerin und die Flüchtlingspolitik: Angela Merkel muss auf die Türkei und Griechenland hoffen

Der Kanzlerin läuft die Zeit davon. Anfang März will die EU wieder Zwischenbilanz in der Flüchtlingskrise ziehen. Ob die Bilanz positiv ausfällt, hat Merkel nicht selbst in der Hand. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Nach dem EU-Gipfel verhält es sich mit Angela Merkels Flüchtlingspolitik so wie bereits vor dem Spitzentreffen: Es regiert das Prinzip Hoffnung.

Angesichts der Tatsache, dass es zuletzt geheißen hatte, der drohende „Brexit“ werde das Spitzentreffen thematisch beherrschen, haben sich die Bundeskanzlerin in ihre 27 Partner in der EU dann doch überraschend ausgiebig mit der Flüchtlingskrise beschäftigt. Die deutsche Regierungschefin verbucht es dabei als Erfolg, dass die Europäische Union sich in erster Linie darauf konzentriere, die Lösung der Krise durch ein gemeinsames Vorgehen mit der Türkei herbeizuführen.

Das deutsch-französische Duo spielt praktisch keine Rolle

Bei nüchterner Betrachtung gibt es aber mehrere Faktoren, die die Politik der Kanzlerin auch in nächsten Wochen erschweren dürften.

Erstens: Das deutsch-französische Duo spielt in der Flüchtlingspolitik praktisch keine Rolle. Frankreich schultert zwar mit der Aufnahme von 30.000 Schutzsuchenden einen nicht zu vernachlässigenden Anteil in der Krise, verfolgt aber grundsätzlich einen völlig anderen Ansatz. Während Deutschland – trotz der geplanten restriktiveren Linie bei der Festlegung sicherer Herkunftsländer und der Beschleunigung bei den Abschiebungen – unterm Strich immer noch ein menschliches Gesicht in der Flüchtlingskrise zeigt, verfolgt der französische Präsident François Hollande den entgegengesetzten Ansatz. Die menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingscamp bei Calais sollen den Migranten signalisieren: Kommt bloß nicht ins Mutterland der Menschenrechte!

Brüchiges Bündnis zwischen Merkel und Faymann

Zweitens: Das Bündnis zwischen Merkel und dem österreichischen Kanzler Werner Faymann, die im vergangenen September bei der Öffnung der Grenzen gemeinsam vorgingen, hat Risse bekommen. Unter dem Druck des konservativen Koalitionspartners von der ÖVP hat sich Faymann dazu entschlossen, den Zustrom der Flüchtlinge erheblich zu drosseln – Kritik der EU-Kommission hin oder her.

Drittens: Es gibt eine Reihe von Staaten innerhalb und außerhalb der EU, die Merkels Linie sabotieren, der zufolge Griechenland in der Flüchtlingskrise nicht ins Chaos gestoßen werden darf. Die Vereinbarung der Polizeichefs von Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich, ein neues Registrierungszentrum für Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze zu schaffen, könnte zu einem Rückstau der Flüchtlinge in Hellas – und zu völlig unhaltbaren Zuständen in dem Krisenstaat führen.

Trotz allem bleibt es dabei: Der Schlüssel liegt in der Türkei

Dennoch behält die Kanzlerin recht mit ihrer Einschätzung, dass die EU in der Flüchtlingskrise letztlich immer auf die Türkei angewiesen bleibt – egal wie scharf die einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ihre Grenzen auch kontrollieren. Die Türkei bleibt das wichtigste Durchgangsland für die Flüchtlinge aus dem Syrien-Krieg. Dort liegt folglich auch die Lösung.

Die Flüchtlingspolitik könnte sogar ein Gewinnerthema für die Union werden

Merkels Flüchtlingspolitik ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Politisch könnte die CDU/CSU aus der Flüchtlingskrise durchaus ein Gewinnerthema machen – wenn es der Bundeskanzlerin gelingen sollte, gemeinsam mit den anderen Europäern zwei Dinge zu bewerkstelligen: einerseits den Zustrom der Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze zu stoppen und andererseits ein menschliches Gesicht zu wahren – durch die Aufnahme von Kontingent-Flüchtlingen aus der Türkei.

Vier der fünf griechischen "Hotspots" sind fertig - aber nicht unbedingt einsatzbereit

Hoffnungszeichen gibt es dabei durchaus. Die türkischen Sicherheitskräfte halten inzwischen immer mehr Flüchtlinge an der Ägäis-Küste auf. Der Einsatz der Nato hilft bei der Überwachung des unübersichtlichen Grenzgebietes. Selbst der Aufbau der „Hotspots“ in Griechenland kommt. Vier der fünf geplanten Registrierungszentren sind fertig – was allerdings nicht in jedem Fall heißt, dass sie auch tatsächlich einsatzbereit sind.

Der nächste geplante Sondergipfel mit der Türkei Anfang März wird Merkel nun erneut Gelegenheit geben, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ob die Bilanz positiv oder negativ ausfällt, hat sie allerdings nicht in der Hand. Sie muss vielmehr auf die beiden wichtigsten Verbündeten hoffen, die sie derzeit in der Flüchtlingskrise hat: die Türkei und Griechenland.

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