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Markus Söder, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident aus Bayern trinkt beim Politischen Aschermittwoch der CSU 2020 ein Bier.

© Peter Kneffel/dpa

Die K-Frage in der Union: Das Uga-Uga entscheidet? Ist nicht euer Ernst!

Der politische „Markt“ verändert sich. Doch die ehemaligen Volksparteien CDU und CSU und verstehen nicht, was Sache ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Wer entscheidet, wer entscheidet? Im Machtkampf zwischen Markus Söder und Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur der Union ist das, pardon, die entscheidende Frage. Noch am Sonntag ließen die beiden Granden verlauten, man habe sich auf einen „Prozess“ geeinigt. Die Parteipräsidien- und Vorstände würden tagen, anhand dieser „Meinungsbilder“ werde man sich dann im Zwiegespräch einigen.

Nur, davon wollte Söder schon einen Tag später nichts mehr wissen. Jetzt brachte er wieder die Fraktion ins Spiel. Gleichzeitig schlug er eine Art Duell vor, ein Treffen um High Noon, Ende der Woche, zwei Männer und ein paar Sekundanten, dann Shoot-out bis einer umfällt. Am Ende trugen beide in einer langen Sitzung der Fraktion die Schwächen des jeweils anderen vor und vertagten sich dann, um den Austausch "auf sich wirken zu lassen".

Machtfragen sind nicht mit primitiven Mitteln zu klären

Es ist, wie es immer in der Geschichte ist: Wo Verfahren nicht kodifiziert sind (und das Parteiengesetz kennt die Position des „Spitzenkandidaten“ nicht und stellt daher keine Regeln für die Auswahl auf), muss in der Klärung von Machtfragen zu primitiveren Mitteln gegriffen werden. Uga-Uga. Langjährigen Beobachtern des politischen Geschäfts erscheint das so deprimierend wie normal. Doch dass die Union derart aus der (Macht-)Balance geraten konnte, hängt auch mit den tieferen Veränderungen im Parteiensystem zusammen.

Der „Markt“ ist vielfältiger und enger geworden, es stehen mit Union, SPD, Grünen und FDP gleich vier Parteien zur Auswahl, die sich in der bürgerlichen Mitte verorten. Zudem sind die Wähler weniger an eine Partei gebunden, besonders Grüne und Schwarze teilen eine große gemeinsame Wählergruppe.

Gleichzeitig entkoppeln sich die Parteien immer mehr vom „Markt“. Die Basis unterscheidet sich sozial stark von den Wählern (darunter sind bei der CDU zum Beispiel mehr Frauen als unter den Mitgliedern), unter den Funktionären nimmt die Entfernung zu.

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Schließlich wird die Bedeutung der persönlichen Überzeugungskraft wichtiger. Das klare inhaltliche Profil der Parteien schwindet, sie müssen in alle Richtungen offen sein, schließlich gibt es kaum Koalitionsoptionen, die es nicht gibt. Insofern ist es nicht nur ein Machtargument, wenn Markus Söder die „Umfragen“ ins Spiel bringt. Parteien können nicht mehr darauf setzen, dass durch ihre archaischen Verfahren ein Kandidat oder eine Kandidatin an die Spitze kommt, die bei den Wählern ankommt.

Wie man einen Kandidaten findet, der die Werte und Inhalte der Partei verkörpert und gleichzeitig „ankommt“, damit ist in vielfältiger Weise experimentiert worden. Oft überschneiden sich dabei Marktargumente mit dem Anspruch, den Prozess demokratischer zu gestalten. Ein Erfolgsrezept hat sich dabei noch nicht herausgeschält.

Markus Söder (CSU, l), und Armin Laschet
Markus Söder (CSU, l), und Armin Laschet

© Michael Kappeler/dpa

Das von den Mitgliedern gewählte Spitzenduo der SPD, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, mag zwar parteiintern besonders stark legitimiert sein, wäre auf dem Markt der Wähler aber völlig chancenlos. Auch Norbert Röttgen hat 2010 eine Urwahl zum NRW-Parteivorsitzenden gegen Laschet gewonnen, holte aber bei der Landtagswahl 2012 als Spitzenkandidat das schlechteste Ergebnis der CDU bei einer Landtagswahl in NRW und verlor gegen Hannelore Kraft.

Ähnlich erging es manchem Kandidaten in europäischen Nachbarländern. In Großbritannien kam der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn mit Unterstützung der Mitglieder seiner Partei an die Macht, war zunächst recht erfolgreich, verlor dann aber Wahlen. Auch der Parti Socialiste in Frankreich half die Urwahl ihres Spitzenkandidaten bei der Präsidentschaftswahl 2017 nicht, sie versank in der Bedeutungslosigkeit.

Es wäre für die Union ratsam, das Verfahren zu modernisieren

Umgekehrt sind viele der europäischen Volkstribune, die große Wahlerfolge feiern konnten und sich als Chefs von „Bewegungen“ inszenieren, nie von einer breiten Basis gewählt worden. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz etwa wurde von einer Delegiertenkonferenz zum Parteivorsitzenden gewählt und galt fortan als Spitzenkandidat. Der französische Präsident Emmanuel Macron gründete seine eigene Bewegung, die ihn als Präsidentschaftskandidaten unterstützte. Aber während Kandidaten, die bei den französischen Parlamentswahlen für „La République en Marche“ antreten wollten, sich bei der Partei bewerben mussten (in Zweifelsfällen entschied Macron selbst), stellte sich der spätere Präsident quasi per Selbstdeklaration als Präsidentschaftskandidat auf. Und die deutschen Grünen, sonst Meister der Basisdemokratie, regeln die Machtfrage still im engsten Kreis und glänzen trotzdem in den Umfragen.

Dennoch wäre es auch für die Union ratsam, das Verfahren zu modernisieren. Bei der Wahl zum Parteivorsitzenden gab es immerhin schon Vorstellungs- und Fragerunden vor Mitgliedern. Es muss nicht gleich eine „Vorwahl“ nach amerikanischem Vorbild sein, bei der die Kandidatinnen und Kandidaten sich zunächst in unterschiedlichsten Landesteilen zur Wahl stellen, teilweise in Direktwahl. Aber ein Shoot-out unter zwei Alphatieren genügt weder dem Anspruch an Mitbestimmung noch den Gesetzen des politischen „Marktes“ in einer Vielparteien- und Vielkoalitionendemokratie.

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