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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) neben Chinas Ministerpräsident Li Keqiang.

© Andrea Verdelli/AFP

Update

Die Kanzlerin in China: Merkel pocht auf „Rechte und Freiheiten“ der Hongkonger

Die Bundeskanzlerin fordert einen Dialog zur Lösung des Hongkong-Konflikts. China habe die „Weisheit“ zur Herstellung der Ordnung, sagt Ministerpräsident Li.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bei ihrem Besuch in China für die „Rechte und Freiheiten“ der Hongkonger eingesetzt. Nach Gesprächen mit Regierungschef Li Keqiang sagte Merkel am Freitag bei einer gemeinsamen Pressebegegnung in Peking, es müsse jetzt „alles daran gesetzt werden, Gewalt zu vermeiden“. Es müssten politische Lösungen durch Dialog gefunden werden.

Chinas Premier gab sich zurückhaltend. Die Zentralregierung unterstütze die Hongkonger Regierung, „Gewalt und Chaos“ im Rahmen der Gesetze zu beenden. Peking halte an dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ fest, nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion regiert wird, sagte Chinas Regierungschef.

Er ging damit nicht direkt auf eine Frage nach einem möglichen militärischen Eingreifen in Hongkong ein. Allerdings wäre eine solche Intervention auch auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage möglich, wenn die Hongkonger Regierung nicht mehr mit den Protesten fertig werden und die Zentralregierung um Hilfe bitten sollte.

Auf die Frage, ob er ein militärisches Eingreifen Chinas ausschließe, sagte Ministerpräsident Li lediglich, dass die Zentralregierung in Peking Hongkongs Regierung „im Rahmen der Gesetze“ unterstützen werde, Chaos zu beenden und Ordnung wieder herzustellen. Man könne China vertrauen, da es die „Weisheit“ dafür habe.

Die Äußerung wird als Hinweis gewertet, dass Peking möglicherweise im Falle einer Eskalation statt der Entsendung von Soldaten versuchen könnte, einen Ausnahmezustand in der Sonderverwaltungszone ausrufen zu lassen. Für das Wochenende sind neue Demonstrationen geplant.

Am Abend Treffen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping

Li Keqiang bekräftigte aber auch, dass Peking weiter an dem Grundsatz festhalte, dass die Hongkonger ihre eigenen Angelegenheiten regelten. Er ist der höchste Regierungsvertreter in Peking, der sich bisher zu den seit mehr als vier Monaten andauernden Protesten öffentlich geäußert hat. Die Kanzlerin wurde am Abend auch von Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Gespräch und einem Abendessen empfangen - eine protokollarisch besondere Geste.

Die Kanzlerin verwies darauf, dass Hongkongs Grundgesetz den sieben Millionen Bewohnern der Wirtschaftsmetropole weitgehende politische Freiheiten einräume. „Ich habe darauf hingewiesen, dass die Rechte und die Freiheiten natürlich auch gewährleistet werden müssen.“ Merkel begrüßte, dass die Hongkonger Regierung das umstrittene Auslieferungen nach China diese Woche komplett zurückgezogen hat und auch das Gespräch mit den Bürgern aufnehmen wolle.

Proteste sollen am Wochenende weitergehen

Die Kanzlerin äußerte die Hoffnung, dass die Demonstranten jetzt auch an diesem Dialog teilnehmen könnten. Das Entgegenkommen der Hongkonger Regierung war allerdings als „zu wenig, zu spät“ zurückgewiesen worden. Gefordert werden weiter eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt, eine Amnestie für die Festgenommenen und politische Reformen, die auf freie Wahlen hinauslaufen. Die Proteste sollen an diesem Wochenende weitergehen - mit einem Marsch zum US-Konsulat und möglichen neuen Aktionen am Flughafen. Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong autonom und in seinem eigenen Territorium unter chinesischer Souveränität regiert. Mit ihren Demonstrationen äußern die Hongkonger auch ihre Angst vor einer Ausweitung des chinesischen Einflusses und dem Verlust ihrer Freiheiten - durch eine selbstbewusste chinesische Führung, die ihren Machtanspruch deutlicher als je zuvor zeigt.

Merkel solle mit Demonstranten reden, fordern Aktivisten

Einer der Mitorganisatoren der Proteste in Hongkong forderte Merkel auf, sich bei ihrem Besuch in China für die Demokratiebewegung in der Sonderverwaltungszone einzusetzen. Der Aktivist Wong Yik Mo sagte am Freitag im Deutschlandfunk, weil Merkel früher in der DDR gelebt habe, könne sie sich ein Leben in einer Stadt mit Polizeigewalt und ohne Freiheit „sehr gut vorstellen“.

Merkel solle Chinas Präsident Xi Jinping überzeugen, „Hongkong nicht kaputt zu machen, weil es schädlich wäre für Hongkong, für China, für Deutschland und für die ganze Welt“, forderte Wong. Er forderte Merkel auf, bei ihrer China-Reise auch Hongkong zu besuchen, um mit den Demonstranten dort zu reden. „Am dritten Tag könnte sie nach Hongkong kommen, um mit uns zu reden, uns zu treffen und zu sehen, was ist in Hongkong los.“

Besuch beginnt mit Eklat über Zulassung von Journalisten

Der Besuch der Kanzlerin war am Freitag mit einer Verstimmung über die Zulassung der in Peking ansässigen deutschen Journalisten gestartet. Die chinesische Seite verweigerte zunächst allen Korrespondenten eine Teilnahme an der Pressebegegnung von Merkel und Regierungschef Li Keqiang in der Großen Halle des Volkes. Aus „Kapazitätsgründen“ könnten nur die mitgereisten deutschen Journalisten teilnehmen, hieß es von chinesischer Seite

Nach Protesten erlaubte die chinesische Seite schließlich doch vier örtlichen Korrespondenten die Teilnahme. Es wurde aber nur eine Frage erlaubt. In der Delegation wurde spekuliert, ob vielleicht allzu kritische Fragen vermieden werden sollten - etwa zu Hongkong oder zum Schicksal der muslimischen Minderheit der Uiguren, die zu Hunderttausenden in Umerziehungslager gesteckt worden sind.

Zum Auftakt ihres dreitägigen Besuchs äußerte Merkel hat ihre Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Handelskrieges zwischen den USA und China. Merkel sagte am Freitag in einem Gespräch mit Regierungschef Li Keqiang, es merkten alle, dass sich der Handelskonflikt auch auf andere Staaten auswirke.

Die Kanzlerin plädierte auch für einen baldigen Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen China und der Europäischen Union. Merkel hob hervor, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen auf einem festen Fundament stünden. Es gebe aber auch Konflikte. Bei deren Aufarbeitung seien beide Seiten schon ein gutes Stück vorangekommen, sagte die CDU-Politikerin zu Beginn des Gesprächs. Anschließend wurden elf Kooperationsvereinbarungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen unterzeichnet.

Herausfordernde Gespräche

Zuvor war Merkel mit militärischen Ehren empfangen worden. Bei der Zeremonie wurden Stühle bereitgestellt, so dass Merkel mit Premier Li Keqiang weitgehend sitzen konnte. Aufgrund mehrerer Zitteranfälle bei ähnlichen Gelegenheiten, wo sie länger stillstehen musste, hatte sie militärische Empfänge zuletzt wiederholt im Sitzen absolviert. Li Keqiang stand allerdings bei der chinesischen Nationalhymne auf.

Weitere Texte zu China und Merkels Reise:

Kritik an Chinas Regierung kam von der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD). „In Bezug auf bürgerliche und politische Rechte hat sich die Lage in China in den letzten Jahren deutlich verschlechtert“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Meinungsfreiheit werde weiter eingeschränkt. Auch der Umgang mit Minderheiten wie Tibetern sowie Uiguren und anderen Muslimen mache ihr große Sorgen.

Kofler wies auch auf das sogenannte Sozialpunktesystem hin, das gerade in China eingeführt wird. Dabei wird das durch umfassende Überwachung erfasste Verhalten aller Bürger bewertet: Für erwünschtes Verhalten gibt es Pluspunkte, für unerwünschtes Verhalten Punktabzug - zum Beispiel für das Überfahren einer roten Ampel, aber auch für regierungskritisches Handeln.

Auf ihrer Reise wird Merkel auch an der Sitzung des Beratenden Ausschusses der Deutsch-Chinesischen Wirtschaft sowie an der Abschlusssitzung des Deutsch-Chinesischen Dialogforums teilnehmen. Die Kanzlerin wird von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet und will in Peking sowie auf ihrer zweiten Station Wuhan am Samstag auch Firmen besuchen. In Wuhan will sie an der dortigen Huazhong-Universität mit Studierenden sprechen. Merkel war zuletzt im Mai vergangenen Jahres in China gewesen. (dpa, Reuters, AFP)

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